Qualitativ hochwertig, wohnortnah und stabil vorhanden – so sollte die medizinische Versorgung in MV aussehen. Sie gehört zur Daseinsvorsorge. Dass es dafür einer ausreichenden Zahl qualifizierter Fachkräfte bedarf, ist klar. Sie zu gewinnen und zu halten, stellt „eine große Herausforderung“ dar, betonen Fachleute.1
Gerade im Gesundheitswesen klafft eine enorme Fachkräftelücke, und zwar deutschlandweit. Es ist der Wirtschaftszweig, in dem es rechnerisch für die größte Zahl offener Stellen „keine passend qualifizierten Arbeitslosen“ gibt. Demnach konnten zum Zeitpunkt der Erhebung über 47.000 Stellen nicht besetzt werden. Zu diesem Ergebnis kam im November vergangenen Jahres eine Analyse des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft zur Fachkräftesituation im Land.2
Ausländische Fachkräfte mildern den Mangel
Damit die Fachkräftelücke etwas kleiner wird, setzt etwa die Pflegebranche, die besonders betroffen ist, bereits auf ausländische Arbeitskräfte.3 Deren Zahl ist dort seit 2015 um 167 Prozent auf 188.000 gewachsen.4 Der Beschäftigungsanstieg in der Pflege in den vergangenen zehn Jahren ging größtenteils auf sie zurück, was ihre Bedeutung für die Milderung des Fachkräftemangels noch unterstreicht.5 Expert:innen sehen das ähnlich. Sie verweisen jedoch auch auf die noch bestehenden Hürden und Probleme bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Zudem müssten die Menschen mit dem Ziel der Integration und der Überwindung von Sprachbarrieren besser begleitet werden.6
Laut Bundesagentur für Arbeit hatten im Jahr 2023 16 Prozent der in der Pflege Beschäftigten eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit. Zwei von drei Pflegekräften kamen dabei aus Drittstaaten, die anderen aus dem EU-Ausland.7
Krankenhäuser: Zentrale Bedeutung zugewanderter Fachkräfte
Wie wichtig ausländische Arbeitskräfte bereits jetzt auch in anderen Teilen des Gesundheitswesens sind, verrät der Blick in die Kliniken in MV. So kommen über 25 Prozent der Ärzt:innen an den KMG-Kliniken – dazu gehören die Häuser in Boizenburg und Güstrow – aus dem Ausland.8 Am Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg beträgt ihr Anteil rund 45 Prozent. Die meisten kommen aus Polen, Syrien und Ungarn. Im pflegerischen Bereich sind es mit rund 3,3 Prozent vergleichsweise wenige ausländische Kolleg:innen, ergänzt das Krankenhaus.9 In Anklam und Ueckermünde beträgt der Anteil ausländischer Fachkräfte rund 10 Prozent, teilt der Träger Ameos auf Nachfrage mit.10 An der Unimedizin in Greifswald und dem Kreiskrankenhaus Wolgast haben rund 7 Prozent der im ärztlichen und pflegerischen Bereich Beschäftigten eine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit.11
Ohne die Kolleg:innen aus dem Ausland sei die Versorgung auf aktuellem Niveau nicht mehr zu halten, sagte der ärztliche Direktor des Güstrower Krankenhauses schon vor einem Jahr. Sie seien „unverzichtbar“, heißt es aus Neubrandenburg. Die gemeinsame Zusammenarbeit „gerade in einer universitären Einrichtung“ sei von „zentraler Bedeutung“ – auch weil Spitzenforschung und -medizin „nur grenzüberschreitend möglich“ sei, schreibt die Unimedizin Greifswald. Ameos weist ebenfalls auf die dadurch „zuverlässige und sichere Patientenversorgung“ hin und betont, dass so dem Fachkräftemangel an den Standorten entgegengewirkt werden könne.
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Mehr Informationen„Heimische Potenziale“ reichen nicht
Angesichts der Lage könnte man vermuten, dass die Bedeutung ausländischer Fachkräfte parteiübergreifend ähnlich eingeschätzt wird. Ein Blick ins Programm der AfD zur bevorstehenden Bundestagswahl verrät jedoch, dass die Partei die bisherige Herangehensweise nicht mehr mittragen will. Zuwanderung behebe nicht wirtschaftliche Probleme, sondern löse zusätzliche aus, heißt es dort. Die Partei stellt sogar infrage, ob es überhaupt einen Mangel speziell an Pflegekräften gibt.12
Für die Gewinnung von Fachkräften will die AfD erst einmal keine Einwanderung von außerhalb Europas mehr sehen. Zuerst sollten „heimische Potenziale“ ausgeschöpft werden, findet die Partei.13 Dass in Zukunft, neben den bereits heute bestehenden Lücken, in Deutschland noch weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen werden, spielt dabei keine Rolle. Um zehn Prozent soll laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung die Zahl bis 2040 sinken. Um das zu verhindern, braucht es Zuwanderung.14
Das Demografie-Gutachten des Deutschen Krankenhausinstituts führt für die Gesundheitsbranche die Verschärfung des Problems darauf zurück, dass „die Zahl der altersbedingten Ausstiege“ bis 2030 die der Berufseinstiege übersteigen wird – und das trotz Zuwanderung. Und auch die sei „keine alleinige Lösung“.15 Speziell in MV kündigen sich aufgrund des hohen Durchschnittsalters der Mediziner:innen gerade im ländlichen Raum unbesetzte Arztsitze an.16
Studienplätze: Vorrang für Deutsche?
Dass es bei medizinischem Personal aus dem Ausland zu sprachlichen Defiziten kommen könnte, treibt die AfD in ihrem Wahlprogramm um. Entsprechend fordert die Partei für solche Fachkräfte das Sprachniveau C1.17 Wie etwa Ameos schreibt, wird das in seinen Kliniken jedoch bereits jetzt so gehandhabt – besonders für Berufe mit direktem Patientenkontakt.
In diesem Zusammenhang fordert die AfD auch, medizinische und zahnmedizinische Studienplätze vorrangig Deutschen zur Verfügung zu stellen. Ob das für das Fach Medizin aus Sicht der Universität überhaupt möglich ist, beantwortet die Unimedizin in Rostock auf Nachfrage mit einem klaren „Nein“.18 Die gleiche Frage bezeichnet der Pressesprecher der Universität Greifswald als „absurd“. Rechtsstaatliches Handeln sei für die Hochschule „selbstverständliche Verpflichtung“, heißt es weiter.19
Aktuell besitzen im Fach Medizin an der Uni Greifswald 138 von 1.777 eingeschriebenen Studierenden eine andere Staatsbürgerschaft als die deutsche.20 An der Rostocker Unimedizin liegt der Anteil noch etwas niedriger, bei rund vier Prozent. Um einen solchen Studienplatz zu bekommen, müssen internationale Studierende übrigens schon jetzt das Sprachniveau C121 beziehungsweise C2 nachweisen.22
Weiterlesen:
- So tickt die AfD bei Energiepolitik
- AfD-Kandidierende im Überblick
- Was MV über die Bundestagswahl 2025 wissen muss
- Landtag MV (Hg.): Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Zukunft der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern“, S. 58, auf: vdek.com (2.6.2021). ↩︎
- Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Hg.): Fachkräftelücken belasten wichtige Wirtschaftszweige, S. 2, auf: iwkoeln.de (Stand November 2024). ↩︎
- Bundesagentur für Arbeit (Hg.): Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich, S. 11, auf: statistik.arbeitsagentur.de (Mai 2024). ↩︎
- Deutscher Bundestag (Hg): Mehr Beschäftigte in Pflegeberufen, auf: bundestag.de (20.11.2024). ↩︎
- Bundesagentur für Arbeit 2024, S. 11. ↩︎
- Landtag MV 2021, S. 59. ↩︎
- Bundesagentur für Arbeit 2024, S. 12. ↩︎
- KMG-Kliniken (Hg.): KMG Kliniken: Ohne ausländische Ärzt:innen wäre die flächendeckende Gesundheitsversorgung nicht möglich (21.2.2024). ↩︎
- E-Mail des Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums Neubrandenburg vom 3.2.2025. ↩︎
- E-Mail von Ameos vom 4.2.2025. ↩︎
- E-Mail der Pressestelle der Universitätsmedizin Greifswald vom 4.2.2025. ↩︎
- AfD-Bundesverband (Hg.): Wahlprogramm der AfD zur Bundestagswahl 2025, S. 111, auf: afd.de. ↩︎
- Ebd., S. 113. ↩︎
- Bertelsmann-Stiftung (Hg.): Ohne Zuwanderung geht die Zahl der Arbeitskräfte in Deutschland bis 2040 deutlich zurück, auf: bertelsmann-stiftung.de (26.11.2024). ↩︎
- Deutsche Krankenhausgesellschaft (Hg.): Auch steigende Absolventenzahlen können Fachkräftemangel im Gesundheitswesen nicht beheben, auf: dkgev.de (2.8.2024). ↩︎
- Landtag MV 2021, S. 58. ↩︎
- AfD-Bundesverband, S. 33. ↩︎
- E-Mail der Pressestelle der Universitätsmedizin Rostock vom 5.2.2025. ↩︎
- E-Mail der Pressestelle der Uni Greifswald vom 31.1.2025. ↩︎
- Universität Greifswald (Hg.): Studierende Kopfzahlen. Wintersemester 2024, S. 1, auf: uni-greifswald.de (Stand 1.12.2024). ↩︎
- Universität Rostock (Hg): Medizin, auf: uni-rostock.de. ↩︎
- Universität Greifswald (Hg.): Voraussetzungen für internationale Studieninteressierte, auf: uni-greifswald.de. ↩︎