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Jamel

Neonazis nutzen illegal öffentliche Flächen

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Gerne hätte das Ehepaar Lohmeyer die Wiese hinter seinem Grundstück ganzjährig gepachtet, um sie in Schuss zu halten. Doch die Gemeindevertretung stimmte gegen den Antrag.

Auch andere Jameler nutzen die Wiese, allerdings unerlaubt. So standen dort in der vergangenen Woche drei große Frachtcontainer, drei KFZ-Anhänger und ein Stapel Brennholz. Eine der Anhängerplanen lässt dabei auf den Besitzer schließen. Steffen Meinecke nutzt den Hänger offenbar zum Transport seiner Hüpfburgen, die er kommerziell vermietet.

Der Rechtsextremist bewohnt in Jamel ein Haus in Nachbarschaft zu besagter Wiese. Eine Genehmigung, die gemeindeeigenen Flächen zu nutzen, besitzt er nicht. „Wir werden in der Angelegenheit tätig werden“, kündigte Tina-Sophie Schulz von der Stadt Grevesmühlen auf Nachfrage an, die für die Verwaltung in Jamel zuständig ist. Letztlich obliege es allerdings der Gemeinde Gägelow, zu entscheiden, ob die Nutzung legitimiert oder untersagt wird, so Schulz.

Steffen Meinecke äußerte sich gegenüber KATAPULT MV nicht zur Nutzung der öffentlichen Flächen. Die Gemeinde Gägelow ist mit der Nutzung als Abstellort so jedoch nicht einverstanden. Der mutmaßliche Nutzer sei schriftlich aufgefordert worden, die Flächen bis zum 30. Mai zu räumen, erklärte Bürgermeister Friedel Helms-Ferlemann (parteilos). „Eine Verpachtung der betreffenden Fläche an den vermutlichen derzeitigen Nutzer ist nicht vorgesehen“, sagte der Kommunalpolitiker auf Nachfrage.

In Jamel zählt der 47-jährige Meinecke allem Anschein nach zum harten Kern der rechtsextremen „Dorfgemeinschaft Jamel“. 2019 trat der frühere NPD-Aktivist gemeinsam mit dem faktischen Dorfchef Sven Krüger und Neonazi Tino Streif für die „Wählergemeinschaft Heimat“ bei der Kommunalwahl an. Alle drei tauschen sich nach Angaben von Streif zudem regelmäßig zu Angelegenheiten der Gemeindevertretung aus.

Illegale Deponie mit 400 Tonnen Bauschutt

Ein anderes Jameler Grundstück nutzten Unbekannte zur Entsorgung von Abfällen. Dort lagern 400 Tonnen Bauschutt. Auf dem Grundstück in der Forststraße 8/9 steht eigentlich die Ruine eines Gutshauses. Wohnen kann darin jedoch schon lange niemand mehr.

„In den 2000er-Jahren wurden dort über einen längeren Zeitraum immer wieder Bauabfälle in größerer Menge illegal abgelagert“, berichtet Wiebke Reichenbach vom Landkreis Nordwestmecklenburg. Diese Bauabfälle enthielten neben Bauschutt auch Dämmwolle, Asbest und Teerpappe. Die Verursacher:innen konnten nie ermittelt werden. Und das obwohl die untere Umweltbehörde 2009 sogar alle Anwohnenden schriftlich angehört hatte, um Hinweise zu möglichen Täter:innen zu erlangen.

Zufälligerweise betreibt Neonazi Sven Krüger auf dem Nachbargrundstück ein Abrissunternehmen. Auch die Entsorgung von Abfällen gehört zu seinem Angebot. Hat also der Rechtsextremist neben seinem Firmensitz eine illegale Mülldeponie angelegt? Auf Nachfrage dazu schweigt Krüger. Zumindest die äußeren Umstände sprechen jedoch gegen den Unternehmer.

Sven Krüger darf sich trotz alledem Hoffnung machen, mit der illegalen Mülldeponie nebenan noch Einkünfte zu erwirtschaften. Die Gemeinde möchte das Gutshaus demnächst abreißen lassen. Bei der Gelegenheit sollen auch die abgelagerten Abfälle beseitigt werden. Das Vorhaben wird mit öffentlichen Geldern in Höhe von insgesamt 361.000 Euro gefördert. Rund 271.000 Euro kommen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Der Bund steuert weitere 90.000 Euro bei. Die Arbeiten sollen in Kürze öffentlich ausgeschrieben werden, so Bürgermeister Helms-Ferlemann.

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Fußnoten

  1. Breyton, Ricarda: Wie NPD-Politiker auf Tarnlisten zu Wahlen antreten, auf: welt.de (10.5.2019).
  2. Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt MV (Hg.): EU-Förderung für Abfallberäumung in Jamel, auf: regierung-mv.de (5.5.2022).

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