Unterbringung Geflüchteter in Greifswald

Bürgerschaft soll jetzt gegen Turnhallen stimmen

In der heutigen Sitzung der Greifswalder Bürgerschaft soll eine Vorlage zur möglichen Unterbringung von dem Landkreis zugewiesenen Geflüchteten in Greifswalder Sporthallen abgestimmt werden. Die Stadt wird darin aufgefordert, dem Landkreis keine kommunalen Turnhallen anzubieten. Dies sei „die schlechteste aller aktuell diskutierten Unterbringungsformen“, heißt es als Begründung. Die Abstimmung verspricht Spannung. Denn jetzt fordern die Einbringer:innen das gleiche wie die Gegenseite im zurückliegenden Bürger:innenentscheid: Die Unterstützer:innen der Ja-Kampagne warnten da bereits regelmäßig vor der Turnhallenlösung.

Zuletzt sorgte ein Bürgerentscheid zur Unterbringung Geflüchteter in Greifswald für Aufregung. Bei diesem hatte eine Mehrheit der Wähler:innen gegen eine Verpachtung städtischer Flächen an den Landkreis Vorpommern-Greifswald zum Bau von Containerunterkünften gestimmt. Nachdem die für den Entscheid verantwortliche Bürgerinitiative nun erneut mit dem Sammeln von Unterschriften begann – dieses Mal gegen die Unterbringung Geflüchteter in kommunalen Turnhallen – kommt ihnen nun womöglich die Bürgerschaft zuvor.

In einer Beschlussvorlage für die heutige Bürgerschaftssitzung in der Hansestadt fordern die Einbringer:innen von CDU, FDP/Bürgerliste/Kompetenz für Vorpommern und Einzelmitglied Grit Wuschek die Stadt auf, „Sporthallen im Eigentum der Universitäts- und Hansestadt Greifswald“ nicht „zur Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen zu nutzen“. Diese Hallen seien „zum Zwecke der sportlichen Betätigung“ gebaut worden. Eine Belegung in Form von Unterkünften hätte negative Auswirkungen auf den Schul- und Vereinssport der Stadt. Sie stellten außerdem „die schlechteste aller aktuell diskutierten Unterbringungsformen“ dar.

Die Einbringer:innen berufen sich in der Vorlage auch auf einen Beschluss des Kreistages Vorpommern-Greifswald von Ende Februar 2023. Darin sprach sich der Kreistag gegen eine Unterbringung von Geflüchteten und Asylsuchenden in Sport- und Turnhallen aus. Im gleichen Beschluss wurde jedoch auch festgestellt, dass der Landkreis zur Aufnahme Geflüchteter verpflichtet ist und somit ausreichend Gemeinschaftsunterkünfte vorhalten muss. Da die Kapazitäten der vier bereits existierenden Unterkünfte ausgeschöpft seien, müssten neue Unterkünfte errichtet werden, sofern keine dezentrale Unterbringung möglich ist, so der Beschluss.

Nun besteht einerseits, durch das Votum des Bürgerentscheids, die Möglichkeit einer neuen Unterkunft in Greifswald für den Landkreis nicht mehr. Zeitgleich ist der Bedarf nach der Umwidmung von Turnhallen in der Stadt wohl derzeit auch gar nicht gegeben. So hieß es auf Nachfrage von KATAPULT MV, dass zwar im gesamten Kreisgebiet nach Unterbringungsmöglichkeiten gesucht werde, die Unterbringung in Sporthallen aber „derzeit nicht in Betracht gezogen“ werde – auch mit Blick auf den bereits genannten Kreistagsbeschluss.

Die Diskussion und Abstimmung in der Bürgerschaft verspricht nichtsdestotrotz interessant zu werden. So sprachen sich die Einreicher:innen im Vorfeld des Bürgerentscheids im Juni klar für ein „Nein“ hinsichtlich der Verpachtung städtischer Flächen zwecks Containerunterkünften aus. Die Fraktionen von SPD, Grünen, Links- und Tierschutzpartei, die sich zum Bürgerentscheid auf der Ja-Seite positioniert hatten, warnten da bereits regelmäßig vor der Turnhallenlösung, sollte die Containeralternative wegfallen.

Aktualisierung: Am Abend hat die Greifswalder Bürgerschaft nach langer Diskussion dem vorgelegten Beschluss – mit Änderungen durch die Grünenfraktion – zugestimmt. Es gab 22 Ja- und eine Nein-Stimme. Dazu kamen einige Enthaltungen. Demnach untersagt die Bürgerschaft dem Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne), dem Landkreis Vorpommern-Greifswald städtische Sporthallen als Unterkünfte anzubieten. Aus einem Änderungsantrag der Grünen wurde zum einen das erneute Bekenntnis zur dezentralen Unterbringung als oberste Prämisse übernommen. Zum anderen dankt die Bürgerschaft mit dem Beschluss nun ausdrücklich „den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in der Geflüchtetenhilfe für ihr bedeutendes Engagement“. Dieses sei auch weiter „sehr willkommen“ und „dringend benötigt“.

Transparenzhinweis: In der Aktualisierung des Textes war zunächst von nur einer Enthaltung die Rede, wie es Bürgerschaftspräsident Egbert Liskow (CDU) bei der Auszählung auch äußerte. Auf der Videoaufzeichnung der Sitzung sind jedoch allein schon zwei Enthaltungskarten sichtbar. Deshalb wurde der Wortlaut in „einige Enthaltungen“ geändert.

Quellen

  1. CDU-Fraktion, Fraktion BG/FDP/KfV, Grit Wuschek: Beschlussvorlage der Politik BV-P-ö/07/0311. Keine Nutzung von Sporthallen zur Flüchtlingsunterbringung, auf: greifswald.sitzung-mv.de (23.6.2023).
  2. Beschluss des Kreistags des Landkreises Vorpommern-Greifswald vom 27.2.2023, auf: kreis-vg.ratsinfomanagement.net.
  3. E-Mail vom Landkreis Vorpommern-Greifswald vom 6.6.2023.
  4. Hinz, Patrick; Rust, Martje; Rieck, Max: Sporthalle oder Containerzimmer, auf: katapult-mv.de (31.5.2023).
  5. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Beschlussvorlage der Politik BV-P-ö/07/0311-01. Änderungsantrag zu: „Keine Nutzung von Sporthallen zur Flüchtlingsunterbringung“, auf: greifswald.sitzung-mv.de (7.7.2023).

Autor:in

  • Redakteurin in Greifswald

    Geboren in Berlin, aufgewachsen in Berlin und Brandenburg. Tauschte zum Studieren freiwillig Metropole gegen Metropölchen.