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Demokratische Werte

Verfassungsschutz oder soll man es lassen?

Von und

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Weil er die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall einstuft, nennt Holm den Verfassungsschutz „eine politische Behörde, die von der Regierung instrumentalisiert wird, um die lästige Opposition zu bekämpfen“.

Was Holm an dieser Stelle verschweigt, sind die Äußerungen im AfD-Programm und die Handlungen der eigenen Parteifreunde, die erst dazu führten, dass der Verfassungsschutz die AfD beobachtete und am Ende zu einer entsprechenden Bewertung kam.

Die AfD hat sich „seit ihrer Gründung 2013 fortlaufend radikalisiert und zu einer rechtsextremen Partei entwickelt, die das Ziel verfolgt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen“. Diese Einschätzung stammt nicht vom Verfassungsschutz, sondern aus der aktuellen Studie Warum die AfD verboten werden könnte des Deutschen Instituts für Menschenrechte.

Das Problem mit der Programmatik

Darin heißt es, dass der Programmatik der AfD ein „national-völkisch verstandener Volksbegriff“ zugrunde liege, der Menschen nach rassistischen Kategorien in ihrer Wertigkeit unterscheide und damit vom Volksbegriff des Grundgesetzes abweiche und mit Artikel 1 Absatz 1 GG nicht vereinbar sei. Dabei verfolge die Partei das „Ziel einer Einheit von Staat und Volk nach ihren national-völkischen Vorstellungen.

Im Grundsatzprogramm der AfD heißt es: „Die Ideologie des Multikulturalismus betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit“. Indem die AfD die Nation (und damit das deutsche Volk) als „kulturelle Einheit“ begreift, nimmt sie eine Hierarchisierung von Menschen vor, urteilt Hendrik Cremer, Autor der Studie. Die Partei rede in ihrem Programm gesellschaftliche Spaltung herbei und zeichne ein Bedrohungsszenario, in dem die AfD als rettende Kraft dafür sorge, dass Deutschland seine „tradierte Kultur“ nicht verliere.

Rechtsextrem und völkisch auffällig

Nicht nur das Parteiprogramm, sondern auch führende Parteimitglieder fallen mit Äußerungen auf, die rechtsextremes und völkisches Gedankengut enthalten. Bundes- und Fraktionsvorsitzender Tino Chrupalla (spricht 2018 von „Umvolkung“) und AfD-Ehrenvorsitzender Alexander Gauland (spricht 2017 vom „Bevölkerungsaustausch“) nutzen rechtsextreme Kampfbegriffe, die typischer und zentraler Bestandteil der Propaganda rechtsextremer Akteure sind.

Gauland fordert in einer Rede im September 2017, „stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“.

AfD-Mitglied und fraktionsloser Bundestagsabgeordneter Matthias Helferich äußerte in Chats, dass er sich in seiner politischen Tätigkeit am Nationalsozialismus orientiere. Außerdem verwies er auf persönliche Kontakte zur gewalttätigen nationalsozialistischen Szene in Dortmund-Dorstfeld und erklärte, dass er sich nur zur Tarnung und aus strategischen Gründen eine bürgerliche Fassade gebe.

Der AfD-Bundestagabgeordnete Stefan Keuter teilte auf Whatsapp Fotos von Adolf Hitler mit erhobenem Arm, einem in Schwarz-Rot mit Hakenkreuz gekachelten Badezimmer sowie einem Soldaten mit Stahlhelm am Maschinengewehr, versehen mit der Aufschrift: „Das schnellste deutsche Asylverfahren, lehnt bis zu 1.400 Anträge in der Minute ab!

Holm sitzt zusammen mit Chrupalla, Gauland, Helferich und Keuter im Bundestag. Mit Chrupalla, Gauland und Keuter ist er in einer Fraktion. Es ist unwahrscheinlich, dass er das Verhalten seiner Parteifreunde nicht wahrnimmt. Schlimm sind für ihn offenbar nicht die Äußerungen und Handlungen, sondern dass sie als rechtsextrem enttarnt werden.

Die Rolle des Verfassungsschutzes

Mit der wiederkehrenden Behauptung, der Verfassungsschutz sei eine politische Behörde, versuche die AfD, den Geheimdienst zu diskreditieren, erklärt die Initiative gegen Rechtsextremismus Endstation Rechts. Dabei könne die Partei jederzeit Rechtsmittel gegen die Einstufungen des Verfassungsschutzes einlegen. Dann laufe sie jedoch Gefahr, vor Gericht zu unterliegen und sich nicht mehr als Opfer inszenieren zu können.

Im Bundesverfassungsschutzgesetz sind in § 3 die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden definiert. Darin heißt es, dass die Behörden in Bund und Ländern vor allem sach- und personenbezogenen Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen sammeln und auswerten, wenn die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet ist. Der Verfassungsschutz wird aber auch aktiv, wenn gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen wird, wie er im Grundgesetz verankert ist (Artikel 9 Abs. 2 und Artikel 26 Abs. 1).

Zentrale Werte sind dabei die Würde des Menschen sowie die Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Kontrolliert wird der Verfassungsschutz unter anderem vom Parlamentarischen Kontrollgremium, dem aktuell 13 gewählte Bundestagsmitglieder aus Regierungs- und Oppositionsparteien angehören.

Im demokratischen Diskurs sind auch radikale Ansichten als Ausdruck einer persönlichen Meinung legitim. Als Meinungsfreiheit und Ausdruck politischer Teilhabe sind sie durch die freiheitliche demokratische Grundordnung geschützt. Relevant für den Verfassungsschutz werden Äußerungen, wenn sie darauf hinauslaufen, das staatliche Grundgefüge zu beeinträchtigen. So kann der Verfassungsschutz bereits dann tätig werden, wenn die Polizei noch nicht zuständig ist.

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Autor:innen

Geboren in Vorpommern, aufgewachsen in Mecklenburg. Einziger KATAPULT-Redakteur mit Traktorführerschein UND Fischereierlaubnis. Layouter und Chefredakteur.

ist KATAPULT MVs Inselprofi und nicht nur deshalb gern am Wasser. Nutzt in seinen Texten generisches Femininum.

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