LNG-Terminal vor Rügen

Verbände bringen Einwände gegen Großprojekt vor

Sowohl die Deutsche Umwelthilfe als auch die Rostocker Industrie- und Handelskammer haben ausführliche Stellungnahmen gegen den geplanten LNG-Ausbau vor Rügen beim zuständigen Bergamt Stralsund eingereicht. Die Kritik ist vielfältig und reicht von Umweltschutz bis zu bürokratischen und juristischen Problemen. Dabei kommen auch ganz neue Fragen auf.

Mit einer jährlichen Kapazität von 38 Milliarden Kubikmetern Gas wäre das geplante Flüssiggasterminal das größte Europas. Betroffene Bürgerinnen konnten bis zum 6. März Einwände gegen das Großprojekt einreichen. Träger öffentlicher Belange, wie die Industrie- und Handelskammer, und Naturschutzvereinigungen, wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH), haben noch bis Ende dieser Woche die Gelegenheit dazu.

Die DUH hält sowohl den Bau der Pipeline durch den Greifswalder Bodden als auch die Errichtung eines Offshore-Terminals vor Rügen für unzulässig. Bereits öffentlich diskutiert wurden Einwendungen wegen der unmittelbaren Nähe zu Naturschutzgebieten, Laichgründen und Vogelschutzgebieten. Auch die zu erwartende Beeinträchtigung der Tourismuswirtschaft in der Region, die im Landesraumentwicklungsprogramm eigentlich mit besonderem Gewicht ausgestattet ist, wurde deutlich von Bürgerinnen und Tourismusverbänden angesprochen. DUH und Industrie- und Handelskammer (IHK) tragen jetzt aber noch weitere Einwände vor.

Unvollständige Antragsunterlagen

Die öffentliche Auslegung der Unterlagen zur Planfeststellung sei nicht vollständig gewesen, kritisiert die Umwelthilfe. So fehlten etwa Informationen darüber, wann die geplante Pipeline errichtet und in Betrieb gehen soll oder ob und wenn ja, ab wann ein Betrieb mit grünem Wasserstoff oder Ammoniak verbindlich vorgesehen ist.

Ebenso sei eine konkrete Bedarfsprüfung für das geplante LNG-Terminal vor Rügen nicht vorhanden gewesen. Auswirkungen auf Klimaziele und Umwelt seien bisher nicht geprüft worden. Mögliche Störfälle sowohl an der Anlage als auch auf Transportwegen sowie Havariegutachten: unberücksichtigt. Die beschränkt verfügbaren Informationen machen ein zulässiges Planfeststellungsverfahren des Vorhabens unmöglich, urteilt die DUH in ihrer Stellungnahme.

Auch die IHK kritisiert den Ablauf des Planfeststellungsverfahrens. Die Aufteilung in drei Verfahrensabschnitte (die landseitigen Anlagen bei Lubmin, die Anbindungsleitung durch den Greifswalder Bodden bis vor die Küste Rügens, die Offshore-Terminals) erscheine nicht zweckmäßig. Durch den Bau der Pipeline würde der Standort des Offshore-Terminals für die anlegenden Spezialschiffe bereits jetzt festgelegt, nämlich dort, wo die Pipeline vor Rügen endet. Doch für diesen Standort gibt es aufgrund der Verfahrensteilung weder Gutachten noch Pläne für Bauvorhaben. Aus Sicht der Kammer kann das Vorhaben zum gegenwärtigen Zeitpunkt so nicht vollständig bewertet werden.

LNG-Beschleunigungsgesetz eigentlich nicht anwendbar

Besonders fragwürdig: Für das Projekt soll das LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) angewendet werden. Das sei jedoch nach Einschätzung der Umwelthilfe beim geplanten Bau vor der Küste Rügens nicht rechtens, weil der Standort nicht im Gesetz enthalten ist. Auch die novellierte Fassung des LNGG aus dem Herbst 2022 genehmigt lediglich ein weiteres FSRU-Schiff am Standort Lubmin.

Und dieser ist nicht der Standort „vor Binz/Sellin“ im Küstenmeer vor Rügen, heißt es in der DUH-Einwendung. Der Gesetzestext sei eindeutig. Sämtliche Regelungen, die im LNGG festgelegt sind, würden somit nicht beim geplanten LNG-Ausbau vor Rügen greifen, urteilt die Umwelthilfe.

„Sowohl die Landesregierung als auch das Bundeswirtschaftsministerium haben eingeräumt, dass für das Projekt das LNG-Beschleunigungsgesetz zunächst noch geändert werden muss“, erklärt Constantin Zerger von der DUH. Trotzdem arbeitet das Bergamt Stralsund als zuständige Behörde bereits damit. Hier werde für eine Gaspipeline wieder einmal der rote Teppich ausgerollt, so Zerger. Auch der Verzicht auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung, den das LNGG erlaubt, sei vor Rügen nach Einschätzung der Umwelthilfe nicht zulässig und ein schwerer Verfahrensfehler.

Profitiert Gazprom vom LNG-Ausbau?

Im Hafen von Mukran auf Rügen lagern noch immer rund 5.000 Röhren, die ursprünglich für den Bau von Nord Stream 2 vorgesehen waren. Diese Röhren sollen zumindest teilweise zum Ausbau der geplanten LNG-Pipeline genutzt werden. Dabei seien sie noch Eigentum der Nord Stream 2 AG, die ein Tochterunternehmen des russischen Staatskonzern Gazprom ist, heißt es in der Stellungnahme der DUH.

Könne ausgeschlossen werden, dass Gazprom vom aktuellen LNG-Ausbau vor Rügen finanziell profitiere, fragt die DUH, obwohl sich Deutschland bemühe, schnellstmöglich unabhängig von Russland zu werden?

Wirtschaftsministerium hält sich vorerst bedeckt

Einwände, wie sie von der Deutschen Umwelthilfe und der IHK zu Rostock vorgetragen werden, gibt es viele. Ob sie Gewicht haben, entscheidet das Wirtschaftsministerium. Bisher hält es sich zurück. Auf Anfrage von KATAPULT MV zu den bisher publik gemachten Einwänden verweist eine Sprecherin auf das derzeit noch laufende Beteiligungsverfahren und bittet um Verständnis, dass das Wirtschaftsministerium MV „keine einzelnen Einwendungen kommentieren“ wolle. Über die Einwendungen werde abschließend in einem möglichen Planfeststellungsbeschluss entschieden. Ein Termin sei dafür noch nicht gewählt.

Auf einer Kabinettsklausur am 14. März in Anklam machte Ministerpräsidentin Schwesig allerdings deutlich, dass die Pläne des Bundes nicht zu MV, Tourismus und Natur passen. Vier der sechs Landtagsfraktionen fordern außerdem einen alternativen Standort.

Hinweis: Noch bis zum 4. April 2023 kann eine Bundestagspetition online unterzeichnet werden, die verhindern soll, dass Rügen als Standort in das LNG-Beschleunigungsgesetz aufgenommen und das geplante LNG-Terminal als priorisiertes Projekt eingestuft wird.

Erreicht die Petition 50.000 und mehr Unterschriften, muss sich der Bundestag damit auseinandersetzen.

Quellen

  1. Deutsche Umwelthilfe (Hg.): Einwendung gegen geplante Pipeline für das LNG-Terminal vor Rügen: Mecklenburg-Vorpommern droht sein ökologisches Tafelsilber zu zerstören, S. 8 (7.3.2023).
  2. Autor verwendet generisches Femininum.
  3. Deutsche Umwelthilfe, S. 4.
  4. Ebd., S. 4-5.
  5. IHK zu Rostock (Hg.): Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb der LNG-Anbindungsleitung „Ostsee-Anbindungs-Leitung“ (OAL) für den Seeabschnitt, S. 3 (3.3.2023).
  6. Deutsche Umwelthilfe, S. 15-16.
  7. Ebd., S. 3.
  8. E-Mail von Wiebke Wolf, stellvertretende Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Ministerium für Wirtschaft MV vom 9.3.2023.
  9. NDR (Hg.): Schwesig lehnt Pläne für LNG-Terminal des Bundes vor Rügen ab, auf: ndr.de (14.3.2023).

Autor:innen

  • Freier Redakteur

    Ist KATAPULT MVs Inselprofi und nicht nur deshalb gern am Wasser. Nutzt in seinen Texten generisches Femininum.

  • Bild von Patrick Hinz, Chefredakteuer Katapult MV

    Chefredakteur

    Geboren in Vorpommern, aufgewachsen in Mecklenburg. Einziger KATAPULT-Redakteur mit Traktorführerschein UND Fischereierlaubnis.