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Städtische Migrationspolitik

Hilfe zur freiwilligen Ausreise ins Krisengebiet

Die Städte Rostock und Schwerin verschickten in den letzten Wochen Briefe an syrische Staatsangehörige. Darin informierten sie über Hilfsangebote bei freiwilliger Rückkehr nach Syrien. Die Briefe gingen allerdings auch an Menschen, die einen Ausreise gar nicht geplant hatten. Der Flüchtlingsrat MV äußert jetzt scharfe Kritik, denn das Land gilt als Krisenregion.
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Laut Informationen des Flüchtlingsrat MV erhielten syrische Staatsangehörige in Rostock und Schwerin Briefe, in denen ihnen bei der freiwilligen Rückkehr nach Syrien finanzielle Förderung angeboten wurde.1 Die Stadt Rostock erklärte dazu, auf Wunsch des Landesinnenministeriums gehandelt zu haben. Dieses habe über ein entsprechendes Programm des Bundes informieren wollen. Die Stadtverwaltung übernahm dafür auch den Textentwurf des Innenministeriums vollständig.2 Brisant: Die Stadt Rostock spricht davon, dass die Briefe an „ausreisepflichtige Syrerinnen und Syrer“ gehen sollten. Dem Flüchtlingsrat liegen allerdings Informationen vor, dass auch nicht ausreisepflichtige Personen das Schreiben erhalten haben. Angesichts der politischen Veränderungen in Syrien hätten „Syrerinnen und Syrer immer wieder Anfragen sowohl mündlich als auch schriftlich an das Migrationsamt adressiert“, rechtfertigt sich die Stadt auf Nachfrage.3

Innenminister Christian Pegel (SPD) bestätigte gegenüber dem NDR, dass es ein Schreiben gab. Er erklärte außerdem, dass eine freiwillige Ausreise billiger sei als eine Abschiebung. Darum habe man sowieso ausreisepflichtige Menschen über diese Option informieren wollen.4

Diesen Brief erhielten Syrer mit unterschiedlichen Aufenthaltstiteln vom Migrationsamt Rostock.

Grüne: Vollkommen unangemessenes Vorgehen

Ulrike Seemann-Katz vom Flüchtlingsrat MV kritisiert das Vorgehen: „Schutzsuchende haben ein Recht auf Sicherheit – und nicht auf subtile Abschiebungsversuche unter dem Deckmantel der ‚freiwilligen Ausreise‘.“ Sie berichtet außerdem, dass Geflüchtete durch das Schreiben nun Angst vor Abschiebung haben. „Vollkommen unangemessen“, nennt auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag Constanze Oehlrich das Vorgehen. Sie wirft dem Innenministerium vor, Forderungen aus einer „ausländerfeindlichen Migrationsdebatte“ aufzugreifen und dadurch zu legitimieren.5

Dem Eindruck, Syrien sei aktuell sicher, erteilt das Auswärtige Amt eine Absage und warnt sogar vor Reisen. Trotz des Zusammenbruchs der Assad-Regierung sei die Lage vor Ort unbeständig und Anschläge durch die Terrororganisation Islamischer Staat im gesamten Land weiterhin möglich. „Ein erneutes Aufflammen von Kampfhandlungen kann nicht ausgeschlossen werden“, heißt es weiter.6

Die Karte zeigt die Lage Syriens und den Text: Das Auswärtige Amt schätzt die Sicherheitslage in Syrien als äußerst unbeständig ein.

Mitarbeitende der Stadtverwaltung unter Druck

Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Linke) nimmt derweil ihre Mitarbeitenden in Schutz. Mitten in einer aufgeheizten Migrationsdebatte müssten ihre Kolleg:innen der Stadtverwaltung „eine ansteigende Arbeitsbelastung und gesellschaftlichen Druck von allen Seiten bewältigen“. Sie sieht den Brief nicht als „Auslandung“, gibt aber zu, dass er angesichts zunehmender rassistischer Anfeindungen so interpretiert werden könne. Die Lage in Syrien sei ihrer Einschätzung nach „nicht stabil, sondern ungewiss“. Laut Informationen des NDR soll Kröger allerdings nicht begeistert gewesen sein, als sie vom Inhalt des Schreibens erfuhr.

Die Stadt Schwerin erklärte dem Sender gegenüber, 59 syrische Asylsuchende in Gemeinschaftsunterkünften angeschrieben zu haben. Diese seien allerdings noch im Asylverfahren gewesen und nicht ausreisepflichtig. Gründe dafür nannte die Stadt nicht.

  1. E-Mail von Ulrike Seemann-Katz vom 18.2.2025. ↩︎
  2. Stadt Rostock (Hg.): Brief des Migrationsamtes: Informationen über Bundesprogramm weitergeleitet, auf: rathaus.rostock.de (19.2.2025). ↩︎
  3. E-Mail vom Pressesprecher der Stadt Rostock vom 20.2.2025. ↩︎
  4. Ludmann, Stefan: Drängen Ausländerbehörden in MV Syrer zur Ausreise?, auf: ndr.de (18.2.2025). ↩︎
  5. E-Mail von Marieke Sobiech, Pressesprecherin der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 19.2.2025. ↩︎
  6. Auswärtiges Amt (Hg.): Syrien: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung), auf: auswaertiges-amt.de (19.2.2025). ↩︎

Autor:in

  • Porträt von Lilly Biedermann Redakteurin Katapult MV in Greifswald

    Redakteurin in Greifswald

    Geboren und aufgewachsen in Sachsen. Ist zum Studieren vom tiefen Osten in den kalten Osten nach Greifswald gezogen.

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