Nachrichten zum Anzeigenblatt Blitz haben die KATAPULT-MV-Redaktion schon mehrfach erreicht. So wunderte sich im Dezember ein Leser über dessen Titelseite, die gleich drei Anzeigen der AfD enthielt: „Gilt das schon als Wahlbeeinflussung? Mir ist schon klar, dass das bezahlte Werbung ist, aber dreimal auf der Titelseite???“
Zunächst sind Printmedien bei der Wahl ihrer Anzeigenkunden frei. „Die Presse ist im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesetzlich nicht zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet“, schreibt der wissenschaftliche Dienst des Bundestages.1 Da in den Landespressegesetzen keine Verbote verankert sind, sind politische Werbeanzeigen von Parteien grundsätzlich erlaubt. Verleger:innen sind presserechtlich auch nicht zur Beachtung der Chancengleichheit der Parteien verpflichtet.2
Abgesehen vom gesetzlichen Rahmen gibt es zudem den Pressekodex – einen Leitfaden des Deutschen Presserats –, zu dessen Einhaltung sich Herausgeber:innen freiwillig verpflichten können. Die meisten deutschen Verlage bekennen sich zu ihm. Ziffer 1.2 behandelt die Wahlberichterstattung: „Zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit gehört, dass die Presse in der Wahlkampfberichterstattung auch über Auffassungen berichtet, die sie selbst nicht teilt.“3 Dies bezieht sich aber auf die redaktionelle Arbeit, nicht auf bezahlte Anzeigen.
Verlage müssen keine Wahlwerbung schalten
Unabhängig von rechtlichen Vorgaben treffen Medien unterschiedliche Entscheidungen, wie sie mit Parteiwerbung umgehen. So entschied sich die Frankfurter Rundschau 2022, gar keine Wahlwerbung der AfD zu drucken.4 Der Axel-Springer-Verlag nimmt weder Wahlwerbung der AfD noch der Linken an5 und die Taz stritt schon 2014 intern über eine AfD-Anzeige.6
Der Mecklenburger Blitzverlag hat sich offensichtlich dazu entschieden, Werbung aller Parteien abzudrucken. Eine Anfrage dazu, wie der Prozess beim Schalten von Anzeigen abläuft, wonach entschieden wird, wo die Anzeigen im Blatt platziert werden und ob es interne Regeln für parteipolitische Werbung gibt, ließ der Verlag unbeantwortet.
In einer Antwort an einen Blitz-Leser, die KATAPULT MV vorliegt, beruft sich Verlagskoordinator Marco Nützmann darauf, dass der Blitzverlag „unabhängig und überparteilich“ sei. Man biete seine Leistungen allen an, „die nicht gegen die guten Sitten oder geltendes Recht verstoßen“. Nützmann schreibt weiter: „Der Gleichheitsgrundsatz gebietet es uns, erst recht vor Wahlen, politische Inhalte nicht zu zensieren.“ Pressegesetz und Pressekodex beinhalten jedoch für Printmedien keinen solchen Grundsatz. Der Blitz-Koordinator meint, seine Leser:innen könnten sich ihre Meinung selbst bilden, und er wolle nicht anfangen, „Meinungen (…) zu selektieren“.
SPD und AfD warben am meisten
Eine Analyse der Blitz-Ausgaben (im E-Paper-Format) von KATAPULT MV von Anfang des Jahres bis zum 23. Februar – dem Wahlsonntag – zeigt, dass mehrere Anzeigen der gleichen Partei in einer Ausgabe oder auf einer Seite, auch der Titelseite, keine Seltenheit sind. Das Maximum an Werbung der gleichen Partei findet sich in der Ausgabe des Schweriner Blitzes vom 16. Februar: vier Anzeigen der SPD, eine davon ganzseitig.
Insgesamt zwölf Mal wurden in verschiedenen Lokalausgaben drei Anzeigen der gleichen Partei abgedruckt – siebenmal von der SPD, fünfmal von der AfD. Auf die beiden Parteien entfällt auch der Hauptanteil von Parteiwerbung im Blitz im Untersuchungszeitraum: Die SPD schaltete insgesamt 149 Anzeigen, die AfD 128. Darauf folgt mit großem Abstand die Linke mit 35 Anzeigen. Ebenfalls in geringerem Umfang vertreten sind die Grünen, die CDU, das BSW, die FDP und die Freien Wähler.
Dabei fällt eine relativ deutliche lokale Verteilung auf: In den Blitz-Ausgaben Grevesmühlen, Wismar, Schwerin, Mecklenburg, Parchim, Bad Doberan, Müritz, Demmin, Vier-Tore (Neubrandenburg) und Mecklenburg-Strelitz dominieren die Anzeigen der SPD. In Ludwigslust, Rügen, Bodden, Stralsund, Vorpommern, Greifswald, Peene und Uecker-Randow die der AfD. In der ungleichen lokalen Verteilung könnten sich unterschiedliche Wahlkampfstrategien der Parteien zeigen.
Wie viel Geld der Blitzverlag mit dieser Werbung eingenommen hat, lässt sich nur schwer einschätzen. Den einzigen Einblick in Anzeigenpreise findet man auf dem Portal jetztwerben.de. Über die Plattform können Anzeigen im Blitz erstellt werden. Dort werden allerdings nicht alle Formate angeboten, in denen Wahlwerbung im Blitz erschienen ist. Außerdem ist unklar, ob unterschiedliche Positionen im Blatt unterschiedlich viel kosten. Mit Blick auf die Menge der Anzeigen – bei der SPD viele große Formate und 19 ganzseitige Anzeigen – und einem Preis von 259,80 Euro für die kleinste sowie 3.995,80 Euro für eine halbseitige Anzeige wird klar, dass Einnahmen durch Wahlwerbung durchaus bedeutsam für den Blitz sind.

Kommentar von Leonie Wiegel: Warum fehlende Haltung keine Neutralität ist
„Unabhängigkeit und Überparteilichkeit“, „Neutralität und Objektivität“ – das sind wichtige Grundsätze von seriösem Journalismus. Allzu oft machen es sich aber Publizierende mit dem Verweis auf ihre Neutralität zu einfach. Reine Objektivität ist eine Illusion für den Menschen, der nun mal nur aus seiner eigenen Perspektive auf die Welt blicken kann. Trotzdem gibt es eine Wahrheit, der wir uns so gut wie möglich annähern können.
Wenn Publizierende entscheiden, wem und welchen Aussagen sie welche Plattform bieten, können sie sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Wer sich zu keiner Haltung bekennt, wird sich wohl oder übel in einer wiederfinden.
Denn jede Entscheidung darüber, was gedruckt wird und was nicht, ist eine Aussage darüber, wie man die Wirklichkeit sieht. Beispielsweise darüber, was man unter „guten Sitten“ versteht. Wer die AfD bei Werbeanzeigen wie jede andere Partei behandelt, sagt damit aus, dass sie ist wie jede andere – auch, wenn sie als einzige in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Wer drei Werbeanzeigen der gleichen Partei auf eine Seite druckt, bildet damit vor allem einen Teil der Wirklichkeit ab: wie viel Geld diese Partei für ihren Wahlkampf in die Hand genommen hat. Das ist auch eine Aussage, aber sie hat reichlich wenig mit einem vermeintlichen „Gleichheitsgrundsatz“ zu tun. Wer seine Anzeigenplätze rein nach dem Motto „First come, first served“ verteilt, kann das gerne mit seinem Finanzierungsmodell begründen. Mit dem Verweis auf „Überparteilichkeit“ macht er sich jedoch unglaubwürdig.
- Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (Hg.): Parteienwerbung in privaten Medien, S. 6, auf: bundestag.de (5.7.2019). ↩︎
- Ukrow, Jörg: Die Schnittstellen von Wahl- und Medienrecht im digitalen Wandel, in: Impulse aus dem EMR, S. 12, auf: emr-sb.de (2019). ↩︎
- Deutscher Presserat (Hg.): Pressekodex, auf: presserat.de. ↩︎
- Niemeier, Timo: „Frankfurter Rundschau“ will keine Anzeigen der AfD drucken, auf: dwdl.de (28.1.2022). ↩︎
- Von Eisenhart Rothe, Yannick: Die Linke darf bei Axel Springer trinken, aber nicht werben, auf: uebermedien.de (23.9.2017). ↩︎
- Zeit Online (Hg.): „taz“-Redaktion zerstreitet sich über AfD-Anzeige, auf: zeit.de (20.5.2014). ↩︎