Friedensfest vs. Neonazi-Aufmarsch

Zwischen bunt und braun in Demmin

Während ein buntes Bündnis aus der Mitte der Gesellschaft am 8. Mai in Demmin des Endes des Zweiten Weltkriegs und der Opfer des Nationalsozialismus gedachte, hielten Mitglieder der Neonaziszene auch in diesem Jahr einen „Trauermarsch“ ab. Dazu versammelten sich laut Polizei rund 150 Personen und zogen durch die Demminer Innenstadt zum Hafen. Am Friedensfest und dem anschließenden Spaziergang des Aktionsbündnisses „Demmin Nazifrei“ nahmen mehr als 250 Menschen teil. Zu Zusammenstößen beider Protestlager kam es nicht, es wurden aber verfassungswidrige Symbole angezeigt.

Um 15 Uhr startet das Aktionsbündnis Demmin Nazifrei das Friedensfest auf dem Marktplatz der Kleinstadt. Neben einer Bühne mit Livemusik sind Stände der Parteien SPD und Linke aufgebaut. Kinder können mit Sprühfarbe die Steine des Platzes verzieren, Essen und Getränke wurden von der Greifswalder Volksküche organisiert. Alle Generationen sind vertreten.

Auf einer Tafel neben der Bühne können die Teilnehmer:innen ihre Wünsche für den 8. Mai notieren.

Nach einem gemeinsamen Friedensgebet in der evangelischen Kirche versammeln sich die Teilnehmer:innen zu einem gemeinsamen Spaziergang durch die Stadt. Dieser wurde zusätzlich zum Aktionstag organisiert, nachdem erst in der vergangenen Woche die NPD-Demonstration angemeldet worden war.

Etwa 250 Menschen kommen nach Angaben des Bündnisses. Diese Zahl bestätigt am Abend auch die Polizei.

Vom Marktplatz zieht der Spaziergang durch die Frauenstraße.

Während in der vergangenen Woche laut Landkreis für Demmin noch fünf Kundgebungen angemeldet waren – darunter eine von Bündnis 90/Die Grünen und eine von der NPD –, informiert die Polizei schlussendlich über sieben. Dazu sind etwa 600 Beamt:innen verschiedener Abteilungen der Landespolizei angerückt.

Am deutlichsten zeigt sich die Polizeipräsenz beim Einzug in die Clara-Zetkin-Straße.

Während das Aktionsbündnis und auch die Grünen mit ihren Aktionen der Opfer des Nationalsozialismus gedenken und an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnern wollen, hat die NPD erneut einen sogenannten Trauermarsch geplant. Damit wird wie bereits in den vergangenen Jahren versucht, den Tag der Befreiung zu instrumentalisieren, um an den Massensuizid in Demmin gegen Ende des Krieges zu erinnern.

Aufmarsch der NPD in der Clara-Zetkin-Straße

Im Vorfeld des eigenen Spaziergangs erklärte Kerstin Lenz vom Aktionsbündnis Demmin Nazifrei, warum das Engagement direkt vor Ort in Demmin so wichtig ist.

Demmins Bevölkerung halte sich seit Jahren unverändert zurück, was die Teilnahme am Friedensfest und den Umzügen gegen Nazis angehe, erzählen Teilnehmer:innen des Friedensfestes. Viele Einheimische scheuten sich unter anderem deshalb, weil viele vom Aktionsbündnis von außerhalb Demmins kämen, so ein Erklärungsversuch. Viele Demminer:innen würden meist an ihren Fenstern sitzen und zuschauen.

Fenstergäste beim Umzug der NPD durch Demmin

Während des Spaziergangs des Bündnisses halten die Teilnehmer:innen mehrmals für Wortmeldungen an, verlesen unter anderem Augenzeug:innenberichte und ordnen diese ein.

Zwischenhalt am Ernst-Barlach-Platz

Gegen 19.30 Uhr kommt der Spaziergang des Aktionsbündnisses zurück zum Demminer Marktplatz und löst sich dort langsam auf. Einige Teilnehmer:innen verteilen sich entlang der Demonstrationsstrecke der NPD.

Von den Grünen ist eine Sitzblockade vorbereitet worden. Allerdings darf diese nach Polizeianweisung maximal fünf Minuten andauern. Und auch nur die Hälfte der Straße einnehmen.

Begleitet von lautem Gegenprotest zieht der NPD-Aufzug durch die Clara-Zetkin-Straße, am Luisentor und der Sitzblockade vorbei.

Am Markt treffen die Teilnehmer:innen der NPD-Veranstaltung auf Mitglieder des Demmin Nazifrei-Spaziergangs.

Der NPD-Aufmarsch zieht weiter über die Rudolf-Breitscheid-, die Holsten- und Loitzer Straße gen Hafen.

Die NPD-Teilnehmer:innen haben die Peene erreicht.

Dorthin sind auch Demonstrant:innen des Aktionsbündnisses gekommen. Beide Kundgebungen werden durch die Polizei weiträumig getrennt. Die Polizei spricht zu dem Zeitpunkt von etwa 150 Teilnehmer:innen aufseiten der NPD.

Rund 250 sind es beim Aktionsbündnis.

Auf der Kundgebung der NPD sind die Gegenproteste deutlich zu hören.

Die Teilnehmer:innen haben sich zu einem Kreis formiert. Es gibt insgesamt drei Redebeiträge – darunter auch vom ehemaligen NPD-Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs.

Udo Pastörs während seiner Rede

Die Äußerungen der Redner sind nicht nur geschichtsrevisionistisch, so stellt einer etwa das Kriegsende als Raub der Freiheit der Deutschen bis heute dar, sondern ebenso werden Geflüchtete als „Dahergelaufene“ betitelt. Tatsächlich Vertriebene seien nur sie selbst gewesen, so ein Redner weiter.

Nach drei Redebeiträgen wird die NPD-Kundgebung um 20.40 Uhr für beendet erklärt.

Bis zum Ende bleibt auch der Gegenprotest zur NPD-Veranstaltung vor Ort.

Zusammenfassend gab es nach Angaben der Polizei keine nennenswerten Zusammenstöße während und nach den Veranstaltungen. Mehrere Strafanzeigen aber folgten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. So wurden etwa bei zwei Tatverdächtigen Hakenkreuztattoos festgestellt. Einer von ihnen zeigte und rief zuvor einen Hitlergruß. Gegen den anderen lag zudem ein Haftbefehl vor. Er wurde von Demmin aus direkt in die JVA gebracht. Gegen drei weitere Personen einer Kundgebung wurde Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot aufgenommen, nachdem sie nach mehrfachen Aufforderungen zum Zeigen ihrer Gesichter diesen nicht nachkamen, heißt es von der Polizei. Ebenfalls wurden Betäubungsmittel sichergestellt.

Quellen

  1. Polizeipräsidium Neubrandenburg (Hg.): Polizeieinsatz auf Grund mehrerer Veranstaltungen, auf: polizei.mvnet.de (8.5.2023).
  2. E-Mail des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte vom 4.5.2023.
  3. Polizeipräsidium Neubrandenburg (Hg.): Polizeieinsatz auf Grund mehrerer Veranstaltungen, auf: polizei.mvnet.de (8.5.2023).

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  • Katapult MV

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