Landwirtschaftliche Innovation

Käfer in der Plasmafalle

Wie können Landwirt:innen ihre Ernte länger haltbar machen? Mit Plasma. Die neue Technik erforschen derzeit Wissenschaftler:innen der Hochschule Neubrandenburg zusammen mit dem Greifswalder Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie. Damit wollen sie eine Alternative zur chemischen Behandlung entwickeln. Die Chancen stehen gar nicht schlecht.

Kornkäfer und Schimmelpilze – nicht die besten Freunde der Landwirt:innen. Die Tiere und Pilzsporen können ganze Lagerbestände an Getreide ruinieren und finanzielle Schäden in Millionenhöhe verursachen. Eine neue Möglichkeit zur Bekämpfung haben Forschende der Hochschule Neubrandenburg nun erstmals getestet: Mithilfe von Plasma sollen Schädlinge in Erntebeständen unschädlich gemacht werden.

Kornkäfer begünstigen Schimmelbildung

Eine Lösung sowohl gegen das Einnisten von Kornkäfern als auch gegen die Bildung von Pilzsporen war nötig, denn sie bedingen einander: Sind Kornkäfer in gelagertes Getreide gelangt, fressen sie sich durch die Ernte und legen ihre Eier in den Körnern ab. Bei einem massiven Schädlingsbefall entstehen im Getreide sogenannte „Wärmenester“. Je wärmer es ist, desto höher steigt die Luftfeuchtigkeit und damit auch das Risiko, dass sich in der Ernte zusätzlich Pilzsporen entwickeln.

„Kornkäfer gibt es in der freien Natur eigentlich nicht. Die kommen nur in Lagern vor“, sagt der Rüganer Landwirt Peter Jürgens. Dennoch gehören sie zu den häufigsten Schädlingen in der Erntelagerung. Durch verunreinigte Transportsäcke und in LKW verbreiten sie sich von einem Silo zum nächsten. Dabei bevorzugen die bis zu fünf Millimeter großen Tiere eine relativ warme Umgebung. Ein einziges Kornkäferweibchen kann mit ihren etwa 250.000 Nachkommen in einem Jahr bis zu sechs Kilogramm Getreide vernichten. Pro Jahr entwickeln sich etwa drei Generationen. Sind die Schädlinge erst einmal im Lager, können sie einen Totalausfall der Ernte verursachen.

Bei Temperaturen zwischen 5 und 38 Grad Celsius entwickeln sich die heimischen Kornkäfer. Darüber oder darunter fallen sie in eine Starre. Extreme Temperaturen unter -10 und über 40 Grad überleben sie nicht.

Nur trockene Ernte ist gute Ernte

Landwirt Jürgens weiß um die Herausforderungen einer guten Erntelagerung. Maximal 14 Prozent Wasser dürfen im Korn vorhanden sein, dann sei kein Schimmelbefall zu erwarten. Eine trockene Lagerung ist wichtig, denn die Ernte „schwitzt“: In den Getreidekörnern findet auch nach der Ernte ein Stoffwechsel statt. In diesen sogenannten Atmungsverlusten werden Kohlenhydrate in Kohlendioxid und Wasser aufgespalten. Je trockener das eingelagerte Getreide, desto sicherer ist es vor einem möglichen Schimmelbefall.

Auch die Temperaturen seien wichtig, erklärt Jürgens. „Das Getreide kommt relativ warm ins Lager und wird mit Außenluft gekühlt.“ Bei einer Zwischenlagerung sollte die Temperatur unter 20 °C liegen. Bei einer Dauerlagerung über Monate hinweg dagegen unter 10 Grad, um dem Kornkäfer keine Möglichkeit zur Entfaltung zu geben.

Umweltschonende Alternative in Zeiten des Klimawandels

Um dem Befall durch Schimmelpilze und Kornkäfer zuvorzukommen, kann die Getreideernte natürlich konventionell chemisch behandelt werden. Es geht aber auch anders: mit Plasma. Was das Institut für Plasmaforschung und Technologie in Greifswald mit seinem Großprojekt Physics for Food schon vor knapp vier Jahren angestoßen hat, wurde im Bereich des Plasmaeinsatzes nun einen Schritt näher in Richtung Umsetzung gebracht: In Kooperation mit der Hochschule Neubrandenburg und regionalen Partnerunternehmen wird erforscht, wie erfolgreich eine physikalische Behandlung von Erntepflanzen sein kann.

Nach der Plasmabehandlung werden die Kornkäfer für weitere Untersuchungen ausgesiebt. (Foto: INP Greifswald/P.Druse)

Dabei wird Plasma erzeugt, ein ionisiertes, also positiv geladenes, Gas. Natürliches Plasma gibt es zum Beispiel in Blitzen, Polarlichtern, Flammen und der Sonne. Wenn es künstlich erzeugt wird, wird Gas mittels elektrischem Strom positiv geladen. Mit Luft gemischt, wird es auf das geerntete Getreide gesprüht. Das tötet die Kornkäfer, ohne das Getreide dabei zu schädigen. Warum die Plasmaluft die Schädlinge angreift, ist nicht erforscht. Klar ist aber, dass mit direkten und indirekten Plasmaverfahren Saatgut von Bakterien, Pilzen und Viren befreit und sogar die Keimfähigkeit erhöht werden kann.

Plasmadusche reinigt Ernte von Schädlingen

Das Teilprojekt Physics for Food & Feed zur Bekämpfung von Schädlingen mit Plasma ging Ende letzten Jahres in die Testphase. Forschende der Hochschule haben dazu ein Förderband entwickelt, auf dem Getreide vor der Einlagerung mit Plasma besprüht werden kann. Dadurch werden Erreger wie der Kornkäfer „inaktiv“, erklärt Projektleiter Sebastian Glaß vom Zentrum für Ernährung und Lebensmitteltechnologie. Das heißt, sie sterben. In vorherigen Versuchen im Labor konnten mit dem Besprühen 99 Prozent der Kornkäfer unschädlich gemacht werden.

Die ersten Ergebnisse der Förderband-Versuche bestätigten das. Nun müsse noch genauer untersucht werden, welche Fördergeschwindigkeit günstig ist, also wie lange das Korn mit Plasma behandelt werden muss, um den größten Nutzen am Getreide zu erzielen. Auf dem Förderband sollen in der Zukunft größere Mengen Getreide behandelt werden können und die Technik zum Beispiel beim Verladen von Erntegütern auf Schiffe zum Einsatz kommen, so Glaß. Um dieses Ziel zu erreichen, seien aber noch einige Schritte zu gehen.

In den laufenden Versuchen werden die toten Kornkäfer nach der Plasmabehandlung ausgesiebt und untersucht, um mehr über die Gründe zu erfahren, warum das Plasma den Tieren so schadet.

Neben dem Förderband wurde auch ein Silo mit einem Plasma-Belüftungssystem entwickelt. Auch dort soll eingelagertes Getreide mit plasmabehandelter Luft umströmt und so der Pilz- und Käferbefall im besten Fall eliminiert werden. Aktuell entstehen etwa 30 Prozent Verlust nach der Ernte und während der Lagerung von Getreide. Ziel sei es, diesen Verlust stark zu reduzieren. Allein in MV könnte man bei einem jährlichen Ertrag von vier Millionen Tonnen Getreide auf diese Weise perspektivisch mehr als eine Million Tonnen vor Kornkäferbefall während der Lagerung schützen.

Zudem könnte mit der neuen Methode der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft künftig weiter gesenkt werden, erhoffen sich die Wissenschaftler:innen, zumal die chemische Bekämpfung von Insekten immer weiter eingeschränkt oder gar verboten wird. So ist ein weiteres Ziel des Forschungszusammenschlusses Physics for Food, Pflanzen langfristig mit physikalischen Methoden robuster gegen extreme Witterungsverhältnisse wie Hitze, Dürre oder Überschwemmung zu machen und sie so auch besser vor Schädlingen zu schützen.

Landesbauernverband unterstützt Innovation

„Zukunftstauglich“ findet das Großprojekt auch der Landesbauernverband. Er ist von Anfang an Projektpartner und von den Potenzialen für die Landwirtschaft überzeugt. Pflanzenbaureferent Frank Schiffner betont zudem, dass Alternativen dringend nötig seien. Die Ernteausfälle verbunden mit den Wetterextremen der vergangenen Jahre zeigten das sehr eindrücklich: „Unsere Landwirtinnen und Landwirte brauchen ein zusätzliches Instrumentarium für eine innovative und zugleich umweltschonende Landwirtschaft“, schreibt er auf Anfrage. Vor allem eine umweltverträgliche und nachhaltige Methode sei nicht zuletzt vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Ansprüche zu begrüßen.

Da sich die Methode bislang noch in der Testphase befinde, seien die möglichen Kosten für Landwirt:innen noch nicht einzuschätzen. Projektleiter Glaß betont jedoch, dass die physikalische Behandlung insgesamt nicht teurer als die momentan genutzten Anwendungen werden soll. Kosten für Strom und Umbauarbeiten an den Anlagen seien standortabhängig.

Sowohl die Plasmabehandlung von gelagertem Getreide als auch die anderen Teilprojekte seien vielversprechend, „aber eben noch visionär“, so der Landesbauernverband. Daher seien auch noch keine Landwirt:innen involviert. Sobald es von den Versuchen in die Praxis geht, wolle der Verband aber mithelfen und weitere Mitglieder aus der Landwirtschaft gewinnen.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 16 von KATAPULT MV.

Quellen

  1. INP Greifswald (Hg.): Plasma im Vorratsschutz: Wie Kornkäfer im Schüttgut unschädlich gemacht werden und Pilzsporen im Silo verschwinden, auf: inp-greifswald.de (29.11.2022).
  2.  Ebd.
  3. Telefonat mit Peter Jürgens am 16.1.2023.
  4. Hochschule Neubrandenburg (Hg.): Plasma im Vorratsschutz: Wie Kornkäfer im Schüttgut unschädlich gemacht werden und Pilzsporen im Silo verschwinden, auf: hs-nb.de (29.11.2022).
  5. Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Hg.): Kornkäfer, Reiskäfer, Maiskäfer, auf: oekolandbau.de.
  6. Ebd.
  7. Weitere Informationen unter physicsforfood.org.
  8. Neben dem Einsatz von Plasma forschen die Wissenschaftler:innen im Projekt Physics for Food auch an elektrischen Feldern und UV-Licht zur Bekämpfung von Schädlingen / Physics for Food (Hg.): Physikalische Spitzentechnologie für eine bessere Umwelt, auf: physicsforfood.org.
  9. Diener electronic (Hg.): Was ist Plasma?, auf: plasma.com.
  10.  Ewen, Anette: Ersatz für Pestizide im Saatgut: Umweltschonende Erfindung aus MV (Audiobeitrag), auf: ndr.de (29.12.2022).
  11. Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (Hg.): Physikalische Spitzentechnologie für eine bessere Umwelt, auf: physicsforfood.org.
  12. E-Mail von Sebastian Glaß vom 17.1.2023.
  13. Ewen, Anette: Ersatz für Pestizide im Saatgut: Umweltschonende Erfindung aus MV (Audiobeitrag), auf: ndr.de (29.12.2022).
  14. Hochschule Neubrandenburg (Hg.): Plasma im Vorratsschutz: Wie Kornkäfer im Schüttgut unschädlich gemacht werden und Pilzsporen im Silo verschwinden, auf: hs-nb.de (29.11.2022).

Autor:innen

  • Bild von KATAPULT MV Redaktionsleiterin Martje Rust

    Redaktionsleitung

    Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach MV.

  • Freier Redakteur

    Ist KATAPULT MVs Inselprofi und nicht nur deshalb gern am Wasser. Nutzt in seinen Texten generisches Femininum.