Ein ehemaliges Hotel in Groß Strömkendorf (Landkreis Nordwestmecklenburg), das als Unterkunft für ukrainische Geflüchtete dient, ist in der Nacht zum Donnerstag fast vollständig ausgebrannt. Die 14 Geflüchteten konnten sich mit drei Mitarbeiter:innen des DRK Landesverbandes noch rechtzeitig retten, da ein Brandmelder anschlug. Bis zum Eintreffen der Feuerwehr, bekämpften Mitarbeiter:innen der Einrichtung und einige Passanten den Brand mit Feuerlöschern. Etwa 120 Feuerwehrleute, unter ihnen Landrat Tino Schomann (CDU), waren bis zum Morgen im Einsatz, um die Flammen zu löschen. Die Geflüchteten wurden in anderen Einrichtungen des Landkreises untergebracht.
Wie die Polizei mitteilte, musste die Feuerwehr das schilfgedeckte Haus bis zum Morgen kontrolliert abbrennen lassen. Das ehemalige Hotel war nicht mehr zu retten. Laut Polizei sei ein höherer sechsstelliger Sachschaden entstanden. Nun solle ein Gutachter die Ursache des Feuers ermitteln, sobald die Brandruine betretbar ist.
Die Polizei ermittelt unterdessen wegen Brandstiftung. Erst zwei Tage zuvor tauchten Hakenkreuz-Schmierereien am Eingangsbereich der Unterkunft auf. Noch am Tage des Brandes hatte es eine Begehung der Örtlichkeit durch die Ordnungsbehörde des Landkreises und der Polizei gegeben. Ob ein Zusammenhang zwischen beiden Taten besteht, ist im Moment noch Teil der Ermittlungen. Der Staatsschutz habe die Ermittlungen übernommen, teilte das Polizeipräsidium Rostock am Donnerstag mit. Unterstützt werde die Ermittlungsgruppe von Kräften des Kriminalkommissariats Wismar. Einen Tatverdächtigen gibt es bislang nicht. In dem Hotel waren zeitweise bis zu 170 Menschen, die vor dem Ukraine-Krieg geflohen sind, untergebracht.
Landrat Tino Schomann, sowie weitere Landkreismitarbeiter, waren ebenfalls vor Ort. „Ich bedanke mich zunächst bei allen Einsatzkräften und beim Leiter der Einrichtung für ihre schnelle Reaktion. Das Wichtigste ist, dass es nach jetzigem Sachstand keine Verletzten gab“, so Schomann: „Auch aus meiner langjährigen Erfahrung als Feuerwehrmann gehe ich derzeit davon aus, dass das Feuer absichtlich gelegt wurde. Das ist natürlich ein großer Schock.“
Der Flüchtlingsrat MV reagierte am Morgen mit Kritik auf die aufgeheizte, politische Stimmung landesweit. Vorsitzende Ulrike Seeman-Katz erklärt dazu: „Wir wissen noch nicht, ob es Brandstiftung war. Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß. Auch wir haben in den vergangenen Wochen eine sehr schlechte Stimmung verspürt. Politik und Verwaltung haben zunehmend von ‘Belastung’ und ‘hohem Migrationsdruck‘ gesprochen.” Oft seien dem Rat und den Geflüchteten anonym oder völlig offen und von der Gesellschaft unkommentiert Hassbotschaften entgegengeschleudert worden. „Auch auf den Montagsdemos gab es entsprechende Hassparolen”, heißt es.
„An alle, die sich jetzt – 30 Jahre nach Lichtenhagen – heimlich oder offen über den Brand freuen: Brandstiftung ist eine schwere Straftat. Und an die Politik, die Verwaltungen, die Justiz und die Medien: Das Anzünden von Wohnungen, Straftaten gegen das Leben von Menschen dürfen nicht geduldet werden. Aufklärung ist jetzt dringend und schnell nötig. Aber genauso wenig sind volksverhetzende ’Meinungen‘ zu dulden“, so die Flüchtlingsratsvorsitzende.
Auch die Politiker:innen im Land haben sich bereits geäußert und fordern schnellstmögliche Aufklärung. Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Michael Noetzel, betont, es müsse von versuchtem Mord ausgegangen werden, da sich zum Zeitpunkt des Feuers etliche Menschen im Haus befanden. „Wir erwarten, dass die Ermittlungen auch gezielt in der rechten Szene geführt werden, da ein rassistischer Hintergrund als wahrscheinlich gilt. Es ist bekannt, dass in Wismar und dem Landkreis Nordwestmecklenburg eine ausgeprägte Neonazi-Szene verankert ist. Die Dorfgemeinschaft Jamel und das faschistische Zentrum Thinghaus in Grevesmühlen sind nicht nur Leuchttürme einer bundesweit und international vernetzten Szene, sie sind auch lediglich die Spitze eines tiefbraunen Eisberges“, kommentiert Noetzel.
Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfaktion, Steffi Pulz-Debler, fügt hinzu: „Es darf nicht erneut ein gesellschaftliches Klima entstehen, in dem rechtsextreme Exzesse und Angriffe auf Menschen zur Normalität werden.“
Der Landesvorsitzende der Grünen, Ole Krüger, mahnt: „Die Bilder des Brandanschlages wecken dunkle Erinnerungen an die 1990er Jahre, als rassistische Vorurteile und Zukunftsängste zu einer blindwütigen und aggressiven Stimmung verschmolzen. Nie wieder dürfen Zugewanderte und Geflüchtete Zielscheibe von Menschenhass werden, weil Frustration und Angst unsere Gesellschaft im Griff haben.“ Laut Krüger müssten Kirchen, Gewerkschaften und Parteien nun deutlich Stellung beziehen. Die Grünen-Landesvorsitzende Katharina Horn fordert aufgrund des vermutlich menschenfeindlichen Hintergrundes, die Sicherheit in allen Geflüchtetenunterkünften zu erhöhen.
Am Vormittag reisten auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Innenminister Christian Pegel (beide SPD) zum Brandort, um sich ein Bild von dem Vorfall zu machen.