Nachdem in Greifswald am 27. Februar bereits mehrere Hundert Menschen im Ostseeviertel gegen die geplante Großunterkunft für Geflüchtete demonstriert hatten, fanden am 2. März erneut Proteste und Kundgebungen statt.
Auf dem Greifswalder Marktplatz wurden insgesamt drei Versammlungen abgehalten. Zwei davon hatten im Vorfeld die Initiative Greifswald für alle beziehungsweise die Linksjugend solid angemeldet. Sie wurden durch die Versammlungsleitenden im Vorfeld zusammengeschlossen. Ihre Teilnehmer:innen sprachen sich gegen Rassismus und für das Recht auf Asyl aus. An der Demo nahmen nach Polizeiangaben rund 230 Personen teil.
Wie der Sprecher von Greifswald für alle, Gregor Kochhan, mitteilte, wurde es der Initiative von der Stadtverwaltung aus Sicherheitsgründen untersagt, vor dem Haupteingang des Rathauses zu demonstrieren. Der Zugang für Polizei- und Rettungsfahrzeuge hätte sonst nicht gewährleistet werden können.
Polizei nicht ausreichend vorbereitet
Überraschenderweise gab es genau an dieser Stelle zur gleichen Zeit eine unangemeldete Versammlung gegen die Aufnahme von Geflüchteten. Laut Polizei blockierten etwa 500 Personen zeitweise den Haupteingang des Rathauses sowie den Fischmarkt.Zu der unangemeldeten Versammlung war bereits mehrere Tage zuvor in den Sozialen Medien aufgerufen worden. Dennoch gelang es der Polizei vor Ort nicht, den Haupteingang des Rathauses und den Platz freizuhalten. Um eine Eskalation zwischen den Lagern zu verhindern, bildeten die Polizeikräfte eine Kette.
Auf die an die Polizei gerichtete Bitte Kochhans, die unangemeldete Versammlung aufzulösen, ging diese nicht ein. Der Einsatzleiter der Polizei versicherte dem Bündnis Greifswald für alle, eine Anzeige gegen Unbekannt zu stellen, weil ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorlag.
Die Stimmung zwischen den Demonstrierenden der beiden Lager war angespannt. Bereits zu Beginn der angemeldeten Demo gegen 17 Uhr griffen sich Teilnehmer:innen beider Seiten verbal an. Zu körperlichen Auseinandersetzungen kam es nicht. Im Laufe des Abend wurde eine Polizeivollzugsbeamtin allerdings von einer 62-jährigen Teilnehmerin der unangemeldeten Versammlung ins Gesicht geschlagen. Eine Anzeige wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte wurde aufgenommen.
Ergebnisse der Sitzung
Wie Greifswalds Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) in einer Pressekonferenz nach der Sitzung des Hauptausschusses mitteilte, nehme die Bürgerschaft die Fragen und Sorgen der Greifswalder Bürger:innen ernst. Als Reaktion darauf soll die Kapazität einer geplanten Geflüchtetenunterkunft im Ostseeviertel von 500 auf 200 Personen reduziert werden.
Die Stadt beginne nun damit, weitere Grundstücke zu prüfen, auf denen weitere, kleine Unterkünfte entstehen sollen. Die Obergrenze hierfür soll ebenfalls 200 Personen betragen. Außerdem möchte die Stadtverwaltung die Kommunikation mit den Bürger:innen verbessern und aktuelle Entwicklungen transparenter darstellen.
Fassbinder selbst sieht Parallelen zur Flüchtlingssituation im Jahr 2015. Kurz nach seinem Amtsantritt habe es zu seinen ersten Aufgaben gehört, eine Großunterkunft für Geflüchtete in Greifswald aufzubauen. Der Unterschied zur aktuellen Situation sei die Aggressivität in der Debatte, die von Teilen der Bürger:innen ausgehe. Damals habe er Sitzungen regulär verlassen können, während das nach Einschätzungen der Polizei aktuell nicht möglich ist.
Vorpommern-Greifswalds Landrat Michael Sack (CDU) prüfe parallel weitere Orte im Landkreis für die Unterbringung Geflüchteter. Die Greifswalder Bürgerschaft will bis Ende März Entscheidungen über neue Standorte im Stadtgebiet treffen.
Quellen
- Polizeiinspektion Anklam (Hg.): Polizeieinsatz aufgrund von drei Versammlungen auf dem Greifswalder Marktplatz, auf: presseportal.de (2.3.2023).↩
- Ebd.↩
- Ebd.↩