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Tourismus

Kreuzfahrtschiffe ohne Emissionen? Morgen vielleicht

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Vom Passagierkai in Warnemünde aus ist am 26. Oktober die 252 Meter lange AIDAdiva in Richtung Kopenhagen ausgelaufen. Damit ist die Kreuzfahrtsaison im Hafen offiziell beendet, obwohl bis Anfang Dezember noch dreimal Schiffe einlaufen: zweimal die Amadea von Phoenix-Reisen, am 7. Dezember dann die Mein Schiff von TUI Cruises.

Luftqualität in Warnemünde kaum verändert

Trotz des geringeren Kreuzfahrtschiffsverkehrs hat sich die Luftqualität von Rostock-Warnemünde kaum verbessert. So bleibe sich der Schadstoffgehalt wegen der nach wie vor zahlreichen Frachtschiffe ähnlich hoch wie in den vergangenen Jahren. Das geht aus dem Luftqualitätsbericht für Mecklenburg-Vorpommern hervor, den das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie MV jährlich veröffentlicht. In den letzten drei Jahren wurden die höchsten Jahresmittelwerte von Stickstoffdioxid und Feinstaub am Standort Rostock-Am Strande ermittelt. Die Werte lagen für den Stickstoffdioxidgehalt zwischen 36 und 28 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, für Feinstaub zwischen 24 und 19 μg/m3. Ebenso fast unverändert war es an den Luftmessstandorten Rostock-Warnemünde und Rostock-Hohe Düne. Hier gab es laut Bericht jeweils die landesweit höchsten Einstundenmittelwerte. Das sei zu großen Teilen auf die Schifffahrt zurückzuführen. Den Löwenanteil verursachen dabei aber nicht die Kreuzfahrt-, sondern die Frachtschiffe.

Die gleiche Nichtentwicklung wurde auch im Hamburger Hafen festgestellt, sagt Sönke Diesener, Referent für Verkehrspolitik beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). In Hamburg-Altona hat die Umweltorganisation sogar eigene Luftmessgeräte installiert und festgestellt: Auch dort hat sich die Luftqualität trotz eingeschränkter Kreuzschifffahrt nicht verbessert. Direkt am Hafen sei sie sogar noch mal etwas angestiegen. Der Grund: Die Fracht- und Containerschifffahrt, die in der Corona-Pandemie keine Flaute erlebte.

Rekord bei Frachtschifffahrt

Während die Kreuzfahrtbranche im vergangenen Jahr eine Zwangspause einlegen musste, ging es für die Frachtschifffahrt eher bergauf – auch in Warnemünde: In der Jahresbilanz des Hafens heißt es, dass „trotz der pandemiebedingten Zwänge und Einschränkungen in vielen Produktionsunternehmen und Lieferketten [...] das ausgewogene Geschäftsmodell des Hafens wiederum für ein sehr hohes und nahe am Vorjahr liegendes Umschlagergebnis“ gesorgt habe. Insgesamt wurden 25,1 Millionen Tonnen Fracht verschifft. Nach Angaben des Hafen- und Seemannsamtes wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres schon 15,2 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen. Das sei ein Umschlagplus von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr und bisheriger Rekord.

Frachter und Containerschiffe sind also Corona-Gewinner, könnte man sagen. Die werden wie auch der Großteil der Kreuzfahrtschiffe aber noch immer mit Schweröl angetrieben, sagt Sönke Diesener. Daher sei es nicht überraschend, dass sich bei der Luft wenig verändert habe.

Dabei hätten beide Schiffstypen schon längst auf erneuerbare Energie und emissionsfreie Antriebe umgerüstet werden können: vor allem die der Kreuzfahrtreedereien, so Diesener, deren Flotten 2020 ohnehin nicht im Einsatz waren.

Kreuzfahrtschiffe könnten längst umweltfreundlich fahren

Besonders die sind nämlich nach Angaben des Nabu noch immer einer der Spitzenreiter in Sachen Umweltbelastung. In einer jährlichen Rangliste vergleicht die Organisation die führenden Reedereien auf dem europäischen Markt hinsichtlich ihrer Ökobilanz. 2020 bekamen Phoenix-Reisen, Norwegian Cruise Lines und Viking Ocean Cruises allesamt null Punkte. In allen drei Fällen konnten keine emissionsmindernden Maßnahmen oder eine entsprechende Strategie festgestellt werden. Siegerin war die Reederei Ponant, einziges Manko dort: fehlende Rußpartikelfilter. Auf dem zweiten Platz landete die AIDA-Reederei. Die belegte in den beiden Vorjahren noch Platz eins der niedrigsten Luftschadstoffemissionen.

Wegen der coronabedingten Einschränkungen in der Branche verzichtete der Nabu in diesem Jahr auf den direkten Vergleich, kritisierte jedoch, dass noch immer zu wenig für einen emissionsfreien Antrieb der Schiffe getan werde. Im Vergleich zu den Vorjahren konnte die Umweltorganisation zwar in einigen Fällen erste Schritte hin zu einer Emissionsreduzierung feststellen, wie zum Beispiel das „Tanken“ von Ökostrom an Landstromanlagen anstelle von Diesel. Bilanzierend heißt es aber im Bericht, dass kaum eine Kreuzfahrtreederei derzeit über ein anfängliches Entwicklungsstadium in Sachen emissionsfreie Antriebe hinausgehe.

Nur zwei Schiffe nutzen die Warnemünder Landstromanlage

In diesem Jahr hat der Warnemünder Kreuzfahrthafen eine Landstromanlage in Betrieb genommen. Damit können zwei Schiffe gleichzeitig mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern versorgt werden. Die Anlage ist derzeit die größte Europas. Weitere befinden sich in Hamburg, Kiel sowie Bergen und Kristiansand in Norwegen.

Investiert wurden in Warnemünde 19 Millionen Euro aus Steuergeldern. Genutzt haben die Anlage laut Hafengeschäftsführer Scharner bislang aber nur zwei Schiffe der AIDA-Flotte. Dabei ist die Versorgung mit Landstrom aus erneuerbaren Energien sofort umsetzbar. Alle nach 2007 gebauten Kreuzfahrtschiffe hätten die dafür nötige technische Ausstattung bereits, sagt Diesener. Die Reedereien TUI und AIDA hätten bereits ihre gesamte Flotte umgerüstet. Man müsse sie nur mit dem Landstromnetz verbinden. Das sei natürlich teurer als das Tanken von Diesel und könnte Mehrkosten von bis zu 10.000 Euro pro Hafenaufenthalt verursachen, wäre aber eine „wunderbare, schnelle Möglichkeit zur besseren Ökobilanz“. Außerdem seien Häfen seit diesem Jahr vom Gesetzgeber weitestgehend von der EEG-Umlage befreit, damit die Versorgung mit Ökostrom attraktiver wird. Rund 40 Prozent seiner Betriebszeit liege ein Kreuzfahrtschiff im Hafen, bilanziert AIDA Cruises in einer Pressemitteilung. Die Nutzung von Landstrom zur Energieversorgung der Schiffe sei ein entscheidender Schritt, um die Emissionen im Hafen auf null zu reduzieren. Der Wille ist also da. Auf Nachfrage heißt es vom Unternehmen, dass für die Nutzung der Landstromanlage jedoch eine Zertifizierung nötig sei. Das dauere wegen logistischer Vorbereitungen sowie land- und schiffseitigen Anpassungen und Tests. Bislang seien nur die AIDAsol und die AIDAprima zertifiziert worden. Weitere sollen folgen.

Laut Nabu könnte dies alles viel schneller gehen – mit entsprechenden Regularien in den Häfen. Gäbe es dort Auflagen zu einem emissionsfreien Betrieb, würden sich Reedereien schneller anpassen. „Städte und Häfen müssten da mutiger sein, zum Beispiel eine Landstrompflicht einführen“, findet Diesener. AIDA Cruises merkt dazu an, dass „öffentlich geförderte Infrastruktur, wie der Passagierhafen Warnemünde, nach den geltenden Gesetzen diskriminierungsfrei für alle Interessenten zugänglich sein muss“. Dass es aber funktioniert, zeigen die USA: Dort gilt seit knapp fünf Jahren eine Landstrompflicht für Kreuzfahrtschiffe und auch für Frachter.

Auch Frachtschiffe müssen in den Fokus rücken

Laut Nabu-Verkehrsreferent Sönke Diesener könnten schon längst Fracht- und Containerschiffe mit Landstrom versorgt werden, wie es in den USA bereits der Fall ist. Der öffentliche Fokus habe in den letzten Jahren aber vor allem auf den Kreuzfahrtschiffen gelegen – nicht zuletzt durch die Agenda des Nabu, räumt er ein. Kreuzfahrtschiffe hätten jedoch als schwimmende Hotels auch einen sehr viel höheren Energiebedarf als Frachter, wenn sie im Hafen liegen, erklärt er.

Und so fordert die Umweltorganisation einerseits weiterhin, dass die großen Reedereien wie TUI, AIDA und MSC ihre Flotten zur Umsetzung der Pariser Klimaziele so schnell wie möglich mit erneuerbaren Energien betreiben, und wird das auch im nächsten Jahr wieder mit einem Ranking kontrollieren. Aber auch Fracht- und Containerschiffe müssten schnellstens umgerüstet werden. Ziel sollte es sein, bis spätestens 2050 emissionsfrei zu fahren. Um das umzusetzen, müsse die Politik mit Regelungen stärker durchgreifen.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 2 von KATAPULT MV.

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Autor:innen

Redaktionsleitung bei KATAPULT MV.

Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach Meck-Vorp.

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