Wenn die Kinder nachmittags zu Nicole Manske in den Hort in Rostock Groß Klein kommen, müssen die Hortleiterin und ihre Kolleg:innen regelmäßig deren Eltern anrufen. Sie bitten sie dann darum, Essen für ihre Kinder vorbeizubringen. Diese sind oft hungrig, weil sie weder Frühstück noch andere Verpflegung für die Schule dabei haben. Der Hort dürfe da nicht aushelfen, berichtet Manske. Bringen die Eltern nichts, bleiben die Kinder hungrig.1
Was Manske aus ihrem Alltag schildert, ist bezeichnend für die Situation Tausender Kinder in MV. Ernährungsarmut ist der entsprechende Begriff, um deren Erfahrungen zu beschreiben. Er bezeichnet die unzureichende Versorgung mit Nahrung. Damit ist nicht nur ein genereller Mangel an Nahrungsmitteln gemeint, erklärt Katharina Kutzner von der Vernetzungsstelle für Kita- und Schulverpflegung MV. Auch das Fehlen gesunden Essens falle darunter.2
Armut ist vielschichtig
Dieser fehlende Zugang zu einer grundlegenden Ressource weist auf eine womöglich prekäre Lebenssituation der Kinder hin.3 Ursächlich für diese sei laut der Nordkirche vor allem Arbeitslosigkeit und ein eher niedriger Bildungsstand ihrer Eltern. Kinder von Alleinerziehenden sind ebenso häufiger betroffen4 wie Familien, die an der „Minimumgrenze“ leben. An dieser besteht gerade so kein Anspruch auf Sozialleistungen, wie Manske erklärt. Dann ist zum Beispiel für Essen nicht genug Geld vorhanden.
Eine dementsprechend unzureichende Ernährung wirkt sich „nicht nur auf die körperliche Entwicklung“ aus – „Mangelerscheinungen und langfristige Gesundheitsprobleme wie Übergewicht und chronische Erkrankungen“ sind die Folge, so Kempcke. Schließlich fehlen die nötigen Nährstoffe für das Wachstum, die Zähne, Knochen und das Gehirn.
Dementsprechend wird auch „die kognitive Leistungsfähigkeit“ beeinflusst. Das zeigt sich etwa in der Schule oder dem Hort, wenn betroffene Kinder oft weniger fit sind, sich nicht konzentrieren können oder durch mangelnde Ausdauer auffallen. Die ohnehin schon schlechteren Bildungschancen – beispielsweise durch fehlendes Lernmaterial oder Unterstützungsangebote – werden dadurch nicht besser.

Soziale Ausgrenzung inklusive
Ernährungsarmut ist aber nicht immer gegeben, wenn Kinder in Armut aufwachsen, betont Manske, die seit 27 Jahren in ihrer Einrichtung tätig ist. Vielmehr gebe es verschiedene Merkmale, die die Armutsbetroffenheit von Kindern sichtbar machen. So kann beispielsweise ein „Mangel an angemessener Kleidung“ darauf hinweisen, heißt es von Heike Kempcke vom Landesjugendwerk der AWO. Die Kinder fallen in der Betreuung etwa durch ungepflegte oder für das jeweilige Wetter unzureichende Kleidung auf.
Manche Hinweise sind aber nicht auf den ersten Blick sichtbar. Beispielsweise deuten auch fehlende Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, auf Kinderarmut hin. Das passiert dann, wenn nicht genügend Geld vorhanden ist, um etwa ins Ferienlager zu fahren.
Kinder müssen also auf Dinge verzichten. Dadurch entsteht häufig bei ihnen, aber auch bei ihren Eltern ein Schamgefühl. Manske berichtet, dass sie und ihre Kolleg:innen im Hort versuchen, genau dann eng mit den Eltern zusammenzuarbeiten. Doch dafür brauche es „ganz viel Vertrauen“ – und vor allen Dingen „keine Vorverurteilung“.
Durch die Situation der Eltern sind oft auch die Kinder von Vorurteilen betroffen, was sich etwa durch die Ausgrenzung in der Gruppe zeigen kann, so Kutzner. Denn „Armut ist oft mit Stigmatisierung verbunden“, schreibt Heike Kempcke. Dass durch Armut betroffene Kinder und Jugendliche vor allem auch sozial benachteiligt werden, beobachten der Landesjugendring und seine Mitgliedsverbände seit Jahren.5 Den Betroffenen ist beispielsweise der Zugang zu Vereinen oder anderen Freizeitangeboten aus finanziellen Gründen meist nicht möglich. Für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und das Gefühl, „aktiver Teil der Gesellschaft zu sein“, ist das – auch mit Blick auf die Entwicklung sozialer Kompetenzen, von Freundschaften oder unterstützenden Netzwerken – jedoch wichtig. Für eine bessere „Teilhabe an gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Prozessen“ müssten also dringend Lösungen gefunden werden. Besonders finanziell, findet die Sprecherin des Landesjugendrings.
Kein Randproblem
Trotz dieser langfristigen und tiefgreifenden Folgen wird Armut gesellschaftlich und politisch noch zu oft als Randproblem aufgefasst und aus dem Fokus verdrängt, kritisiert die Nordkirche in einer Pressemitteilung.
Es ist aber kein Randproblem. Allein in MV soll Schätzungen der Nordkirche und Verbandsberichten zufolge jedes fünfte Kind von Armut betroffen sein.6 Wie viele es jedoch genau sind, dazu fehlt ein aktueller und umfassender Überblick, so AWO-Mitarbeiterin Kempcke.7
Sich einer Zahl anzunähern, ist jedoch anhand der Daten des Statistischen Amtes MV möglich. Dort wird jedes Jahr die sogenannte Armutsgefährdungsquote erfasst. Als armutsgefährdet gilt, wer mit dem eigenen Einkommen „weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens“ zur Verfügung hat.8 Die Armutsgefährdungsquote für 2023 betrug für Menschen unter 18 Jahren in MV 16,4 Prozent.9 Bis Ende 2023 lebten insgesamt 253.634 Menschen dieser Altersspanne im Bundesland.10 Dementsprechend wären knapp 41.600 Kinder und Jugendliche armutsgefährdet. Es gibt allerdings auch noch eine bundesweite Betrachtung. Hier werden die Einkommen deutschlandweit einbezogen. Daraus ergibt sich für MV und diese Altersgruppe ein Wert von 19,7 Prozent.11 Mit dieser Betrachtung gelten noch 8.370 Kinder mehr als armutsgefährdet – also fast 50.000 insgesamt. Das wären einmal alle Einwohner:innen von Grevesmühlen, Demmin, Boizenburg, Wolgast und Plau am See zusammengerechnet.
Flächendeckende Daten gefordert
Auf die Frage, wo in MV besonders viele Kinder von Armut betroffen sind, verweist Kempcke von der AWO auf eine fehlende und systematische Erfassung der regionalen Situation. Es gebe zwar punktuell Berichte, aber flächendeckend bekannt ist die Lage nicht. Dabei wäre aus ihrer Sicht eine entsprechende Datengrundlage hilfreich, um „gezielte Maßnahmen zu entwickeln und regionale Unterschiede […] sichtbar zu machen“.
Dass ein entsprechender Überblick auf kommunaler Ebene fehlt, bestätigt beispielhaft der Landkreis Vorpommern-Greifswald.12 Konkrete Zahlen zu Kinderarmut seien laut Presseprecher schwer zu erfassen, da für einen umfassenden Überblick Daten aus verschiedenen behördlichen Zuständigkeitsbereichen zusammengefasst werden müssten. Dass einheitliche Standards für die Erhebung solcher bisher fehlen, geht auch aus dem letzten Sozialbericht Schwerins hervor.13 Einen Hinweis würden aber die Nutzungszahlen von Bildungsprogrammen und Förderungen für soziale Teilhabe liefern, ergänzt der Landkreis. Blickt man auf das Bildungs- und Teilhabepaket,14 so haben in 2022 in Vorpommern Greifswald rund 13 Prozent der 3.653 Berechtigten im Alter von 6 bis unter 15 Jahren entsprechende Leistungen in Anspruch genommen.15
Aber auch diese Zahlen sind nur eine Annäherung. Eine Einschätzung zur Lage in den größten Städten kann zumindest der Landesjugendring geben. Demnach ist Schwerin neben Rostock eine der am schwersten von Kinderarmut betroffenen Regionen im Land. Jedes vierte Kind ist in der Landeshauptstadt betroffen, bestätigt auch der städtische Kinderschutzbund.16 Bis zu 130 Kinder und Jugendliche nutzen täglich die Schweriner Kindertafel. Mitarbeitende aus Kitas und anderen sozialen Einrichtungen berichten, dass das Essensangebot besonders montags gefragt ist. Viele Kinder werden am Wochenende nur unzureichend zu Hause versorgt und haben dementsprechend Hunger. Das kennt auch Katharina Kutzner aus Gesprächen der Vernetzungsstelle mit Kitas. „Montags werde geschaufelt“, sagt sie. Das falle natürlich in den Einrichtungen auf.

Weniger als die Hälfte
In Schwerin selbst ist man sich der Situation bewusst, verweist aber auch auf „vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten“, so eine Stadtsprecherin.17 Allerdings, so räumt sie ein, werden die Finanzierungsmöglichkeiten von unterschiedlichen Behörden angeboten „und nicht aus einer Hand“. Das könne der Grund dafür sein, dass nicht immer das maximal Mögliche ausgeschöpft werde. Beispielsweise erhalten auch in Schwerin „viel weniger Kinder die Unterstützung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket“, als es gemäß der Bewilligungen der Fall sein könnte. Ein landesweiter Blick gibt ihr Recht: So lag der Anteil der in Anspruch genommenen Leistungen 2022 in ganz MV auch nur bei 38,1 Prozent, erklärt Heike Kempcke. Obwohl MV damit deutschlandweit noch gut dasteht, sei das „nach wie vor zu gering“. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es „weniger als die Hälfte aller Kinder (sind), die Anspruch darauf hätten“.
Die „hohen bürokratischen Hürden“ spielen nach Kenntnis der AWO eine Rolle, wenn besonders Familien, die Bürgergeld beziehen, die Potenziale nicht ausschöpfen, schreibt Kempcke. Ein möglicher Lösungsansatz: eine proaktive Auszahlung der Leistungen.
Die Stadt Schwerin versucht, alle Beratungsangebote sichtbarer zu machen – nicht zuletzt auch die finanziellen Möglichkeiten, die vielen Familien zustehen. Beratungen sollten zudem nicht nur die Kinder berücksichtigen, sondern auch die Eltern stärken, „damit diese ein Vorbild für ihre Kinder sein können“. So gibt es hier ein Förderprogramm zur Unterstützung bei der Wiederaufnahme von Arbeit für Eltern.18 Grundsätzlich aber bedürfe es mehrerer Lösungsansätze, so die Stadtsprecherin. Dazu gehöre ihrzufolge auch, bei sozialen Förderungen nicht zu sparen. Aus dem Verfügungsfonds der Stadt könnten Schulen zum Beispiel eine Unterstützung für Klassenfahrten beantragen, ebenso Jugendeinrichtungen für ihre Ferienkurse. Stadtentwicklungskonzepte sollten diese Kinder- und Jugendeinrichtungen in Stand halten, damit sie Anlaufstelle bleiben können.
Maßnahmen dringend und sofort
Auch in anderen Teilen MVs versuchen Initiativen und Institutionen, schnelle Lösungen zu finden.

Der Landesjugendring ist eine Schnittstelle. So gibt es für Netzwerkpartner:innen, Vereine und Initiativen einen Fachtag mit Fokus auf Kinder- und Jugendarmut. Ausgehend von den Beobachtungen seiner Mitgliedsverbände hat der Landesjugendring zudem im März 2024 einen Beschluss zu Kinder- und Jugendarmut verabschiedet. Darin fordert er ein tägliches, kostenloses und warmes Mittagessen für Kinder und Jugendliche. Dringend müssten außerdem weitere Maßnahmen ergriffen werden, um ein gesundes und sicheres Aufwachsen aller jungen Menschen zu garantieren. „Die aktuelle Situation – und insbesondere die steigenden Preise für Nahrungsmittel – haben die prekäre Lage von Menschen mit geringem Einkommen extrem verschärft“, so Tetzlaff.
Kartoffeln statt Suppe
Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) lud Ende Oktober 2024 zu ihrer Jahresveranstaltung ein – auf der Agenda: Ernährungsarmut.19 Aus vielen Einrichtungen heißt es, dass die Ernährungssituation der Kinder dort eine Rolle spiele, berichtet Katharina Kutzner. Daher hätten sie sich entschieden, für Ernährungsarmut zu sensibilisieren. Darüber hinaus sollte die Veranstaltung die Teilnehmer:innen vernetzen. So könne man sich untereinander über bestehende Strategien austauschen und gegenseitig unterstützen.
Viele Teilnehmer:innen – zum Beispiel aus Kitas und Schulen – hatten sich dazu bereits Gedanken gemacht, erinnert sich Kutzner. So würde beispielsweise das Mittagsangebot in mancher Kita so gestaltet, dass die Kinder damit besser auskommen. Ein Beispiel: Damit die Kinder mit mehr Kalorien in das Wochenende gehen, gibt es freitags statt einer Suppe nun Gerichte mit Kartoffeln. Die Leute haben also die Möglichkeit, vor Ort schon kleine Veränderungen zu machen – etwa das Mittagessen so zu gestalten, dass es auskömmlicher ist –, schließt Kutzner.
Viele Eltern seien auch dankbar, wenn Unterstützung angeboten werde, berichtet Nicole Manske aus ihrem Hort in Groß Klein. Zum Beispiel bei der Essensanmeldung. Wenn es an der Stelle bürokratisch einfacher für sie gemacht würde, wäre schon viel gewonnen, ist sich die Hortleiterin sicher – auch für die Mitarbeiter:innen. Denn das gemeinsame Ausfüllen von Anträgen – was dringend notwendig sei – nehme natürlich „Zeit in Anspruch, die dann an der eigentlichen Arbeit mit dem Kind fehlt“, ergänzt Kempcke vom AWO-Jugendwerk.
In Manskes Hort bemühen sich die Mitarbeitenden über die Betreuung hinaus, Angebote für Kinder und Eltern zu schaffen. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass Groß Klein als „sozialer Brennpunkt“ bezeichnet werden kann und viele, wie Manske es ausdrückt, „hochbelastete Kinder“ zu ihnen kommen. So sei zum Beispiel die Hilfe bei den Hausaufgaben ein wichtiges Thema. Es gebe auch Familiennachmittage, die gut angenommen würden, erklärt die Hortleiterin. An so etwas teilzunehmen, koste aber Überwindung, für viele spielen dabei Schamgefühl oder Stigmatisierung eine Rolle. Daher müssen die Angebote, die sie sich überlegen, ansprechend sein. Und wenn ein Obolus notwendig ist, dann eher zu Monatsanfang, denn ansonsten „wird das erst recht nichts“, sagt die Pädagogin.
Eine Lösungsidee: kostenloses Kita- und Schulessen
Strukturelle Verbesserungen, wie sie der Landesjugendring etwa mit dem kostenlosen Mittagessen vorschlägt, bewertet Kutzner von der Vernetzungsstelle als gute Lösung. Sie könnte den durch Ernährungsarmut hervorgerufenen Risiken entgegenwirken. Doch sie weiß auch, dass es dafür Geld braucht. Das sei generell der Fall, wenn über die Bekämpfung von Ernährungsarmut gesprochen werde.
„Ich wäre unbedingt dafür“, stimmt auch Manske, auf ein kostenloses Essen angesprochen, zu. Das sei aber ihre ganz persönliche Meinung. Dahingehend könne sie sich zum Beispiel vorstellen, den Beitrag für Kitas wieder einzuführen und dafür das Essen kostenlos anzubieten.
Die Idee ist bereits auf kommunalpolitischer Ebene angekommen. So können sich beispielsweise in der Greifswalder Bürgerschaft viele Politiker:innen darauf einigen, den Kindern kostenloses Essen anzubieten. Doch wie auf der Bürgerschaftssitzung im November auch klar wurde, ist dieser Schritt mit hohen Zuschüssen verbunden. Laut dem entsprechenden Prüfauftrag der Verwaltung müsste die Stadt bei umfänglicher Übernahme der Verpflegungskosten im Jahr rund 6,9 Millionen Euro dazugeben. Davon wird schon in der Vorlage abgeraten.20 Finanziell ist das derzeit sowieso nicht umsetzbar.
In Rostock gibt es bereits Grundschulen, an denen kostenloses Frühstück angeboten wird. So zum Beispiel die Dierkower Grundschule Ostseekinder oder die Grundschule Am Taklerring in Groß Klein.21 Hier bereiten allerdings Ehrenamtliche die gesunden Mahlzeiten für die Kinder zu. Finanziell getragen wird das Engagement unter anderem über die Initiative Lernen aber satt, welche von den Rostocker Stadtwerken, der Ostsee-Sparkasse und der Wiro gesponsert wird. So haben die drei Unternehmen 2023 mehr als 36.000 Euro investiert.22
Um Kinder und Jugendliche sozial stärker einzubinden, hat der Landesjugendring das Programm Kinder brauchen Ferien etabliert. Über Jahre konnte er damit einkommensschwache Familien unterstützen.23 Im Jahr 2023 war die Fördersumme aber bereits niedriger als im Vorjahr. Dadurch konnten knapp 250 Anträge weniger gefördert werden, erzählt Mitarbeiterin Juliane Tetzlaff. Aktuell stünden gar keine Stiftungsgelder mehr zur Verfügung. Der Verband sucht derzeit Unterstützer:innen, um 50.000 bis 100.000 Euro zusammenzubekommen. Dann könne das Programm wieder angeboten werden.
Hoffnung auf Enquete-Kommission
Es braucht aber weitere flächendeckende Hilfe. Der Landesjugendring forderte dafür bereits zu den letzten Landtagswahlen 2021 einen Kinder- und Jugendbericht über die Lebenssituation und Realität junger Menschen in MV. So könnten erstmals alle Zahlen und Fakten zusammengetragen und die Probleme konkret beziffert werden.24
Nicht nur der Verband, auch die AWO setzt dahingehend Hoffnungen in die seit 202225 existierende Enquete-Kommission Jung sein in MV. Sie spiele „eine wichtige Rolle“, wenn es um die Erstellung eines Lagebilds und die Entwicklung von Handlungsempfehlungen gehe, so Kempcke.
Zuletzt beschäftigte sich die Kommission auch mit Kinderarmut und Chancengleichheit. Dazu wurden unter anderem Einschätzungen verschiedener Expert:innen zum Thema eingeholt. Neben Heike Kempcke von der AWO war auch das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) dabei, das in seiner Stellungnahme ebenfalls einen umfassenden Datenüberblick fordert. Die Politik müsse „die notwendigen Rahmenbedingungen für ein starkes Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum schaffen und Familien bei der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und zunehmend auch der Pflege von älteren Familienmitgliedern unterstützen“. Für kurzfristige Hilfen sei es zudem erforderlich, die möglichen sozialen Hilfen besser zu erklären. Was beispielsweise Eltern oft nicht wissen: „der Kinderzuschlag (berechtigt) […] ebenfalls zum Bezug von Leistungen für Bildung und Teilhabe“.26
Laut IW benötigen auch frühkindliche Betreuungsangebote mehr Aufmerksamkeit. Und vor allem mehr Investitionen vom Land. Das sei „zuvorderst anzustreben“. Die Stellungnahme schließt mit der ernüchternden Erkenntnis, dass diese sich dennoch „erst in einigen Jahren rentieren werden“.27 Am Ende – im Hinblick auf alle Vorschläge und Pläne – geht der Blick also mal wieder gen Politik, meint Heike Kempcke. Wie diese reagiert und „welche Prioritäten sie setzt“, wird entscheidend sein.

- Telefonat mit Nicole Manske am 2.12.2024. ↩︎
- Telefonat mit Katharina Kutzner am 29.11.2024.
↩︎ - E-Mail von Heike Kempcke vom 2.12.2024.
↩︎ - Junge Nordkirche (Hg.): Rückblick Fachtag „Kinder- und Jugendarmut im Fokus: Gemeinsam für eine gerechte Zukunft!“, auf: junge-nordkirche.de (7.11.2024).
↩︎ - Landesjugendwerk der AWO MV (Hg.): Beschluss Kinderarmut, auf: ljrmv.de (27.3.2024).
↩︎ - E-Mail von Juliane Tetzlaff vom Landesjugendring MV vom 21.22.2024.
↩︎ - E-Mail von Heike Kempcke vom 4.12.2024.
↩︎ - Statistisches Bundesamt (Hg.): Einkommen und Lebensbedingungen, Armutsgefährdung, auf: destatis.de. ↩︎
- E-Mail des Statistischen Landesamtes MV vom 6.12.2024. ↩︎
- Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern (Hg.): Bevölkerung nach Alter und Geschlecht in Mecklenburg-Vorpommern, S. 4, auf: laiv-mv.de (4.7.2024).
↩︎ - Statistische Ämter des Bundes und der Länder (Hg.): A.2 Armutsgefährdungsquote, auf: statistikportal.de (2024). ↩︎
- E-Mail der Pressestelle des Landkreises Vorpommern-Greifswald vom 20.11.2024. ↩︎
- Landeshauptstadt Schwerin (Hg.): Sozialbericht 2018, S. 3, auf: schwerin.de (2018).
↩︎ - Das Förderpaket Bildung und Teilhabe wurde 2011 eingeführt, um es Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien zu ermöglichen, an sozialen Aktivitäten teilzunehmen. Finanzielle Unterstützung gibt es zum Beispiel für Jugendreisen, Nachhilfestunden, Sportkurse oder Schulmaterial (familienportal.de).
↩︎ - Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Gesamtverband (Hg.): Empirische Befunde zum Bildungs- und Teilhabepaket: Teilhabequoten im Fokus, S. 25, auf: der-paritaetische.de (November 2023).
↩︎ - Kreisverband des Kinderschutzbundes Schwerin (Hg.): Wir über uns, auf: kinderschutzbund-schwerin.de. ↩︎
- E-Mail von der Pressestelle der Stadt Schwerin vom 22.11.2024. ↩︎
- Verbund Sozialer Projekte (Hg.): NiB – nachhaltige Integration in Beschäftigung, auf: vsp-ggmbh.de/biwaq. ↩︎
- Der Paritätische Mecklenburg-Vorpommern (Hg.): „Ernährungsarmut Kita- und Schulverpflegung als Schlüssel für Chancengleichheit“, Einladung zur Jahresveranstaltung, auf: paritaet-mv.de (16.10.2024).
↩︎ - Universitäts- und Hansestadt Greifswald (Hg.): Prüfauftrag Kostenlose Verpflegung in Kindertageseinrichtungen und Schulen, S. 2, auf: greifswald.sitzung-mv.de (8.10.2024).
↩︎ - Strohhalm (Hg.): 15 Jahre Schulfrühstück, S. 8 (Dezember 2024) / Stadtwerke Rostock (Hg.): Lernen, aber satt!, auf: swrag.de.
↩︎ - Stadtwerke Rostock (Hg.): Nachschlag bei „Lernen, aber satt!“, auf: swrag.de.
↩︎ - Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern (Hg.): Jahresbericht 2023, S. 24, auf: ljrmv.de (März 2024). ↩︎
- Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern (Hg.): Jugendpolitische Forderungen für die Landtagswahl 2021, S.7, auf: ljrmv.de.
↩︎ - Landtag Mecklenburg-Vorpommern (Hg.): Jung sein in Mecklenburg-Vorpommern … und zwar mit attraktiven Zukunftsperspektiven!, auf: landtag-mv.de (2024).
↩︎ - Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hg.): Stellungnahme Kinderarmut in Mecklenburg-Vorpommern, S. 13 (2024).
↩︎ - Ebd., S. 14. ↩︎