Fragen der Beteiligung

Mit Blick auf die hohen Zustimmungswerte der AfD in MV führt an einer auch inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Rechtsaußenpartei kein Weg vorbei. Dazu zählt neben Parteiprogramm und Co. auch ein Resümee der bisher geleisteten Arbeit. Womit haben sich die im Land aktiven Kommunalpolitiker:innen der Partei in den vergangenen Jahren beschäftigt?

Vor dem Hintergrund der anstehenden Wahl im Juni rückt besonders ihr Engagement auf kommunaler Ebene in den Fokus. KATAPULT MV hatte bereits die von der AfD in den Kreisen und in Schwerin eingebrachten Anträge ausgewertet. Nun rücken genauso die Anfragen der Fraktionen und -mitglieder in den Blick. Von Januar 2022 bis November 2023. Dabei wurden die schriftlich und mündlich gestellten Anfragen in Kreistags-, Stadtvertretungs- und Ausschusssitzungen einbezogen. Da es in Rostock keine AfD-Fraktion in der Bürgerschaft gibt, blieb die Stadt außen vor.

Nur eingeschränkt vergleichbar ist der Landkreis Nordwestmecklenburg (NWM). Hier konnten den jeweiligen Sitzungsprotokollen zwar mündliche Anfragen entnommen werden, jedoch waren die schriftlichen „nicht öffentlich zugänglich“.

Während Anträge das „wichtigste Instrument“ darstellen, „um politische Initiativen zu ergreifen“, sprich: ein bestimmtes Handeln im Kreis auszulösen, dienen Anfragen zum Beispiel dazu, Informationen zu erhalten oder strittige Punkte aufzuklären – auch als Vorbereitung auf einen Antrag.

Viel heißt nicht viel

Gemäß den Hauptsatzungen der Kreise und der Stadt Schwerin hat jedes Mitglied des Kreistags beziehungsweise der Stadtvertretung das Recht, „mündliche oder schriftliche Anfragen“ an Landrat oder Landrätin, Oberbürgermeister oder -bürgermeisterin zu stellen. Davon machten die verschiedenen AfD-Fraktionen und -Mitglieder unterschiedlich Gebrauch. Die wenigsten Anfragen gab es in den Landkreisen Rostock (LRO) und Vorpommern-Greifswald (VG). Hier wurden seit Januar 2022 nur 18 beziehungsweise 19 Anfragen gestellt. In Vorpommern-Rügen (VR) und Ludwigslust-Parchim (LUP) waren es dagegen 24 und 31 Anfragen, während NWM 26 mündliche Anfragen verzeichnete. Die meisten stellten die AfD-Vertreter:innen in Schwerin und der Mecklenburgischen Seenplatte (MSE) mit je 52.

Im Verhältnis zur Zahl der Mitglieder sticht besonders die vergleichsweise geringe Anzahl in VG hervor. So kamen die 19 Anfragen hier von einer insgesamt sieben Personen umfassenden Fraktion. Zum Vergleich: Die 18 in LRO stammten von vier Leuten, die 31 in LUP von nur sechs. Und die AfD-Fraktion in Schwerin hat ebenfalls nur sieben Mitglieder, kam jedoch auf 52 Anfragen.

Thema Nummer eins: Geflüchtete

Anders als bei den bereits untersuchten AfD-Anträgen, die zu großen Teilen von Stellenbesetzungen, Asyl und Corona handelten, kann ein solch thematisches Übergewicht hier nicht festgestellt werden. Eins der drei Themen sticht dennoch durch eine besonders hohe Zahl heraus: Asyl. Von den zusammen 222 Anfragen in allen Kreisen und Schwerin beschäftigten sich allein 56 mit Geflüchteten und Migration. So war die „Unterbringung von Flüchtlingen“ Thema in VG. Die Schweriner AfD-Mitglieder wollten wissen, ob die Anwesenheit von ukrainischen Flüchtlingen von der Stadt kontrolliert wird. Ob es „Polizeieinsätze im Zusammenhang mit Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft in Upahl“ gab, fragte ein Mitglied aus NWM, während die Kreisverwaltung LUP über Unfälle unter „Beteiligung ukrainischer Fahrzeuge“ Auskunft geben sollte.

Besonders auffällig ist in diesem Kontext die Themenwahl in NWM. Zwar kommen zur erfassten Zahl wohl noch schriftliche Anfragen hinzu, doch lassen sich von den 26 mündlichen allein 19 unter dem Oberbegriff Asyl zusammenfassen. Nur sieben Anfragen drehten sich um andere Themen, zwei um ein Logistikzentrum Amazons in Upahl. Auch in VG und VR ist der Anteil asylbezogener Anfragen mit acht und sieben hoch.

Schuluntersuchungen, Blitzer und einrichtungsbezogene Impfpflicht

Corona und damit Zusammenhängendes rangiert zahlenmäßig erst auf Rang drei. Mehr Anfragen gab es zu Verkehrs- und Bildungsbelangen – jeweils 19. Wobei Letzteres in Schwerin und NWM gar nicht vorkam. In NWM ist auch Verkehr nicht zu finden. Im Gegensatz dazu fragte die AfD in VR nach Zahl und Ort der Verkehrskameras und Blitzer, in LRO ging es um Verkehrskontrollen und daraus erzielte Einnahmen und in MSE wurden das Neun-Euro-Ticket und dessen Auswirkungen thematisiert. In Bezug auf Schule kam in MSE die Frage nach der „Kriminalität“ auf und wie sich diese „nach der Freigabe von Cannabis“ im Kreis entwickeln werde. Dahingegen thematisierte die AfD in LRO die Vorschuluntersuchungen der vergangenen zwei Jahre. Genauso die AfD in VG und MSE. Dabei glichen sich die Anfragen in LRO und VG bis auf einige redaktionelle Abweichungen.

Was Corona betrifft, so verteilen sich die 16 Anfragen auf Schwerin und alle Kreise mit Ausnahme von NWM. Dabei spielte die einrichtungsbezogene Impfpflicht die größte Rolle. Hierzu gab es eine Anfrage in VG, vier in Schwerin, zu dahingehenden Bußgeldbescheiden eine in VR und je eine zur Kontrolle der selbigen, zu geänderten Regeln und aktuellen Fallzahlen in MSE.

Ebenfalls im Themenmix: die Energiekrise – insgesamt 13-mal. Dabei bekam die sogenannte Gasmangellage besondere Aufmerksamkeit. So fragte die AfD in VG nach der Vorbereitung des Kreises auf „drohende Gaseinschränkungen“ und eventuellen „Notfallplänen“. Letztere interessierten auch die AfD in VR und Schwerin. Die Vorsorge und ein möglicher Maßnahmenkatalog zur Gasmangellage wurden in MSE abgefragt.

Weitere Themen der AfD-Anfragen umfassten zum Beispiel den Katastrophenschutz – den Ausbau von Sirenen in LRO –, Windkraft – „wie viele Ornithologen in der unteren Naturschutzbehörde im Bereich Windkraftanlagen“ in LUP tätig waren – oder die Feuerwehr – Fragen zum Beschaffungsprogramm für Feuerwehrfahrzeuge in VG.

2,7 Anfragen pro Person seit Anfang 2022

Vor dem Hintergrund der unterschiedlich hohen Zahl an Anfragen und der weniger eindimensionalen Themenwahl stellt sich die Frage nach einem Vergleich mit den anderen Parteien.

Beispielhaft die Zahlen aus VG: Hier ordnet sich die AfD zahlentechnisch auf Rang drei hinter der SPD und der Fraktion aus Grünen und Tierschutzpartei ein. Diese haben seit Januar 2022 53 beziehungsweise 35 Anfragen an die Kreisverwaltung gestellt. Hinter der AfD folgen die Fraktion Konservativer Bürgerbund Vorpommern und die Linke. Die wenigsten Anfragen kamen aus der Fraktion Freie Demokraten/Freier Horizont/Bürgerliste Greifswald. Interessant ist abseits der bloßen Anzahl erneut das Verhältnis zwischen Anfragen- und Mitgliederzahl. So stellt die SPD, genau wie die AfD, sieben Kreistagsmitglieder. Demnach richtete jede:r Sozialdemokrat:in im Schnitt 7,6 Anfragen an die Verwaltung, während es bei der AfD nur 2,7 waren. Damit ist die Rechtsaußenpartei aber nicht die zurückhaltendste: Mit durchschnittlich 0,4 Anfragen pro Fraktionsmitglied rangiert die CDU auf dem letzten Rang. Ihre 23 Mitgliedern stellten nur neun Anfragen.

Das Themenspektrum der Anfragen unterscheidet sich ebenfalls. So stellte die AfD Anfragen zu neun unterschiedlichen Themen, während die SPD allein bei den schriftlichen Anfragen schon 13 Themen abdeckte. Mit dabei neben einer Anfrage zum Rettungswesen im Kreis auch eine zu den „Grenzen des Wachstums beim Tourismus auf der Insel Usedom“.

Fleißig monothematisch in Nordwestmecklenburg

Und noch der Blick nach NWM: Obwohl die Arbeit der AfD dort diesmal nur bedingt vergleichbar ist, kann sie doch innerhalb des Kreises an der der anderen Fraktionen gemessen werden. Zwar erreicht keine der anderen, was die Zahl der mündlichen Anfragen betrifft, die 26 der AfD – am nächsten dran sind SPD (21) und Linke (15) –, doch dafür zeigte sich die politische Konkurrenz deutlich breiter interessiert. So findet sich bei der SPD nur eine Anfrage, die sich mit Geflüchteten auseinandersetzt. Die übrigen thematisierten etwa Schulangelegenheiten – zum Beispiel zum Ersatzbau der IGS Wismar – oder Verkehrsaspekte – etwa die Errichtung einer Ampelanlage.

Ähnliches bei der Linken. Neben vier Anfragen mit Asylbezug beschäftigten sich alle anderen mit einem neuen Thema. So wurde beispielsweise nach der Stellenausschreibung für eine Korruptionsbeauftragte oder nach „Streitigkeiten zwischen der Gemeinde und der Feuerwehr in Lützow“ gefragt.

Nachfragerecht nicht überall gleich genutzt

Welches Fazit kann also am Ende dieser Analyse gezogen werden?

Die AfD-Fraktionen und ihre Mitglieder machen von ihrem Fragerecht in den Kreisen und in Schwerin unterschiedlich Gebrauch. Woran es liegt, dass zum Beispiel in VG wenig und in MSE vergleichsweise viel nachgefragt wird, darüber kann nur spekuliert werden. Es zeigt sich jedoch, dass allein die Zahl der im jeweiligen Gremium sitzenden Mitglieder nicht dafür verantwortlich zu sein scheint. Womöglich hängt es mit der Beteiligung in den Ausschüssen zusammen. So fehlte zum Beispiel in VG Nikolaus Kramer im einzigen Ausschuss, dem er angehört, in allen Sitzungen, von denen Niederschriften vorliegen. Zehn Sitzungen, sechs zugängliche Protokolle, sechs fehlende Kramers. Wer nicht da ist, fragt auch nichts. Eine ganz sicher lohnende Fragestellung für die Zukunft.

Thematisch zeigt sich bei den Anfragen der AfD-Fraktionen und -mitglieder, anders als bei den Anträgen, auf den ersten Blick ein durchaus differenzierteres Bild. Es gibt keine drei Themen, die stark dominieren. Obwohl die AfD sich überall dennoch gern und viel und wenig überraschend an Geflüchteten reibt. Einschränkend muss dazu gesagt sein, dass lediglich die Themen erfasst wurden. Über die Qualität der tatsächlichen Fragen und deren Platz innerhalb der kommunalen Diskussion kann daher keine Aussage getroffen werden.

Dieser Artikel erschien in KATAPULT MV-Ausgabe 26.