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Streit um Bürgermeistervize in Klein Bünzow

Wie ein Rechtsextremer die Lücken im System offenbart

Alexander Wendt ist Mitglied im rechtsextremen „Kameradschaftsbund Anklam“, listete auf seinem Handwerkerportal unter anderem den Jameler Neonazi Sven Krüger und veranstaltete Neonazi-Konzerte in einer Scheune auf seinem Firmengelände in Salchow. Nachdem er 2024 aufgrund fehlender Verfassungstreue nicht zur Bürgermeisterwahl in Klein Bünzow antreten durfte, wählte ihn die dortige Gemeindevertretung dennoch zum stellvertretenden Bürgermeister. Dies war nicht nur der Startschuss zu einer Auseinandersetzung mit dem Landkreis. Es zeigt auch, wie schwer es sein kann, etablierte Rechtsextreme aus öffentlichen Ämtern herauszuhalten.

Im Rahmen der Kommunalwahl 2024 hatte sich in der Gemeinde Klein Bünzow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) der rechtsextreme Alexander Wendt nicht nur für die Partei Die Heimat (ehemals NPD) zur Wahl der Gemeindevertretung aufstellen lassen. Er wollte sich auch als Einzelkandidat um das Bürgermeisteramt bewerben. Weil gegen seine Kandidatur erfolgreich Beschwerde eingelegt wurde – der Verfassungsschutz stufte Wendt als nicht verfassungstreu ein –, durfte er nicht antreten.1 Zum fünften Mal2 in die Gemeindevertretung geschafft hat er es dennoch.3

Gemeindevertretung will Wendt als Stellvertreter

Wendts Einstufung durch den Verfassungsschutz hinderte die Gemeindevertretung nicht daran, ihn in ihrer konstituierenden Sitzung Mitte Juli 2024 zum stellvertretenden Bürgermeister zu wählen. Ein Umstand, der im Landkreis nicht gut ankam.4 Denn auch stellvertretende Bürgermeister:innen, so erklärt es das Innenministerium, müssen „jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ eintreten. Diese Voraussetzung erfülle Wendt nicht und somit sei auch seine „Ernennung zum Ehrenbeamten nicht zulässig“.5

So schaltete sich nach Prüfung und der Möglichkeit einer schriftlichen Anhörung der Gemeindevertretung – die diese nicht nutzte6 – die untere Rechtsaufsichtsbehörde des Landkreises ein und beanstandete die Wahl Wendts ins Stellvertreteramt. Dabei wurde die Gemeinde nach Kreisinformationen aufgefordert, „den Beschluss binnen angemessener Frist aufzuheben“. Sollte sie dem nicht Folge leisten, werde man den Beschluss für sie aufheben.7

Die Gemeinde habe sich entschieden, den Schritt nicht rückgängig zu machen, teilt Klein Bünzows Bürgermeister Christian Siegert (CDU) auf Nachfrage mit.8 Denn für Wendts Abberufung als erster Stellvertreter hatten in der Sitzung Ende August nur zwei von acht Gemeindevertretern gestimmt.9
Da die Gemeindevertretung der Aufforderung des Landkreises nicht nachkam, wie ein Sprecher des Kreises bestätigte, sei die untere Rechtsaufsichtsbehörde tätig geworden und habe den Beschluss aufgehoben. Das wiederum wollte die Gemeindevertretung nicht hinnehmen. Wie Bürgermeister Siegert schreibt, stimmten die Mitglieder dafür, dem Bescheid der Rechtsaufsichtsbehörde zu widersprechen. Die Entscheidung fiel, so weist es das entsprechende Sitzungsprotokoll aus, einstimmig.10

Gemeinde kann noch klagen

Mittlerweile hat der Landkreis den Widerspruch der Gemeinde zurückgewiesen. Der entsprechende Bescheid sei bereits zugestellt worden, teilte ein Sprecher Mitte vergangener Woche mit.11 Über die Ablehnung seien die Gemeindevertreter informiert worden, bestätigt auch Bürgermeister Siegert. Für eine Klage habe sich bisher noch kein Mitglied ausgesprochen, heißt es weiter. Diese Möglichkeit stehe der Gemeinde offen, so der Landkreis.

Mit dem ersten Einschreiten der Rechtsaufsichtsbehörde ordnete diese zudem eine „sofortige Vollziehung“ an, wie das Innenministerium informiert. So wird nicht nur verhindert, dass Wendt bis zu einer endgültigen Entscheidung das Amt bekleiden kann. Auch die finanzielle Entschädigung, die mit dem Stellvertreterposten einhergeht, ist erst einmal ausgesetzt. Damit soll sichergestellt werden, „dass die Gemeinde nicht rechtliche oder finanzielle Risiken eingeht“ – zum Beispiel durch eigentlich „ungültige Amtshandlungen“. Auch dagegen könnte die Gemeinde nach Angaben des Kreises gerichtlich vorgehen.12

Weiterlesen:

  1. Amt Züssow (Hg.): Berichtigung der Wahlbekanntmachung – Wahlvorschläge für die Bürgermeisterwahlen am 09.06.2024, auf: amt-zuessow.de (2.5.2024) / Nordkurier (Hg.): Beschwerde gegen Bürgermeisterkandidat: Verfassungsschutz eingeschaltet, auf: nordkurier.de (26.4.2024). ↩︎
  2. Amt Züssow (Hg.): Sitzungsteilnehmer – Alexander Wendt, auf: sitzungsdienst-zuessow.de. ↩︎
  3. Amt Züssow (Hg.): Gemeindevertretungswahl Klein Bünzow, auf: votemanager.kdo.de (14.6.2024). ↩︎
  4. Nordkurier (Hg.): Kandidat von rechtsextremer Partei jetzt stellvertretender Bürgermeister?, auf: nordkurier.de (17.7.2024). ↩︎
  5. E-Mail des Ministeriums für Inneres, Bau und Digitalisierung MV vom 8.1.2025. ↩︎
  6. Telefonat mit der Pressestelle des Landkreises Vorpommern-Greifswald am 8.1.2025. ↩︎
  7. E-Mail der Pressestelle des Landkreises Vorpommern-Greifswald vom 6.1.2025. ↩︎
  8. E-Mail von Christian Siegert vom 23.1.2025. ↩︎
  9. Amt Züssow (Hg.): Auszug – Abberufung des ersten stellvertretenden Bürgermeisters nach § 32 Absatz 3 Kommunalverfassung MV, auf: amt-zuessow.de. ↩︎
  10. Amt Züssow (Hg.): Genehmigung der Entscheidungen des Bürgermeisters über die Widersprüche vom 24.09.2024 und 24.10.2024, auf: amt-zuessow.de. ↩︎
  11. E-Mail der Pressestelle des Landkreises Vorpommern-Greifswald vom 22.1.2025. ↩︎
  12. E-Mail der Pressestelle des Landkreises Vorpommern-Greifswald vom 8.1.2025. ↩︎

Autor:in

  • Katapult MV

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