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Rassismus auf dem Wohnungsmarkt

Leider kein Einzelfall

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„Die Umgebung ist geprägt von einer ausgewogenen Mischung an Altersgruppen und der Absenz von Ausländern, was eine homogene, soziale Gemeinschaft begünstigt.“ So wurde Mitte Oktober eine Wohnung in Loissin, zwischen Greifswald und Lubmin, in einer Mietanzeige angepriesen. Für eine „konservative und pragmatisch denkende Zielgruppe“ sei das Objekt besonders geeignet, hieß es weiter.

„Absenz von Ausländern“? Dass eine solche Formulierung in einer Wohnungsanzeige steht, erscheint vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Diskriminierungsverbots fragwürdig. So wird einerseits bei konservativen Interessent:innen mit einer Wohngegend ohne „Ausländer“ geworben. Andererseits sollen sich anscheinend auch nur Menschen ohne Migrationshintergrund überhaupt bewerben.

Diskriminierungsverbot auch bei Wohnraum

In Deutschland verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer „Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“. Dieses Diskriminierungsverbot bezieht sich auch auf den Zugang zu Wohnraum. Damit ist nicht nur die Vermietung selbst gemeint.
Auch die Annonce des Wohnraums fällt darunter. Deshalb, so schreibt es die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, seien Vermieter:innen dazu angehalten, Anzeigen „möglichst neutral“ zu formulieren und so jegliche Art von Diskriminierung „zu vermeiden“.

Anzeige mittlerweile gelöscht

Warum sich die Greifswalder Firma dazu entschied, als positive Umgebungsbeschreibung für Loissin die Abwesenheit von „Ausländern“ aufzuführen und inwiefern ihre Präsenz aus Sicht des Unternehmens einer „sozialen Gemeinschaft“ entgegenstünde, bleibt offen. Mehrere Anfragen von KATAPULT MV blieben unbeantwortet. Die betreffende Passage wurde im Nachgang der Anfrage jedoch gelöscht. Von der „Absenz von Ausländern“ war nichts mehr zu lesen. Die Anzeige selbst war über die Onlineplattform kleinanzeigen.de allerdings noch bis zum 7. November abrufbar. Mittlerweile ist sie laut Portal nicht mehr verfügbar.

Diskriminierungserfahrungen auch in Greifswald

Dass eine Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt kein Einzelfall ist, bestätigte 2020 eine Studie der bundesweiten Antidiskriminierungsstelle. In einer repräsentativen Umfrage waren 83 Prozent der Befragten der Ansicht, dass eine Benachteiligung aus rassistischen Gründen „bei der Wohnungssuche in Deutschland eher häufig vorkommt“. Von den Befragten, die in den vergangenen zehn Jahren auf Wohnungssuche waren, gaben zudem 15 Prozent an, aufgrund rassistischer Gründe dabei diskriminiert worden zu sein. In der Gruppe der Befragten mit Migrationshintergrund waren es insgesamt 35 Prozent.

Wie sich eine Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt zeigt, davon kann etwa das Welcome Center Greifswald berichten. Das Team berät und betreut zum Beispiel Zugezogene aus dem In- und Ausland und setzt darüber hinaus auch ein Integrationsprojekt für ukrainische Geflüchtete um. Im Rahmen dieser Tätigkeit unterstützen die Mitarbeiter:innen unter anderem bei der Wohnungssuche. Das Thema Rassismus und Diskriminierung begegne ihnen in diesem Kontext „leider (...) des Öfteren“, berichtet Projektleiterin Magdalena Pflock. Es beginne beispielsweise damit, „dass Anfragen mit nicht deutsch klingenden Namen eher nicht beantwortet“ würden. Darüber hinaus berichten Kund:innen von Absagen privater Vermieter:innen. Es sei ja nicht sicher, wie lange etwa Ukrainer:innen bleiben würden. Diese würden „die Wohnung dann einfach ungeachtet der Kündigungsfrist zurücklassen“, fasst Pflock einen der ihnen zugetragenen Ablehnungsgründe zusammen.

Dass der Wohnraum in Greifswald knapp ist, was sich etwa an einer sehr geringen Leerstandsquote zeigt, mache die Suche nach einer Wohnung nicht leichter, weiß die Projektleiterin. In Gesprächen mit Kund:innen des Centers habe sich gezeigt, „dass manche von ihnen in überteuerten Wohnungen leben“. Vor dem Hintergrund, schnellstmöglich einen Weg aus der Gemeinschaftsunterkunft finden zu wollen, und dem „noch fehlenden Überblick über die Preise in der neuen Heimat“, würden solche Mietverträge dann gezwungenermaßen unterschrieben. Um dem entgegenzuwirken, versuche das Team, neu Ankommende bestmöglich zu beraten und ihnen auch die wichtigsten Informationen zur Wohnungssuche zu vermitteln, schließt Pflock.

Unterschiede zwischen den Landkreisen?

Auch im Welcome Center Stettiner Haff mit Sitz in Pasewalk hatten die Mitarbeiter:innen bereits mit Diskriminierungserfahrungen zu tun. Wenn bei einer Wohnungsanfrage von Vermieter:innenseite gleich als erste Frage komme, wo die Leute herkommen und welchen Namen sie haben, sei das schon komisch, findet eine Mitarbeiterin. Sie könne sich spontan an zwei Fälle erinnern, wo Menschen mit einem arabischen Namen betroffen gewesen seien.

Beim Welcome Center Vorpommern-Rügen helfen sie, wie die Kolleg:innen in Greifswald und Pasewalk, ihrer Kundschaft ebenfalls beim Finden einer Wohnung. Die Vermittlung nehme einen „sehr großen Stellenwert in der Beratungstätigkeit“ ein, teilt der Landkreis auf Nachfrage mit. Im Gegensatz zu den Greifswalder:innen könne das Welcome Center jedoch in Bezug auf Vorurteile und Rassismus auf dem Wohnungsmarkt, was die Rückmeldungen ihrer Kund:innen betrifft, „keine Aussagen machen“.

Dass das nicht unbedingt heißt, dass es keine rassistisch motivierte Benachteiligung gibt, darauf weist der Mieterverein Greifswald hin. Auch hier gebe es bisher keine Erfahrungen mit Diskriminierungen oder Rassismus. Das liege aber an den Mitgliedern, so der Mieterverein. Menschen, die potenziell von einer Diskriminierung betroffen sein könnten, fänden bisher eher nicht den Weg in die Beratung. Auch, weil deren Existenz wohl noch nicht bekannt genug sei. Deshalb ausschließen, dass es Diskriminierungen gebe, könne man aber nicht.

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Autor:innen

Redakteurin bei KATAPULT MV.

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