Maritime Wirtschaft

MV-Werften sind pleite

Die MV-Werften sind offenbar zahlungsunfähig. Am Montag hat das Unternehmen beim Schweriner Amtsgericht einen Insolvenzantrag eingereicht. Die Belegschaft wurde zuvor informiert. Wie es für die rund 1.900 Mitarbeitenden weitergehen wird, bleibt offen. Hilfen können sie vorerst nicht beantragen.

Die Pleite hatte sich vor dem Wochenende angedeutet. Am Freitag hätten die rund 2.000 Mitarbeiter:innen ihre Lohnzahlungen erhalten sollen. Doch Geschäftsführer Carsten Haake blieb nichts anderes mehr übrig, als die Belegschaft zu vertrösten. „Wir haben 30 Millionen Euro Liquiditätsbestand. Aber es gibt rechtliche Rahmenbedingungen, unter denen wir nicht in der Lage waren, die Löhne und Gehälter heute zu zahlen“, hatte der Manager nach einer Mitarbeiterversammlung gesagt.

Am vergangenen Wochenende wollten Vertreter der Werften beziehungsweise des Mutterkonzerns Genting Hong Kong weitere Gespräche mit den beteiligten Bundesministerien führen. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) soll persönlich mit Lim Kok Thai, Eigentümer und Vorstandsvorsitzender von Genting, telefoniert haben. Offensichtlich führte auch das zu keinem Ergebnis. Geschäftsführer Carsten Haake und Colin Au, der Präsident von Genting, äußerten am Sonntag ihr Unverständnis darüber, dass Land und Bund eine Baufinanzierung des riesigen Kreuzfahrtschiffes „Global 1“ abgelehnt hatten. Das rund 1,5 Milliarden Euro teure Schiff sei zu 75 Prozent fertiggestellt, die Auslieferung für September dieses Jahres geplant, so Au. Er verwies auf die rund zwei Milliarden Euro, die sein Unternehmen seit 2016 an den drei Standorten Wismar, Warnemünde und Rostock in Produktionsstätten und Schiffe investiert habe. Eine ganze Branche samt Zulieferer im In- und Ausland sei bedroht, so Au. „Die Werften jetzt fallen zu lassen, wäre der größte ökonomische Fehler, den die Bundesregierung machen könnte.“

Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) habe man alles Nötige getan, ausreichend Hilfsangebote gegeben. Da diese nicht angenommen worden seien, sei die Insolvenz nun die Folge.

Die hat das Unternehmen am Montag für die MV-Werften Rostock, Stralsund und Wismar, die Lloyd-Werft in Bremerhaven sowie weitere Tochterunternehmen des Genting-Konzerns eingereicht. Offizielle Ursache: Finanzschwierigkeiten des Eigentümers vor allem wegen der Corona-Krise.

Der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich, äußerte sich „entsetzt, dass es so weit kommen musste. Dass die Verhandlungen zu keiner Lösung geführt haben, ist ernüchternd. Das Vertrauen auf allen Seiten scheint endgültig aufgebraucht.“

Die Gewerkschaft kritisiert zudem die Kommunikation zwischen den Verhandlungspartnern: „Schuldzuweisungen helfen jetzt nicht weiter“, betonte Friedrich. „Wir erwarten, dass sich alle Beteiligten zusammenraufen und eine Lösung finden, die den Weiterbau der Global 1 ermöglicht und Perspektiven für alle Standorte schafft.“

Die größte Last tragen die Mitarbeiter:innen

Die rund 1.900 Beschäftigten seien die größten Verlierer in diesem „unsäglichen Verhandlungspoker“, sagte Friedrich weiter. „Nach Monaten der Unsicherheit und der Sorge um den Arbeitsplatz müssen sie jetzt auch noch auf ihr Geld warten.“ Problematisch sei laut dem Geschäftsführer der IG Metall Lübeck–Wismar, Henning Groskreutz, auch, dass die Mitarbeiter:innen keine Hilfen beantragen können, weil sie weiterhin offiziell in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.

Am Nachmittag hatte die Gewerkschaft ihre Mitglieder bei einer virtuellen Versammlung über die jüngsten Entwicklungen informiert. Mehrere Hundert Mitarbeiter:innen aller Standorte waren vor Ort oder zugeschaltet. Henning Groskreutz erklärte gegenüber KATAPULT MV, dass viele nach wie vor verunsichert seien, wie es weitergehe. Mit einer Insolvenz habe man hier nicht gerechnet. Ein Großteil der Belegschaft habe sich zudem gerade damit abgefunden, bei einer Umstrukturierung des Unternehmens in eine Transfergesellschaft überzugehen. Auch das sei nun wieder ungeklärt. Besonders wann die noch ausstehenden Dezemberlöhne gezahlt werden und ob und wie Urlaubsansprüche jetzt überhaupt noch gestellt werden können, waren häufige Fragen auf der Versammlung, die bis zum frühen Abend andauerte. Die Mitarbeiter:innen würden zudem auch weiterhin daran festhalten, die Global 1 noch zu Ende zu bauen. So hätte das bislang unfertige Kreuzfahrtschiff dann auch einen höheren Verkaufswert als jetzt.

Auch Zulieferfirmen seien verunsichert. Die Gefahr bestehe, dass einige von ihnen nun selbst Insolvenz beantragen müssen, da sie zu einem Großteil nur auf die MV-Werften als Auftraggeber gesetzt haben.

Besonders wichtig sei der IG Metall Küste jetzt aber erst einmal, dass es irgendwie für die Belegschaft weitergehe: Man brauche starke Insolvenzverwalter, die auf einen Erhalt von Arbeitsplätzen und Werften setzten. Wichtigste Aufgabe in Mecklenburg-Vorpommern ist es zunächst, für die Beschäftigten möglichst schnell die besagten ausstehenden Gehälter zu organisieren.

Spätestens morgen müsse das Gericht laut Groskreutz einen Insolvenzverwalter zumindest vorläufig beauftragen. Dieser werde dann voraussichtlich noch in dieser Woche die Arbeit aufnehmen.

Finanzielles Fiasko für MV

Das Land Mecklenburg-Vorpommern bürgt bereits für Darlehen im Umfang von 301 Millionen Euro. Im Worst-Case-Szenario müsste das Land nicht nur für die Genting-Kredite einstehen, sondern säße obendrein auf einem unfertigen Kreuzfahrtschiff. Ob eine andere Reederei den Megaliner nach ihren Wünschen fertigstellen lassen würde, um ihn abzukaufen, ist nicht klar. Interessenten würden sich laut Henning Groskreutz womöglich in den kommenden Wochen mit Ideen melden.

Während der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) für den Erhalt der maritimen Wirtschaft an allen Standorten unter einem neuen Eigentümer plädiert, spricht sich beispielsweise die FDP-Bundestagsfraktion bereits dafür aus, die Standorte für den Ausbau von erneuerbaren Energien umzuwidmen.

Genting klagt seit Ende Dezember auf Auszahlung des Landesdarlehens. Am 30. Dezember hatte das Landgericht Schwerin zugunsten des Landes entschieden, dass vorerst keine Gelder ausgezahlt werden müssten. Dazu ist morgen Nachmittag ein Gerichtstermin geplant.

Quellen

  1. Hielscher, Henryk: MV Werften funken S.O.S, auf: wiwo.de (9.1.2022).
  2. Preuss, Susanne: Zukunft der MV-Werften hängt wohl „am seidenen Faden“, auf: faz.net (9.1.2022).
  3. Ebd.
  4. Hielscher, Henryk: MV Werften funken S.O.S, auf: wiwo.de(9.1.2022).

Autor:innen

  • Martin Schöler
  • Bild von KATAPULT MV Redaktionsleiterin Martje Rust

    Redaktionsleitung

    Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach MV.