Parlament, Beirat oder Rat – so nennen sich die verschiedenen Kinder- und Jugendgremien in Mecklenburg-Vorpommern. Sie verschaffen den Interessen von Jüngeren Gehör. Denn das ist nicht immer selbstverständlich. Kinder und Jugendliche sind schon allein durch ihre Zahl eigentlich ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Und dennoch werden ihre Interessen, gerade politisch, manchmal als weniger relevant erachtet, weil sie eben nicht wählen dürfen. Es sei aus Sicht der Städte und ihrer Verwaltungen jedoch wichtig, zu begreifen, „dass Kinder und Jugendliche nicht im luftleeren Raum existieren“. Sie hätten genauso Wünsche und Bedürfnisse, die gehört und berücksichtigt werden sollten, findet die Kinderbeauftragte der Stadt Greifswald, Kassandra Engel. Sie betreut gemeinsam mit Tino Nicolai vom Stadtjugendring ehrenamtlich den Kinder- und Jugendbeirat Greifswald (KiJuBei). In diesen können sich seit 2019 alle Kinder und Jugendlichen aus Greifswald für zwei Jahre wählen lassen, die zwischen 11 und 21 Jahre alt sind. Erst in diesem Jahr fand wieder eine Wahl statt. 13 Mitglieder hat der neue, zweite KiJuBei. „Ich habe großen Respekt vor den Kindern und Jugendlichen, die sich in dieses Gremium wählen lassen, denn Kommunalpolitik – egal in welcher Stadt – hat nicht gerade den attraktivsten Ruf“, sagt Engel.
Gesehen, gefragt und gehört werden
Wiebke Krüger ist eine der 13 Kinder und Jugendlichen, die im Mai 2021 in den KiJuBei Greifswald gewählt wurden. Ihr gefalle es, Verantwortung für andere zu übernehmen, und man könne sich auch persönlich weiterentwickeln, begründet sie ihre Entscheidung für den Beirat. Durch die Erfahrungen in einem solchen Kinder- und Jugendgremium – gesehen, gefragt und gehört zu werden – seien die Kinder und Jugendlichen auch in ihrem späteren Leben bereit, sich für Dinge einzusetzen, ist sich Kassandra Engel sicher. Greifswald, aber auch jede andere Stadt könne junge Menschen gebrauchen, die sich ernsthaft für das Leben vor Ort interessieren. „Darüber hinaus ist es eine prima Gelegenheit, ganz praktisch Demokratie zu leben und zu erleben“, findet Engel. Dem stimmt Camille Naulet von der Landesfachstelle Kinder- und Jugendbeteiligung des Landesjugendrings MV zu. Dass durch die gemeinsame Arbeit auch bestimmte Prozesse transparent werden, weiß zudem Amtsjugendpflegerin Teresa von Jan. Sie ist im Amt Grabow unter anderem für die Jugendbeteiligung zuständig. Wie viel Geld und welcher Zeitaufwand hinter vielen Projekten stehen und dass manches leider nicht so einfach umzusetzen ist, sei ein Lernprozess für die Kinder und Jugendlichen.
Für die einzelnen Gemeinden und Städte wiederum sei es von Bedeutung, dass Kinder und Jugendliche sich beteiligen und Projekte ehrenamtlich umsetzen. Das betont beispielsweise die Stadt Neustrelitz, die einen eigenen Jugendbeirat hat. Und auch Camille Naulet vom Landesjugendring erfährt das während ihrer Arbeit so. Sie merke, dass solche Gremien politisch gewollt seien, sagt sie. Immerhin stünden sie ja auch repräsentativ für die Kinder und Jugendlichen in der jeweiligen Gemeinde oder Stadt. Außerdem würden Entscheidungen besser werden, wenn die betroffene Zielgruppe – in diesem Fall Kinder und Jugendliche – eingebunden sei, weiß Naulet. Und sie seien meist auch nachhaltiger. Oder, wie Teresa von Jan meint: „Was die Kinder und Jugendlichen selbst mitaufgebaut haben, zerstören sie auch nicht.“
Was macht so ein Beirat eigentlich?
Für die Mitglieder des KiJuBei Greifswald eröffnen sich viele Möglichkeiten, politische Prozesse kennenzulernen und mitzugestalten. So ist der KiJuBei etwa in allen Ausschüssen der Stadt vertreten, erklärt Wiebke Krüger, die auch Vorsitzende des KiJuBei ist. Sobald ein Thema Kinder und Jugendliche betreffe, besuche ein Beiratsmitglied die Sitzung. Sie hätten sogar in jeder das Rederecht, erzählt sie. Über die Inhalte der verschiedenen Ausschusssitzungen diskutierte die Gruppe dann bei ihren eigenen Treffen, die einmal im Monat stattfinden. Zudem organisiere der Beirat in regelmäßigen Abständen offene Kinder- und Jugendforen. Das letzte fand am 1. Dezember statt und wurde coronabedingt über Instagram live gestreamt. Im Rahmen der Foren können alle Kinder und Jugendlichen aus Greifswald dazukommen, sich austauschen, Probleme ansprechen oder sich mit Ideen an den KiJuBei richten. Soll eine Idee in ein richtiges Projekt münden, so hat der Beirat die Möglichkeit, dieses finanziell zu unterstützen. Denn: Der KiJuBei betreut den Jugendfond der Partnerschaft für Demokratie Greifswald. Mit diesem können „Projekte von Kindern und Jugendlichen für Kinder und Jugendliche“ gefördert werden, wie Kassandra Engel es ausdrückt.
Anders als der Beirat in Greifswald engagieren sich die Mitglieder des Jugendrates Eldena (Landkreis Ludwigslust-Parchim) noch im klassischen Sinne in ihrer Gemeinde. Seit der Rat auf Initiative von Kindern und Jugendlichen 2016 gegründet wurde, sind viele Aktionen im Ort unterstützt oder selbst organisiert worden. So zum Beispiel Weihnachts- oder Dorffeste, erzählt Jugendclubleiterin und Betreuerin des Jugendrates Dagmar Klüver. Auch verwirklichte sich der Jugendrat den Traum eines festen Pavillons in Eldena für gemeinsame Zusammenkünfte im Ort. Dafür, so Klüver, hätten die Kinder und Jugendlichen nicht nur Geld gesammelt. Von April bis Juni 2019 wurde der Pavillon, mit reichlich Unterstützung verschiedener Firmen, Eltern, der Feuerwehr und anderer, auch selber aufgebaut. „Sogar gepflastert haben wir selbst“, erinnert sich Klüver. Aktuell sei es jedoch (unfreiwillig) etwas ruhiger – durch Corona. Aber immerhin, ein neuer Jugendrat mit fünf neuen Mitgliedern wurde im Herbst gewählt. Und auch die Lust, gemeinsam Projekte zu planen und die eine oder andere Arbeit am Pavillon in Gang zu setzen, ist noch nicht vergangen.
Rat ist nicht gleich Rat
Obwohl sich aus den verschiedenen Bezeichnungen der Jugendgremien – Rat, Beirat oder Parlament – allein keine zu verallgemeinernde Unterscheidung ergibt, existieren auf individueller Ebene natürlich trotzdem Unterschiede. So werden zum Beispiel nicht alle Gremien gewählt. Ein Beispiel dafür ist der Kinder- und Jugendrat Balow im Amt Grabow. Wie die zuständige Amtsjugendpflegerin Teresa von Jan erzählt, ist der Rat ein lockerer Zusammenschluss von Kindern und Jugendlichen, eine sogenannte Initiativgruppe. Die Benennung als „Jugendrat“ vermittle vor allem Erwachsenen eine gewisse Wertigkeit und Wichtigkeit, anders als das Wort „Initiativgruppe“, weiß von Jan. Wer Lust hat, sich zu beteiligen, kann zu den stellvertretend von der Amtsjugendpflegerin organisierten Treffen kommen. Es gibt keine Altersbeschränkungen oder Antragsformulare. „Theoretisch ist es eine offene Gruppe, praktisch sind es jedoch immer die Gleichen“, erklärt von Jan die Gruppenzusammensetzung. Doch obwohl es sich nicht um ein gewähltes Gremium handelt, setzen sich die Kinder und Jugendlichen auch hier für ihre Interessen in der Gemeinde ein. So hat der Kinder- und Jugendrat Balow in der Vergangenheit etwa eine Wippe für den örtlichen Spielplatz organisiert.
Beteiligungsgremien gibt es noch nicht überall
Nicht überall in Meck-Vorp gibt es solcherlei Beteiligungsgremien für Kinder und Jugendliche. So hat etwa Wolgast, nach Auskunft des amtierenden Bürgermeisters Stefan Weigler (CDU), derzeit kein aktives Gremium der Kinder- und Jugendvertretung. Genauso wenig Rostock oder Neubrandenburg. In Güstrow gibt es mittlerweile kein Kinderparlament mehr. Nach Angaben der Stadt sei dessen Tätigkeit „vermutlich aus Mangel an Interesse, dem Heranwachsen der damals aktiven Kinder sowie dem Ausscheiden von Mitarbeiter:innen der Stadtverwaltung aus dem aktiven Dienst […] eingeschlafen“.
Trotzdem sind Kinder- und Jugendgremien, also Parlamente, Räte und Beiräte, präsent wie nie. Laut Camille Naulet steigt ihre Zahl in Meck-Vorp. Aktuell gebe es einige Orte, an denen solche Gremien, mit Unterstützung des Landesjugendrings, neu entstehen sollen. Zum Beispiel in Woldegk. Eine geplante Zukunftswerkstatt gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen ist der erste Schritt in diese Richtung.
Und auch in Neubrandenburg ist das Thema Kinder- und Jugendbeteiligung präsent. Aktuell konstituiert sich dort das Netzwerk Kinder- und Jugendbeteiligung. Sein Ziel sei es, mehr Jugendbeteiligung zu ermöglichen, sagt der Vorsitzende des städtischen Ausschusses Generationen, Bildung und Sport, Steven Giermann (CDU), gegenüber KATAPULT MV. Im Netzwerk vertreten sein werden unter anderem Vertreter:innen aus Politik, der Jugend- und Sozialarbeit sowie Schülersprecher:innen – also auch Jugendliche selbst. Gerade Letzteres dürfe nicht vergessen werden, findet Camille Naulet. Wenn es um die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gehe, müssten diese eben auch mit am Tisch sitzen. Spätestens im März soll das Netzwerk seine Arbeit aufnehmen, so Giermann.
Abseits von Beiräten und Parlamenten
Über Kinder- und Jugendparlamente, -räte oder -beiräte hinaus gibt es in Mecklenburg-Vorpommern viele weitere Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung. Das dürfe vor dem Hintergrund der in der Öffentlichkeit präsenten Gremien nicht vergessen werden, betont Naulet. So existieren beispielsweise allein im Amt Grabow, abseits des Kinder- und Jugendrats Balow und des Jugendrats Eldena, noch zwei weitere Jugendbeteiligungsgruppen. Auch sie setzen sich für die Interessen der Kinder und Jugendlichen vor Ort ein, engagieren sich für ihr Dorf und Amt, stellen selbst etwas auf die Beine. So gestaltete etwa Du und dein Grabow das Außengelände des Mehrgenerationenhauses mit und Wir bewegen was, die im ganzen Amt aktiv ist, plant für dieses Jahr Filmnachmittage für Kinder und Jugendliche. Die verschiedenen Beteiligungsmöglichkeiten sprächen für eine große Vielfalt, ist Naulet überzeugt. Sie seien jeweils den vor Ort gegebenen Bedingungen angepasst. Diese Vielfalt dürfe nicht verlorengehen. Das ist dem Landesjugendring besonders wichtig.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe 3 von KATAPULT MV. Er wurde am 8. Februar 2022 aktualisiert.