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Spaß mit Wappen

Wie Meck zu seinen Stieren kam

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Lesedauer: ca. 8 Minuten

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Hornstorf ist die jüngste Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern, die sich mit einem neuen Wappen schmücken kann: Was auf den ersten Blick wie eine Brücke und ein Mandala aussieht, hat weitaus mehr Tiefgang. Und noch viel längere Diskussionen darüber hinter sich, als man nach einem flüchtigen Eindruck glauben könnte. Im sogenannten Wappenbrief heißt es: „Geteilt; oben in Rot ein goldenes, beidseitig zweigestuftes Torportal mit halbrundem Bogen von einem überstehenden Walmdach bekrönt; unten in Gold ein kreisrundes silbernes Kirchenfenster in Form einer elfteiligen gotischen Rosette mit roten Stegen, in der Kreismitte ein Wolkenkreuz ausgebrochen.“

Ein solcher Wappenbrief liegt jedem Wappen bei und wird in der sogenannten Wappenrolle des Landesarchivs in Schwerin archiviert. Damit muss es für jeden möglich sein, sich das Wappen ganz ohne Abbildung vorstellen zu können.

Warum? Ganz einfach. Damit es nicht verwechselt werden kann, erklärt Martin Schoebel, der Leiter des Landesarchivs. Seit rund acht Jahren ist er als entscheidende Instanz dafür verantwortlich, was auf die Wappen hierzulande kommt. Dabei beruft er sich auf die geltenden Regeln der Heraldik.

Der lange Weg zum Hoheitszeichen

Die Heraldik, also die Wappenkunde, hat ihren Ursprung im 12. Jahrhundert und sollte einst gewährleisten, in der Schlacht nicht den Überblick zu verlieren. Heute dienen die Hoheitszeichen auch als Werbung für die jeweilige Region, mit einem gewissen traditionellen Flair. Dabei gibt es bei der Entwicklung neuer Wappen eine Reihe strenger insbesondere grafischer Regeln, die sich über die Jahrhunderte immer weiter entwickelt haben. Sie gelten sogar weltweit. Unter anderem geben sie vor, wie Farben angeordnet sein dürfen. So sind für die Felder eines Wappens nur die Farben Blau, Grün, Rot und Schwarz sowie die Metalle Silber und Gold – dargestellt als Weiß und Gelb – verwendbar. Zusätzliche Vorgabe: Keine Farbe darf neben einer anderen stehen, ebenso keine Metalle nebeneinander.

Natürlich gibt es Ausnahmen, verrät Schoebel, die bestätigen ja schließlich die Regeln. Besonders auffällig ist das bei den Farben und gilt sowohl für Wappen als auch Flaggen, die den gleichen Farbregeln der Heraldik folgen. Schwarz kann zum Beispiel auch neben Farben stehen, wie bei der Deutschlandflagge. Dort grenzt Schwarz direkt an Rot. Anderes Beispiel: Die Flagge des Vatikan ist weltweit die einzige, auf der Gold neben Silber (also Gelb und Weiß) dargestellt werden darf. Eine der unumstößlichen Regeln der Heraldik aber ist, dass die dargestellten Symbole leicht erkennbar sein sollen.

Solch ein Hoheitszeichen muss vom Innenministerium genehmigt werden. Nachdem eine Gemeinde einen Entwurf entwickelt hat, leitet der jeweilige Landkreis ein Prüfverfahren ein. Zur inhaltlichen Begutachtung geht der Entwurf ans Landesarchiv auf den Tisch von Martin Schoebel. Er prüft, ob der Entwurf gut erkennbar ist, historisch korrekte Inhalte dargestellt sind und er nicht mit anderen Wappen verwechselt werden kann. Die offizielle Genehmigung erfolgt nach diesen Prüfungen schließlich durch das Innenministerium.

Dann kann die Gemeinde ihr Wappen unter anderem im Briefkopf und auf Amtsschildern führen. Vom Antrag bis zum fertigen Wappen kann schon mal bis zu ein Jahr vergehen, sagt Schoebel. Aber das Interesse scheint weiterhin gegeben zu sein. Jährlich beantragen fünf bis acht Gemeinden in MV ein neues Wappen.

Besonders viele wurden zuletzt in den Neunzigerjahren entworfen, als sich viele Gebiete neu sortiert und zusammengeschlossen haben. Das Wappenregister, die sogenannte Wappenrolle, bleibe aber vorerst weiter analog. Die ist übrigens gar keine Rolle, verrät Schoebel, sondern ein einfacher Aktenschrank. Die Bezeichnung aber halte den historischen Charme aufrecht.

Ein Horn für Hornstorf?

Für die Ideen, was auf die Wappen kommt, sind die Gemeinden selbst zuständig. Besonders beliebt sind regional passende Symbole, aber auch Metaphern oder Sagenfiguren. Dabei kann aber schnell so einiges schiefgehen, erzählt Schoebel. Für die Gemeinde Hornstorf etwa war in einem ersten Entwurf ein Horn auf dem Wappen zu sehen. Recherchen haben dann aber schnell ergeben, dass der Ortsname gar nichts mit einem Horn zu tun hat. So musste ein neuer Entwurf her, der mehr in die Geschichte der Gemeinde eintaucht: Man entschied sich, das Friedhofsportal von Hornstorf auf dem Wappen abzubilden. Der Adelsfriedhof hat ein Mausoleum, das „in Form, Größe und Architektur einmalig in der Region“ sei, wie Bürgermeister Andreas Treumann (parteilos) sagt. Die vier Stützstufen am Tor symbolisieren die Dörfer der Gemeinde – Hornstorf, Rohlstorf, Kritzow und Rüggow. Die zweite Darstellung auf dem Wappen zeigt die Rosette des Fensters der Hornstorfer Dorfkirche.

Details oder gar Orte mit weitaus merkwürdigeren Ideen für Wappen möchte Schoebel nicht nennen. Aber er resümiert, dass viele Gemeinden ihre ersten Entwürfe sehr überladen. Möglichst alle geschichtlichen Besonderheiten der Region auf ein Wappen zu packen, sei unklug. Es entspräche einfach nicht den Regeln der Heraldik und sei für den Betrachtenden zudem nur verwirrend. Man sollte es als Laie auch nicht im Alleingang versuchen, regt er an. Das führe nur zu Mehrausgaben für die Gemeindekasse. Denn so ein Antrag auf ein Wappen kostet.

Deswegen ziehen die meisten Gemeinden Spezialist:innen heran: Ein halbes Dutzend Heraldiker:innen gibt es deutschlandweit noch. Sie entwerfen Wappen auf der Grundlage der örtlichen Geschichte. Kosten für fünf bis sechs Entwürfe: zwei- bis dreitausend Euro oder mehr.

Kein Stier für alle

Dafür laufe eine Gemeinde aber nicht Gefahr, immer wieder neue Anträge mit neuen Entwürfen stellen zu müssen, so Schoebel. Beim Mecklenburger Stier zum Beispiel kann man eine Menge falsch machen: Stier mit herausgeschlagener Zunge, Stier mit geschlossenem Maul, Stier mit ausgerissenem Fell am Hals, Stier mit Nasenring, schräg dargestellter Stier oder mit schwarzen oder silbernen Hörnern – alle stehen sie für eine bestimmte Region, ausgehend von den ehemaligen vier Adelssträngen der Mecklenburger Herzöge. Ursprünglich hatten die übrigens auch mal einen Greifen als Hoheitszeichen. Der wurde aber schon 1219 vom Stier verdrängt,4 um vor allem Stärke und Stolz zu repräsentieren. Welche Region genau welchen Stierkopf nutzt, hängt von der Geschichte des Ortes und der genauen Begründung der Wappenwahl ab, da sich über die Jahrhunderte mehrfach die territorialen Grenzen verändert haben.

Während der Stier noch heute häufig für Wappen aus Meck genutzt wird, sind andere Symbole gar nicht mehr möglich. Zum Beispiel Ähren, sagt Schoebel. In den Achtzigerjahren sei das Motiv so beliebt gewesen, um die Landwirtschaft darzustellen, dass zunehmend Verwechslungsgefahr bestand.

Ähnlich beliebte, aber noch verwendbare Symbole in MV: Kranich, Mühle und Fisch. Aber bei Letzterem stößt man auch relativ schnell an Grenzen, denn die Darstellungen von Fischen auf Wappen beschränken sich auf Fisch im Allgemeinen, Hecht und Aal. Spezielle Arten, wie etwa einen Goldfisch oder eine Sardine auf ein Wappen zu bringen, ist nicht möglich, musste Schoebel auch schon ablehnen. Der Hecht aber habe eine so spezielle Form, dass diese Art deutlich zu unterscheiden sei.

Manche Wappen fallen durch ungewöhnliche Abbildungen auf. Beispielsweise das Wappen von Garz auf Usedom. Darauf ist unter anderem eine Frauenfigur zu sehen. Warum, muss auch Schoebel einmal nachlesen. Bei 380 Gemeindewappen absolut verständlich. Und siehe da: Die Frau stellt die Sage von der Goldprinzessin dar, einer verwunschenen Königstochter, die im Berg ihre Schätze hüten soll. Solange die Einfachheit auf dem Wappen erhalten bleibe, sei auch so etwas Abstraktes möglich, sagt der Landesarchivar.

Ihm selbst seien aber die Wappen am liebsten, die klar erkennbar sind. Zum Beispiel das Wappen von Stolpe an der Peene oder das von Stralsund. Ein ganz neues gelungenes Beispiel sei auch die neue Flagge von Vorpommern-Greifswald, die auf dem bereits existierenden Wappen des Landkreises basiert. Auf der letzten Kreistagssitzung im Juni wurde der Entwurf angenommen und muss nun noch vom Innenministerium genehmigt werden. Dann kann sich der Landkreis mit einem neuen Hoheitszeichen schmücken. Und da sieht man schon: Neben der Heraldik gibt es noch die Vexillologie für Flaggen und die Sphragistik für Siegel. Und ja, auch dafür gibt es eigene bürokratische Prüfverfahren.

„Es ist noch Luft nach oben“

Knapp die Hälfte der 724 Gemeinden in MV hat noch keine Flagge oder ein Wappen. Denn Fakt ist auch, so Schoebel, dass sich nicht alle Gemeinden so ein Hoheitszeichen leisten möchten. Für die aber gebe es ja noch die andere Möglichkeit zur regionalen Werbung: das Logo. Ganz ohne heraldische Grundregeln.

Er ist sich aber sicher, dass Anträge auf Wappen weiter eingehen werden. Noch seien auch nicht alle landestypischen Symbole ausgeschöpft: „Da ist noch Luft nach oben.“

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Fußnoten

  1. Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung MV (Hg.): Gemeinde Hornstorf erhält eigenes Wappen und eigene Flagge, auf: presseportal.de (17.5.2022).
  2. Ebd.
  3. Ebd.
  4. Rehfeld, Claus-Stephan: Stierköpfe, Adler und goldene Krone, auf: deutschlandfunkkultur.de (1.8.2016).

Autor:innen

Redaktionsleitung bei KATAPULT MV.

Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach Meck-Vorp.

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