Am Ende reichte es nicht für die vom Veranstalter vorhergesagten 250 Fahrzeuge, die sich am Donnerstagnachmittag ihren Weg vom Stadthafen aus bahnten. Lediglich 88 Fahrzeuge und 150 Personen seien es gewesen, die im Korso ihren Forderungen Nachdruck verliehen, wie die Polizeiinspektion Rostock auf Nachfrage mitteilt. Forderungen, die es in sich haben.
Neben der Einführung von Maßnahmen, die die tatsächlich schwierige Lage von Unternehmer:innen im Land verbessern würden, wie etwa die Einführung eines Energiepreisdeckels oder aber substanzielle finanzielle Hilfen für kleine und mittelständische Firmen, fordern die Protestierenden auch die Aufhebung aller Sanktionen gegen Russland, eine „freie und ehrliche Medienlandschaft“ oder gar Neuwahlen, wie Veranstaltungsleiterin Anja Lues am Donnerstag verlas. „Das sind alles Sanktionen, mit denen wir uns selbst schaden“, so Lues.
Dass derlei Forderungen auch montäglich vor dem Schweriner Schloss skandiert werden, sollte dabei nicht überraschen, ist doch der Anmelder des Rostocker Unternehmeraufstandes Jens Kaufmann, welcher als Anmelder und Organisator der Corona-Demonstrationen stadtweite Bekanntheit erlangte und inzwischen für den Posten des Oberbürgermeisters kandidiert. Auch Veranstaltungsleiterin Anja Lues, die ihre Kandidatur für das Amt zurückzog, hatte auf den Corona-Protesten bereits offizielle Funktionen. Grund genug für den Landesverfassungsschutz, hellhörig zu werden.
Dass extremistische Milieus Einfluss auf die Proteste gegen die Energiepolitik nehmen, gelte für den Inlandsnachrichtendienst inzwischen als gesichert, wie es aus dem Innenministerium heißt. Hierbei handele es sich jedoch nicht ausschließlich um Teilnehmer:innen. Auch unter den Anmelder:innen und Redner:innen fänden sich Personen, die eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz rechtfertigen.
Unternehmer bedauert Spaltung des Mittelstandes
Dass sich in dieser Krise keine gemeinsame Protestform finden lässt, bedauern wiederum andere Unternehmer:innen. So auch der Rostocker Gastronom und Lokalpolitiker Andreas Szabó: „Ich finde, es geht in eine völlig falsche Richtung. Es ist nicht so, dass die Regierung schuld ist, dass wir kein Gas haben. In den Erzählungen derer, die bei diesem Korso mitmachen, hätten wir Putin provoziert, die Ukraine anzugreifen, sodass er gar keine Wahl mehr gehabt hätte“, so Szabó. Es sei „der Wahnsinn“, der hinter den Protesten stehe. Ein Zusammenkommen sei so kaum vorstellbar, so Szabó weiter. Für ihn steht fest: „Die Menschen, die diese Unternehmen führen, die sich an den ‚Unternehmeraufständen‘ beteiligen, kommen genauso wie viele Arbeitnehmer:innen aus dem Mittelstand.“ Wer aber irrationale Forderungen von sich gebe, verunmöglicht gemeinsame Anstrengungen der Unternehmer:innen im Land, auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen.
Protest als Bestandteil einer landesweiten Aktion
Ausgangspunkt des Korsos sei eine Demonstration vor einem Monat in Neubrandenburg gewesen, an der laut den Veranstalter:innen 600 Fahrzeuge teilnahmen. Nach Polizeiangaben waren es rund 300. Auch gestern beteiligten sich nach Angaben der Behörden etwa 320 Autos. Neben Neubrandenburg und Rostock fuhren gestern auch in Schwerin, Stralsund, Greifswald, Barth, Parchim, Wismar und Güstrow Unternehmer:innen Korsos.
In Stralsund fuhren nach Polizeiangaben etwa 85 Fahrzeuge vom Hafen über die Rügenbrücke Richtung Bergen. Zu Beginn kam die Kolonne nur stockend voran, weil sich erst alle Fahrzeuge vom Treffpunkt zur Straße einreihen mussten.
Bei der Greifswalder Ausgabe gab es gleich zwei Gegenproteste: Während rund 160 Autos unterwegs waren, sammelte sich eine Gruppe junger Menschen mit Bannern rund um den Kreisverkehr am Hauptbahnhof, wo der Autokorso entlangführte. Zu einem zweiten hatte sich eine weitere Gruppe an der Europakreuzung versammelt. In Greifswald wollte laut Polizei zudem ein einzelner Fußgänger die Autokolonne an der Weiterfahrt hindern, indem er die Straße überquerte. Polizeibeamt:innen hielten ihn zurück. Außerdem hatten mindestens drei Krankenwagen Probleme, am Autokorso vorbeizufahren.