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Ein „absoluter Teamsport“

Die Segelflieger von Schmoldow

Ehemals Ausweichplatz des Fliegerhorstes Tutow, starten und landen seit mittlerweile 70 Jahren Segelflieger auf dem Flugplatz Schmoldow. Das Areal in der Gemeinde Bandelin ist so groß wie rund 112 Fußballfelder und bietet heute nicht nur Platz für zahlreiche Segelflugenthusiast:innen, auch die Modellfliegerszene der Region hat hier ein Zuhause. Als KATAPULT MV Anfang August 2024 nach Schmoldow kommt, herrscht gerade Hochbetrieb: Die Vereinsmitglieder treffen sich zum einwöchigen Fliegerlager.
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Die Sonne knallt auf flache Hallen, weite Wiese und zahlreiche behütete Köpfe. In Schmoldow gilt „Topfpflicht“, wie mir Fluglehrer Eric Brandenburg mittags auf der Startbahn erklärt. Aber mehr zu diesem Abenteuer später. Ich solle mich beim Flugleiter Herrn Radzimski melden, sagte Vereinschef Daniel Wittke am Vortag unseres Besuchs zu mir am Telefon.

Tatsächlich werden wir bereits erwartet. Und noch bevor der Flugleiter auftaucht, haben uns Veit, Björn und Tino schon die erste Abkürzung erklärt: SKP für „Startkontrollpunkt“. Von diesem stößt Rentner Bernd Radzimski – groß, weißer Anglerhut und braungebrannt – zu uns. Er sei „nur einfaches Mitglied“, lacht er und schüttelt uns die Hand. Ganz im Gegensatz zu Tino Braun, Vorstand des Modellflugclubs, kommt die gut gelaunte Spitze hinterher. Die anderen sind sich trotzdem einig: Bernd kann am besten vom Platz und dem Fliegen berichten. Und das tut er dann auch.

Eine der Hallen ist mit EDBY beschriftet, dem internationalen Flugplatzcode von Schmoldow. Darunter ist die Höhe des Platzes angegeben: 105 Fuß, etwa 32 Meter über dem Meeresspiegel. (Foto: Patrick Hinz)

Los geht es in den Werkstätten: der „weißen“, wo die Flieger im Winter gewartet werden, dann die „schwarze“, wo repariert wird, was Dreck macht, wie Bernd erklärt. Neben den Bezeichnungen der verschiedenen Flugzeuge – Pirat oder Janus – und dem Traum, ein vereinseigenes (sehr teures) Ultraleichtflugzeug anzuschaffen, berichtet er von der Fliegerausbildung im Verein. Dabei werden neben geografischer Orientierung auch „ungewöhnliche Fluglagen“ geübt. Was das genau bedeutet, verfolgen wir später selbst mit, als ein Segler im Flug sekundenlang kippt und in die Tiefe trudelt, bevor der Pilot ihn stabilisiert.

Bernd Radzimski deckt einen der vereinseigenen Segelflieger ab. Das Flugzeug wiegt etwa 280 Kilogramm. (Foto: Patrick Hinz)

In Schmoldow sind sie stolz darauf, dass sie ausbilden. Doch leider profitiert der Verein meist nur kurzfristig. Denn die jungen Leute bleiben oft nicht in der Region. So wie der Flugschüler, der heute zu seinen nächsten Alleinflügen ins Segelflugzeug Puchacz steigt. Er habe eine neue Stelle in Brandenburg gefunden, berichtet Bernd etwas wehmütig. Sie werden sich hier von ihm verabschieden müssen.

Rasenmähen gehört zu den wichtigsten Aufgaben im Verein. Start- und Landebahn müssen immer kurz gehalten werden, um Risiken zu minimieren. Die großen Flächen mäht der Verein nicht selbst. Das übernehmen Landwirte. (Foto: Patrick Hinz)
Segelfliegen ist Teamsport. Hier bereiten einige Vereinsmitglieder eines der Flugzeuge für den Tag vor. (Foto: Patrick Hinz)

Alle, die wir an diesem Augusttag treffen, brennen eindeutig für ihr fliegerisches Hobby. Dass sie immer auf der Suche nach Mitgliedern für ihre Fliegerfamilie in Schmoldow sind, verwundert daher nicht. So sehen sie sich – bestätigen uns alle – als Familie und Gemeinschaft. Und zu der gehört man gern. So wie der ehemalige Brandenburger Veit Konhäusner oder Fluglehrer Eric.
Veit kenne aus seiner Heimat andere Vereine, berichtet er. Doch in Schmoldow gefällt es ihm am besten. Hier kann er neben dem Segelfliegen seine Leidenschaft für Modellhubschrauber ausleben. Während seine Frau mit Sonnenbrille und Kopfhörern auf dem Rasentraktor die Wiese am Flugplatz rauf- und runtermäht, fährt Veit uns zum kleinen Vereinsheim des Modellflugclubs am anderen Ende des Platzes. Dort treffen wir auch Tino wieder, der von einem selbstgebauten Gestell in seinem Bus einen großen Modellhelikopter runterschnallt. Ein zweiter sei ihm letztens abgestürzt und daher kaputt. Das gehöre aber dazu, findet er, baut nebenbei den Akku ein und kontrolliert alles vor Abflug.

Auf dem Modellflugplatz: Tino baut einen seiner zwölf Helikopter auf. In dieses Modell hat er etwa 4.000 Euro und mehrere Tage Zeit investiert. (Foto: Patrick Hinz)

Dann geht es mit lautem Surren los. Tino lässt den rot-weißen Hubschrauber nicht nur flitzen. Er fliegt auch auf dem Kopf oder stürzt in die Tiefe. Krass. Tino – tiefenentspannt am Controller – blickt seinem Heli durch die Sonnenbrille hinterher. „Bist du einer von den Extremen?“, ruft Veit ihm eine unserer Fragen durchs Autofenster zu. „Definitiv!“, kommt die belustigte Antwort.

Über 300 Stundenkilometer kann der Heli fliegen. Der Akku hält bei so einem großen und leistungsstarken Hubschrauber zwischen fünf und zehn Minuten. (Foto: Patrick Hinz)

Nicht das größte Abenteuer für heute, stellt sich heraus, als wir zurück bei den Segelfliegern und Flugleiter Bernd stehen. „So, jetzt kann noch jemand von euch mitfliegen“, strahlt er und schaut uns beide abwechselnd erwartungsvoll an. Schlussendlich sitzt Kollege Hinz mit Rentner und Langstreckensegler Bernd Balzibok – „Bernd ist hier ein Sammelbegriff“, witzeln sie – auf der Winde am Ende des Flugplatzes. Ich klettere, ausgerüstet mit Fallschirm, Kamera und einer großen Portion Nervosität, hinter Eric ins Flugzeug.

Eric kommt aus Greifswald, ist Jurist und bereits seit seinem 14. Lebensjahr in Schmoldow aktiv. Er war zwar einige Zeit beruflich weg, erzählt er mir, doch seit Herbst 2018 unterstützt er mittlerweile als Fluglehrer die Ausbildung auf seinem Platz. Wie die Rückkehr war, frage ich. Eric: Als sei er nie weg gewesen.

Dann wird es ernst. Unter dem Segler ist das Seil der Winde befestigt und wird straffgezogen. Mit einem Ruck und 45 Grad Steigung geht es – nach Freigabe von Bernd – hoch Richtung Wolken. Das Seil klinkt aus und Eric kreist mit mir über dem Flugplatz, bevor wir Richtung Greifswald einschwenken. Der Blick reicht bis zum Bodden und dem Kummerower See.

Nach der Freigabe durch den Flugleiter geht alles ganz schnell. Innerhalb von Sekunden ist der Segelflieger bereits etliche Meter über dem Boden. (Foto: Patrick Hinz)
Wenn eine bestimmte Höhe erreicht ist, klingt sich das Seil der Winde automatisch aus und segelt an einem kleinen Fallschirm langsam nach unten zurück. (Foto: Patrick Hinz)

Wer weiß, wie weit die gute Thermik – kein Wort fiel an diesem Tag häufiger – Eric und mich im polnischen Segler getragen hätte, wäre da nicht das gelegentliche Hopsen gewesen. Auf Erics Worte „Du sagst Bescheid, wenn dir nicht gut ist“, muss ich leider noch vor Greifswald zurückkommen. Und als gute Flugschülerin falle ich gleich auch noch durch – keine Ahnung, wo da unten der Flugplatz ist. Wir kommen trotzdem wieder gut am Boden an. Nach geschätzt zehn Minuten Segelflug könnte ich fast meinen, nie weg gewesen zu sein. Doch die Segelflieger von Schmoldow haben recht: Den ersten Flug vergisst man nie.

Diese Reportage erschien in KATAPULT-MV-Ausgabe 35.

Autor:in

  • Redakteurin und Betriebsrätin in Greifswald

    Geboren in Berlin, aufgewachsen in Berlin und Brandenburg. Tauschte zum Studieren freiwillig Metropole gegen Metropölchen.

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