Auf dem Sportplatz in Dranske stehen zwei Lautsprecher. Reggae und entspannte Popmusik schallen abwechselnd über das Grün. Die späte Nachmittagssonne schickt sommerliche Temperaturen. Menschen sitzen in kleinen Gruppen zusammen, Hundehalter spazieren mit ihren Vierbeinern über den Rasen. Es herrscht eine freundliche Atmosphäre. Fast schon Festivalgefühl. Gesprächsfetzen fallen durcheinander. Viele Einheimische sind gekommen. Man kennt sich.
Die bündnisgrüne Kreistagsfraktion hat zum Bürgergespräch eingeladen. Das Bauvorhaben einer Ferien- und Freizeitanlage auf dem Bug soll besprochen werden und offenbar gibt es Redebedarf. Rund 200 Menschen trudeln nach und nach ein. Hinterher wird Sally Raese, Geschäftsführerin der Fraktion, sagen: „Mit einem so großen Interesse habe ich nicht gerechnet.“
Ihre Überraschung ist nicht grundlos. Die Grünen haben hier oben im Norden der Insel Rügen einen schweren Stand. Bereits vor dem offiziellen Beginn der Veranstaltung wirft ihr ein Dransker Bürger Sätze wie diese an den Kopf: „Was wollt ihr hier? Die Grünen wählt hier sowieso keiner.“ Der Mann sagt auch „Wir Dransker wollen dieses Objekt“ und „Die Deutschen sollen in Deutschland Urlaub machen“.
Dranske und der Wunsch nach Aufschwung
Dranske war einmal der reichste Ort auf der Halbinsel Wittow. Das war zu einer Zeit, als der Bug noch militärisch genutzt wurde und viele Arbeitsplätze für die Menschen im Ort bereithielt. Von den einst 4.000 Einwohnern sind heute noch 1.123 übrig. Dranske schrumpft seit Jahren bedrohlich. Das geplante Tourismusprojekt „Baltic Island Eco Resort“ ist für viele ein verheißungsvoller Blick in die Zukunft. Und ein dringend notwendiger Schritt.
In Dranske liegt der Anteil der über 66-jährigen bei 30 Prozent. „Wo ist dieser Anteil in 22 Jahren?“, fragt Katrin Krausche, linke Gemeindevertreterin aus Dranske. „Wir haben zehn Prozent Kinder bis 16 Jahren. Wo sind diese Kinder in zehn bis zwanzig Jahren? Die sind weg, weil sie hier keine Zukunft mehr haben.“ In Dranske herrscht eine Sehnsucht nach Arbeitsplätzen und Kaufkraft, die zur Wiederbelebung des Ortes führen sollen.
Die Vision der eigenen Zukunft will man sich in Dranske nicht von Kritikern des Projekts kaputt machen lassen. Michael Heese, Bauausschussvorsitzender der Gemeinde Dranske, sagt: „Das Projekt geht zurück auf eine Festlegung der Landesregierung, die Wittow zum touristischen Schwerpunktgebiet erklärt hat. Die Gemeinde hat rechtlich die Planungshoheit. Dieses Recht werden wir uns von niemandem nehmen lassen.“
Kritiker sehen vor allem die enorme Größe des Bauprojekts als Belastung. Für 680 Millionen Euro sollen rund 285 Gebäude mit etwa 2.000 neuen Gästebetten und eine Marina mit 400 Liegeplätzen entstehen. Sollte das Resort so umgesetzt werden, wäre es die größte Ferienanlage auf der Insel.
Fehlende Arbeitskräfte und überlastete Straßen
Heiko Miraß, Staatssekretär der SPD im Finanzministerium des Landes, sieht die Hoffnungen der Dransker skeptisch. Schon heute sei die Personalsituation in der Gastronomie und im Hotelgewerbe auf der Insel angespannt. Es gebe nicht genügend Arbeitnehmer, um offene Stellen zu besetzen. „Wir müssen vorsichtig sein“, so Miraß, „wenn wir glauben, dass wir hier ein Resort hinstellen und dann kommen da 600 bis 700 Leute (Arbeitskräfte, Anm. d. Red.).“
Im Landkreis würden in den nächsten Jahren doppelt so viele Menschen in Rente gehen, wie es Schul- und Ausbildungsabschlüsse gebe. Miraß befürchtet, dass das Bauprojekt auch aufgrund fehlender Arbeitskräfte nicht rentabel sein wird. „Nichts wäre schlimmer, als wenn wir hier eine Investitionsruine vor der Nase hätten“, gibt er zu bedenken. Doch gänzlich gegen das Bauprojekt aussprechen will sich Miraß nicht. Er hofft auf eine touristische Entwicklung mit Augenmaß.
Auch das zu erwartende Verkehrsaufkommen wirft Fragen auf. Dranske und der Bug sind eine Sackgasse. Die einzige Straße hierher ist ausgesprochen schmal. Auch die weitere Anbindung nach Glowe durch die Schaabe ist ein Nadelöhr, das gerade in der touristischen Hauptsaison viele Einheimische zur Weißglut bringt. Mit dem zusätzlichen An- und Abreiseverkehr des „Baltic Island Eco Resorts“ müssten intelligente Verkehrskonzepte entwickelt werden, denn die Infrastruktur der Insel ist schon jetzt überlastet.
Im Publikum wird es immer wieder unruhig. Oft gibt es Applaus für verschiedene Positionen. Aber auch Zwischenrufe wie „Hör lieber auf. Genug Scheiße erzählt“ sind zu hören. Das Bürgergespräch ist ein Angebot zum Austausch. Zu einer Annäherung kommt es an diesem Abend nicht. Als Sally Raese die Veranstaltung beendet, ist noch immer Redebedarf vorhanden. Auf dem Weg vom Sportplatz zurück ins Dorf wird weiterdiskutiert. Die Fronten sind klar und ein Kompromiss nicht in Sicht.