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Bürgerschaft Stralsund

Neuvergabe von Garagen und Pachterhöhungen rechtswidrig

Am Donnerstag tagte die Stralsunder Bürgerschaft zum ersten Mal in diesem Jahr, erneut vor vollem Garagenbesitzer:innen-Publikum. Ohne viel Aufsehen erregen zu wollen, revidierte das Stadtparlament einen kontrovers diskutierten Beschluss. In dem im Dezember mehrheitlich angenommenen Antrag der „Bürger für Stralsund“ waren Nichtstralsunder:innen von der Vergabe von Garagen ausgeschlossen worden. Das ist rechtswidrig und verstößt gegen das Grundgesetz.

Zur ersten Bürgerschaftssitzung Anfang Februar sind die Besucherreihen abermals voll: Zahlreiche Betroffene von Pachterhöhungen für DDR-Garagen sind wieder vor Ort und warten geduldig auf ihren Tagesordnungspunkt. Der wird anfangs erst einmal nach hinten gestellt. Man habe sehr viel Wichtiges zu besprechen, werden die Senior:innen von Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) vertröstet. Zwei Stunden später zieht die Bürgerschaft ihren Punkt dann doch vor – und sorgt anschließend gleichzeitig für Ernüchterung und Erleichterung im vorwiegend älteren Publikum.

Kompromissempfehlung nach Protesten

Bereits im Dezember waren die Pächter:innen scharenweise ins Rathaus gekommen, um gegen die ihrer Meinung nach unangemessen starke Erhöhung der Pacht von 100 auf teilweise über 400 Euro pro Jahr friedlich zu protestieren. Anders als in Greifswald vor zwei Jahren: Dort machten Besitzer:innen bei Sitzungen des Stadtparlaments lautstark ihrem Unmut über den geplanten Abriss ihrer Garagen Luft. Doch trotz besonnenem Widerstand wurde im Dezember für die Stralsunder:innen wiederholt: Die Preiserhöhungen seien rechtmäßig, man müsse die Garagen zum Vollwert verpachten. Die jahrelang auf niedrigem Niveau gehaltenen Kosten müssten laut Kommunalverfassung auf ortsübliche Preise angepasst werden, sonst werde wieder das Innenministerium auf den Plan gerufen. Eine Rücknahme des Verwaltungsaktes sei aus Sicht des Ministeriums daher nicht möglich, sagte OB Badrow im Dezember.

Schlussendlich mischte sich der Bürgerbeauftragte des Landes, Matthias Crone, in der Hansestadt ein. In einem Schreiben an den Oberbürgermeister stellte Crone nach erneuter Überprüfung fest, dass das Stralsunder Vorgehen rechtswidrig ist. Auch seien die Nutzungsentgelte für Garagenstellflächen in anderen Städten MVs deutlich niedriger, als die von der Hansestadt zuvor geforderten 480 Euro pro Jahr. Laut Crone reiche die Bandbreite im Land von 85 Euro in Außenbezirken bis zu 249 Euro in innerstädtischen Gebieten. In Greifswald etwa beträgt die Pacht an allen Standorten 190 Euro. Crone sprach der Hansestadt Stralsund gemäß dem Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz die Empfehlung aus, auf die Erhöhung der Pachtentgelte zu verzichten und einen Gutachterausschuss einzusetzen. Zu Fragen der Entschädigung der Garagenbesitzer:innen wollte sich Crone noch einmal gesondert äußern.

Nach drei Treffen erzielten die Fraktionsgeschäftsführer der Bürgerschaft dann – nicht ganz einig, wie betont wurde – einen Kompromiss: Die Garagenbesitzer:innen sollen nun eine Pacht von jährlich rund 280 Euro zahlen, bis in zwei Jahren ein Gutachten zur Wertfeststellung vorliegt. Damit sei man den Pächter:innen entgegengekommen. Anders als vorgeschlagen, den Preis in den kommenden drei Jahren stufenweise anzuheben, versucht man es jetzt so. Zuvor war eine Anhebung der Pacht um 380 Prozent von 100 auf bis zu 480 Euro im Jahr vorgenommen worden. Teilweise auch von 240 auf 490 Euro. Den Garagenbesitzer:innen wird diese Kostenreduktion ab Januar in den kommenden Tagen und Wochen postalisch mitgeteilt. Voraussichtlich ab 2026 werden die Pachten dann nach Gutachten festgeschrieben. Und: Wer kündigt, verliert sein Nutzungsrecht und die selbstgebauten Garagen gehen an die Stadt über.

Ausschluss von Nichtstralsunder:innen rechtswidrig

Kontrovers diskutiert wurde in der vorangegangenen Sitzung unter den Fraktionen ein Beschlussantrag der Bürger für Stralsund (BfS) zur Neuvergabe von Garagen. BfS-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Haack zeigte sich in der letzten Sitzung des Jahres 2023 empört über Vorwürfe, der Antrag sei nicht verfassungskonform, und gewann die Mehrheit für sich. Im Dezember beschloss die Bürgerschaft mehrheitlich:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dass bei der Neuvergabe von Garagen Stralsunder Bürger bevorzugt werden.

Beschluss 2023-VII-11-1263 der Bürgerschaft Stralsund vom 14.12.2023

Daraufhin legte der Oberbürgermeister noch im Dezember Widerspruch ein. Die Begründung: Der Beschluss verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz und damit gegen Artikel 3 des Grundgesetzes. In seinem Widerspruch machte der OB deutlich, dass er im Falle eines weiteren rechtswidrigen Beschlusses in dieser Angelegenheit erneut gezwungen wäre, Widerspruch bei der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde einzulegen. Eine weitere Option wäre dann nur noch der Gang vor Gericht. Er betonte jedoch, dass dies im Interesse aller Beteiligten vermieden werden sollte. Kurzerhand musste die Bürgerschaft dann neu abstimmen.

Dass es am 2. Februar um einen Antrag bezüglich der Garagen ging, war den Zuschauer:innen klar. Was genau der Widerspruch beinhaltete oder warum der besagte Antrag, der in der Sitzung nur als Nummer angegeben wurde, letztendlich nicht rechtmäßig ist, wurde dem verwunderten Publikum jedoch nicht erklärt. Zur Klarstellung: Laut Grundgesetz darf ein Beschluss keine Personengruppen bevorzugen oder ausschließen. Der Widerspruch des OBs werde notwendig, hatten Grünen-Fraktionsmitglieder bereits im Dezember prophezeit. In einer Neuabstimmung über den ursprünglichen (rechtswidrigen) Antrag wurde dieser nun mehrheitlich abgelehnt. Damit wird bei der Vergabe von Garagen künftig niemand aufgrund seines Wohnortes benachteiligt werden dürfen.

Werfthochhaus ohne Denkmalschutz?

Eine Anfrage der Fraktion Grüne/Die Partei beschäftigte sich mit der denkmalgerechten Erhaltung des Hochhauses auf dem Gelände der ehemaligen Volkswerft. In der letzten Bürgerschaftssitzung 2023 wurde die Frage nach Nutzungsmöglichkeiten als Jugend- und Kulturzentrum noch wegdiskutiert. Jedoch sei für die Stadt eine Skybar auf dem Dach vorstellbar. Doch bis es dazu kommen kann, müsse das Gebäude erst „unter Wahrung seiner Identität funktional, technisch und energetisch“ auf den neuesten Stand gebracht werden, lässt Bauamtsleiter Frank-Bertolt Raith auf Nachfrage mitteilen. Eine denkmalgerechte Sanierung oder Zustands- und Bestandsaufnahme werde jedoch nicht angestrebt, da das Gebäude nicht unter Denkmalschutz stehe. Dafür soll es mit modernen Büroflächen in bester Lage zum „Signature Building“ von Stralsund werden.

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