Zum Inhalt springen

Filmfest im Rostocker Stadthafen

Zusammen alleine durch die Pandemie

Von

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Artikel teilen

In den letzten zwei Jahren wurde ein Großteil des Lebens ins Digitale verbannt. Homeoffice, Homeschooling und Onlinelehre sind mittlerweile so normal wie das tägliche Zähneputzen. Wo es manche Tätigkeiten des Alltags erleichtert und lange Arbeits- oder Schulwege erspart, erschwert diese Veränderung soziale Kontakte. Eine ungewollte Isolation tritt ein, die den Menschen und dessen Psyche angreift.

Ella Knorz zeigt in ihrem Kurzfilm Invisible die Welt von Lea im Onlineraum. Stundenlang muss diese sich ewig lange Besprechungen anhören, die für sie selbst völlig bedeutungslos sind. Zeit, die sie gebrauchen könnte, um sich ihrem eigenen Wohlbefinden zuzuwenden. Jedes Meeting raubt gleichzeitig ihre mentale Kraft und schnell verkommt der gesunde Mensch zu einem Schatten seiner selbst. Auf beeindruckend Weise zeigt Ella Knorz die Evolution der Pandemie in etwa fünf Minuten Film. Anfangs ist das Digitale noch ein Weg, mit dem alle zurechtkommen, doch mit der Zeit verändert sich die Stimmung. Die Protagonistin wird des Formats überdrüssig und nimmt die Welt immer weniger wahr. Ein Rückzug mit Folgen. Ihr Bedürfnis nach sozialen Interaktionen kann sie nicht stillen, sie sich nur vorstellen. Ihr Kommilitone Caspar ist lediglich ein Bild auf ihrem Bildschirm, das sie für den Bruchteil des Tages in ihren Onlinekursen erleben kann. Ansonsten verbleibt sie in der Dunkelheit ihres Zimmers.

Zu Beginn erzeugt das Setting beim Zuschauer ein Gefühl des Wiedererkennens und der Vertrautheit. Im Laufe des fünfminütigen Kurzfilms greift die Dunkelheit immer mehr auf den Zuschauer selbst über. Schnell ist man gefangen im Netz des Alleinseins. Das einzige Tageslicht, das sich seinen Weg durch ein verhältnismäßig kleines Fenster bahnt, wirkt verloren und scheint Leas einziger Kontakt zur Außenwelt zu sein. Auch die Zuschauer können Leas Welt nicht durchdringen, denn ihre Welt ist gebannt hinter die Wand der typischen kleinen Kacheln von Onlinekonferenzen. Dies erzeugt Knorz durch das leicht verpixelte und vertraute Design von Onlinemeetings und das typische Überlappen der Stimmen.

Selbst innerhalb ihrer Welt ist Lea unsichtbar. Ihre Kamera ist ausgeschaltet und versetzt sie in die Rolle der Beobachterin. Ein Zustand, in dem sie die Fähigkeit hat, zu tun, was sie will – essen, herumgehen, verzweifeln und vor allem Caspar beobachten. Unsichtbarkeit ist dabei vielmehr ein Schutz. Ein Schutz vor den Blicken der anderen. Ein Schutz, der es möglich werden lässt, die Maske fallen zu lassen und den inneren Schmerz nach außen zu tragen. Ein Schutz des eigenen Selbst.

Invisible ist ein Film, in dem sich jede:r wiederfinden wird. Er ist ein Sinnbild für die Tortur, die die Menschen in den letzten Jahren auf sich nehmen mussten. Gleichzeitig fördert das dargestellte Alleinsein ein Wirgefühl. Wir sind nicht allein und tragen diese Last gemeinsam.

MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo!

Autor:innen

war Teil der filmab!-Redaktion im Rahmen des FISH-Filmfest im Rostocker Stadthafen vom 28. April bis 1. Mai 2022.

Neueste Artikel

07.12.2023

Propalästinensische Demo am jüdischen Lichterfest

Am 8. Dezember findet in Schwerin eine Demonstration unter dem Motto „Frieden in Palästina“ statt. Es ist die erste propalästinensische Demo in der Landeshauptstadt seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Zeitgleich feiert die jüdische Gemeinde das Lichterfest Chanukka.

06.12.2023

O Tannenbaum

Dieses Jahr steht in Schwerin der größte Weihnachtsbaum von MV.

05.12.2023

Städte müssen sparen – vor allem bei Jugend und Sozialem?

In den kommunalen Haushalten quietscht es derzeit an allen Ecken und Enden. Nachdem der Landkreis Vorpommern-Greifswald im Herbst eine Haushaltssperre ausrief, verhängte nun auch Schwerin eine solche für das kommende Jahr. In Greifswald musste der Haushalt noch einmal überarbeitet und erneut beschlossen werden. Für Aufregung sorgte dabei eine Liste an Kürzungen – vor allem für den Jugend- und Sozialbereich. Diese konnten nun vorerst abgewendet werden.