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Tauchen mit Atemgerät

Unter Wasser nur mit Anmeldung

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Baden in den vielen Seen des Landes und natürlich der Ostsee gehört für Einheimische und Gäste zum Sommer in Mecklenburg-Vorpommern dazu. Schwimmen und das Tauchen ohne Atemgerät sind dabei Teil des sogenannten Gemeingebrauchs, also einer freien Benutzung öffentlicher Gewässer, und deshalb grundsätzlich erlaubt. Doch seit einigen Monaten geistert in der Tauchwelt das Gerücht umher, man dürfe nur noch mit Antrag in MVs Binnenseen abtauchen.

Mitte März gab der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte eine Pressemitteilung heraus: Die untere Wasserbehörde informierte über eine Änderung des Landeswassergesetzes. Die Festlegungen für Tauchgänge hätten sich geändert. Bei Tauchgängen mit Atemgerät handele es sich jetzt um einen erlaubnispflichtigen Vorgang. Dieser bedürfe einer wasserrechtlichen Erlaubnis der für das jeweilige Gewässer zuständigen Wasserbehörde.

Darauf folgten entsprechende Medienberichte: Zwei Tage nach Veröffentlichung der Pressemitteilung thematisierte die Süddeutsche Zeitung die Erlaubnispflicht unter dem Titel „Tauchen auf Antrag? Protest gegen schärfere Vorschriften“. Taucher:innen mit Atemgerät sollten ab sofort eine Erlaubnis einholen, bevor sie ihrer Freizeitbeschäftigung nachgingen, hieß es dort. Der Nordkurier präzisierte: Entsprechende Anträge seien beim Umweltamt der Kreisverwaltung im Sachgebiet „Wasserwirtschaft und Gewässerschutz“ formlos und rechtzeitig unter Angabe von Adresse des Antragstellers, Gewässerbezeichnung, örtlicher Kennzeichnung der Einstiegsstelle, Zeitraum und Zweck des Tauchens, Anzahl der Taucher:innen sowie gegebenenfalls einer Kurzbeschreibung über die geplante Ausführung einzureichen.

Nicht jeder Tauchgang mit Atemgerät erlaubnispflichtig

Dieser medialen Darstellung widersprach das Umweltministerium MV auf Nachfrage. Das Gesetz sei nicht geändert worden. Es habe lediglich die oberste Wasserbehörde die unteren Wasserbehörden in einem Hinweisblatt im Herbst 2022 über die rechtliche Einordnung des Tauchens mit Atemgerät informiert. Auch vorher schon galt: Nur das Tauchen ohne Atemgerät zählt zum Gemeingebrauch. Zu den Betätigungen, die den Gemeingebrauch im Sinne des § 9 Wasserhaushaltsgesetz überschreiten, zählt laut einer Veröffentlichung des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg zum Beispiel das Tauchen mit einem Atemgerät, wenn dadurch etwa „dauernd oder in einem nicht unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit“ herbeigeführt werden könnten.

Damit kann das Tauchen mit Atemgerät wasserrechtlich erlaubnisbedürftig sein. Das beträfe besonders Tauchschulen und -basen in MV, die mit vielen Tauchenden häufig die Unterwasserwelt besuchen. Und auch Tauchsportevents, die zwar nur vorübergehend auf die Gewässer einwirken, sie aber durch die vielen Teilnehmenden potenziell intensiv beeinträchtigen und somit solche „negative Veränderungen der Wasserbeschaffenheit“ herbeiführen könnten. Keineswegs sei für ausnahmslos jeden Tauchgang mit Atemgerät eine wasserrechtliche Erlaubnis nötig, betont das Ministerium. Im Zweifel sei aber eine Nachfrage bei der unteren Wasserbehörde angebracht. Gerade die Seen der Mecklenburgischen Seenplatte stünden unter einem hohen Nutzungsdruck. Daher sei es die Pflicht der Wasserbehörde, für die Einhaltung der Wasserrahmenrichtlinie zu sorgen.

Vorschrift in der Realität wenig relevant

Auf Nachfrage sah sich die Pressestelle des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte nicht in der Lage, zu erklären, welche Konsequenzen daraus nun für die tauchende Bevölkerung entstehen oder wie es zu diesem Missverständnis kam.

In Schwerin beruft sich die untere Wasserbehörde auf das Landeswassergesetz MV (LWaG) in Verbindung mit dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG). In Ersterem heißt es: „Jede Person darf auf eigene Gefahr unter den Voraussetzungen des WHG die oberirdischen Gewässer (…) zum Tauchen ohne Atemgeräte benutzen.“ Da explizit das Tauchen ohne Atemgerät erlaubt wird, sei im Umkehrschluss das Tauchen mit Atemgerät erlaubnispflichtig, erklärt die Stadt Schwerin dazu. Dadurch könnten die Wasserbehörden insbesondere dort ordnend eingreifen, wo sie von Tauchaktivitäten wissen oder wo ein besonderer Nutzungsdruck auf ein Gewässer besteht.

In der Realität allerdings ist die Vorschrift für gelegentliche Einzeltaucher wenig relevant. Denn diese würden meist nicht nachfragen und somit auch nicht reglementiert werden können, heißt es aus Schwerin weiter. Das Tauchen mit einem Atemgerät muss dennoch bei der unteren Wasserbehörde beantragt werden. Dies könne formlos per Mail oder Schreiben unter Angabe des Gewässers, des Tauchzeitraums, der Häufigkeit und der Anzahl der Taucher bei der unteren Wasserbehörde erfolgen.

Auch mit der letzten Änderung des LWaG vom 8. Juni 2021, in dem besonders der Gemeingebrauch angepasst wurde, habe sich an dieser Regelung nichts geändert, so Schwerin. Es sei jedoch in der Vergangenheit bereits des Öfteren darüber nachgedacht worden, das Tauchen mit Atemgerät ebenfalls dem Gemeingebrauch zuzuordnen. Dies ist jedoch bisher nicht geschehen.

Im Nachbarbundesland Schleswig-Holstein dürfen seit 2007 landeseigene Seen auch für den Tauchsport genutzt werden. Unabhängig von Vereins- oder Verbandszugehörigkeit kann jede:r mit einem Gerät dort tauchen. Anders sieht es mit den vielen Privatgewässern aus. Dort darf nirgends ohne Genehmigung des Eigentümers getaucht werden. Baden und Tauchen in Naturschutzgebieten sind ebenfalls verboten.

Treffen zwischen Tauchsportverband und Kreisen geplant

Die Umsetzung der entsprechenden Gesetze und Regelungen zum Tauchsport werde in MVs Kreisen sehr unterschiedlich gehandhabt und teils auch ignoriert, erklärt der Vorstand des Landestauchsportverbandes, Ulrich Wolf, auf Nachfrage. Dem Verband gehören in MV 21 Vereine mit insgesamt 1.100 Mitgliedern an. Der Hauptgrund: Den Behörden scheint überall Personal zu fehlen. Der Vorstand sei im Gespräch mit den Wasser- und Umweltbehörden der Kreise, um eine einheitliche und tragbare Regelung zu erwirken. Das Ziel des Landestauchsportverbandes MV und des Verbandes Deutscher Sporttaucher ist es, die umweltgerechte Ausbildung und Umweltkurse den Kreisen vorzustellen. Am 29. Juni soll dazu ein Treffen zwischen Verband und Kreisen stattfinden.

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Fußnoten

  1. Landkreis Mecklenburgische Seenplatte (Hg.): Tauchgänge mit Atemgeräten sind erlaubnispflichtig, auf: lk-mecklenburgische-seenplatte.de (15.3.2023).
  2. Süddeutsche Zeitung (Hg.): Tauchen auf Antrag? Protest gegen schärfere Vorschriften, auf: sueddeutsche.de (17.3.2023).
  3. Langer, Sebastian: Neue Regeln irritieren Taucher in der Seenplatte, auf: nordkurier.de (24.3.2023).
  4. E-Mail vom Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt MV vom 19.4.2023.
  5. Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt MV (Hg.): Wassersport und Naturschutz – Rechtsgrundlagen II, S. 18, auf: lung.mv-regierung.de (18.4.2013).
  6. E-Mail vom Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt MV vom 19.4.2023.
  7. E-Mail von der Pressestelle des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte vom 20.4.2023.
  8. E-Mail von der Pressestelle der Landeshauptstadt Schwerin vom 13.6.2023.
  9. E-Mail vom Vorstand des Tauchsportlandesverbandes Schleswig-Holstein, Jerk Hansen, vom 17.4.2023.
  10. E-Mail von Ulrich Wolf vom 14.4.2023.

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