Zu dem Zeitpunkt, als der 24-jährige Conrad Busse am NPD-Stand in der Ossenreyerstraße vorbeiging, war entgegen anderslautender Berichte kein Gegendemonstrant vor Ort. Die NPD hatte zum Wahlkampf mobilisiert. Mit Megafon und „Kampfansage“. Es war Dienstag, 10.50 Uhr, die Stralsunder Innenstadt belebt. Am Stand der rechtsextremen NPD: der Bundesvorsitzende der NPD, Frank Franz, und der ehemalige Bürgerschafts- und Kreistagsabgeordnete Dirk Arendt. Dieser soll laut Busse zu dem vorbeigehenden grünen Landtagskandidaten gerufen haben: „Busse, dich kriegen wir auch noch!“ – ein Spruch, der Busse nach eigenen Angaben schon öfter von Vertretern der Neonaziszene entgegen gerufen wurde und in zwei Fällen auch körperliche Angriffe auf ihn nach sich zog. Anschließend fegte Busse nach Aussage aller Beteiligten mit seinem Arm im Vorübergehen Wahlkampfmaterial der NPD vom Stand. Kaum vier Meter weiter, vor dem Sundflor-Blumengeschäft, sei er dann von hinten angegriffen worden, so Busse. Laut Polizei habe ein 45-Jähriger ihn zur Rede stellen wollen. Nach Busses Aussagen schlugen fünf NPD-Anhänger auf Rücken, Nacken und Beine des am Boden liegenden Politikers ein, während einer auf ihm saß, um ihn zu fixieren. Die NPD-Anhänger wollten nach Polizeiangaben den Störenfried fixieren, bis die Polizei eintrifft. Der Landtagskandidat für den Wahlkreis 25 berichtet: „Dort kauernd wurde sich darüber belustigt, dass ich gerade auf den Stolpersteinen vor dem Blumenladen auf den Boden gedrückt wurde, und jemand aus der Gruppe sagte: ‚Wie zynisch, Busse, jetzt wirst du auf den Stolpersteinen gerichtet.‘ Ich rief mehrfach vorbeilaufende Passant:innen dazu auf, mir zu helfen oder die Polizei zu rufen, doch niemand reagierte.“
Busse habe mehrere Rippenprellungen, eine Knieverletzung und eine Gehirnerschütterung erlitten. Der auf ihm sitzende NPD-Anhänger soll erst nach 15 Minuten von ihm abgelassen haben, als die Polizei eintraf. Vorwürfe, Busse selbst sei seine Kontrahenten tätlich angegangen, weist er zurück. „Ganz alleine, in einem Verhältnis von eins zu acht, beginne ich schon aus reinem Lebenserhaltungstrieb keine Schlägerei“, so der 24-Jährige.
Der Staatsschutz der Kriminalinspektion Anklam hat die Ermittlungen aufgenommen. Zeugen, die den Angriff gesehen oder gefilmt haben, werden gebeten, sich bei dem Betroffenen oder der Polizei zu melden.
Aktuell bekunden online zahlreiche Menschen „Solidarität mit Conrad“, darunter auch der Landesverband der Jusos der SPD:
Auch die Bundestagskandidatin der SPD, Anna Kassautzki, erklärte ihre Solidarität über Parteigrenzen hinweg:
Die Grüne Jugend traf kurz nach dem Vorfall am Ort des Geschehens ein
Die „offizielle Facebook-Seite des NPD-Landesverbandes in Mecklenburg und Pommern“ postete dagegen noch am Nachmittag:
… während deren Leserschaft unwidersprochen offen rechtsextrem kommentierte:
Kurz nach dem Angriff formierte sich neben dem NPD-Stand eine kleine Gruppe Gegendemonstranten, darunter Grünen-Bundestagskandidatin Katharina Horn.
Angespannter Merkel-Besuch mit Laschet in Stralsund: vor 140 Journalisten von Gegnern ausgebuht
Am Abend kam es wenige Meter weiter auf dem Alten Markt während einer CDU-Wahlkampfveranstaltung mit Kanzlerin Angela Merkel, Kanzlerkandidat Armin Laschet, Bundestagskandidat Philipp Amthor, Landtagskandidat Michael Sack und Oberbürgermeister Alexander Badrow erneut zu einem Auflauf von Rechtsextremen. Sie skandierten lautstark Parolen wie „Wir sind das Volk“. Dazu wurden die Spitzenpolitiker der CDU um Angela Merkel von zahlreichen weiteren Gegendemonstranten ausgepfiffen. Laut NDR-Informationen war die Lage angespannt, auf der Bühne herrschte Nervosität. Ebenfalls vor Ort: internationales mediales Interesse an Stralsund. 140 akkreditierte Journalisten aus der ganzen Welt verfolgten Merkels Abschieds- und Wahlkampftour am Abend vor dem Rathaus in der Hansestadt zwischen Regen, Dunkelheit und Parolen.