Innerhalb eines Jahres hat sich eine Menge getan: Wo eben noch der Blick über das fünf Hektar große Feld schweifen konnte, wird er jetzt unterbrochen von 1,70 Meter hohen Blühstreifen und Obstbaumreihen. Ein Anfang sei gemacht, sagen die Betreiber zufrieden.
Vor gut einem Jahr haben sich Ulrich Kotzbauer, Thomas Erver und Henno Arndt zusammengeschlossen, um ihre Landwirtschaft auf Bio umzustellen und die sogenannte Agroforstwirtschaft in der Region zu etablieren. Unterstützt werden sie dabei vom Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) sowie Agroforstexpert:innen.
Was ist Agroforstwirtschaft?
Felder nicht nur als Felder zu nutzen, sondern gleichzeitig Blüh- und Baumstreifen anzulegen oder Nutztiere zu halten – das ist die Idee von Agroforstwirtschaft, kurz „Agroforst“. Es geht also um die vielfältige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen.
Mit Baumreihen auf einem Acker etwa finden mehr Tierarten Schutz und können sich langfristig ansiedeln. Auch das Pflanzenspektrum wird breiter, die Biodiversität steigt. Zusätzlich schwächen Baumreihen in flachen Regionen den Wind ab. So verhindern die Bäume Sandstürme auf Äckern. Wegen der Nährstoffkreisläufe zwischen Ackerkulturen und Holzgewächsen verbessern sich auch die Bodenfruchtbarkeit und -qualität und nicht zuletzt wird Wertholz produziert. Die Produktpalette von Landwirt:innen erweitert sich.
Von den Vorteilen der Agroforstsysteme ist auch das Landwirtschaftsministerium Meck-Vorp überzeugt: Sie seien eine „konkrete Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel. Denn sie leisten einen positiven Beitrag zum Klimaschutz, zur Biodiversität, zum Erosionsschutz und zur Verbesserung der Wasserqualität“, sagte Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) im November 2020.
Beispielhof Garvsmühlen
Deutschlandweit gibt es nach Angaben des DeFAF schon mehr als 100 Landwirtschaftsbetriebe, die Agroforstsysteme auf einem Teil ihrer Flächen angelegt haben. Auch in Meck-Vorp hält diese Idee nun Einzug: mit insgesamt zwei Höfen.
Einer von ihnen ist der Biohof Garvsmühlen, der das Agroforstsystem derzeit auf fünf Hektar testet. Der Abstand zwischen den Baumstreifen beträgt 48 Meter. „Da kommt ein Traktor noch gut durch“, sagt Forstwissenschaftsstudentin Sabine Kotzbauer, die das Projekt mitbetreut. Die breiteste Maschine misst 14 Meter. Gepflanzt wurden Obst- und Wertholzbäume.
Erste Erkenntnis der Pionierarbeit: Mit einer Höhe von knapp 1,70 Meter haben die angelegten Blühstreifen die Setzlinge sehr gut vor Trockenheit geschützt. Zudem haben sie die neu gepflanzten Bäume mit ihrem bei der Photosynthese verdunsteten Wasser versorgt. Auch die Insektenpopulationen seien förmlich explodiert, berichtet Kotzbauer.
Von den insgesamt 300 Hektar Fläche wird der Biohof nicht alles agroforstwirtschaftlich nutzen. Vergrößert werden soll sie aber noch. Wie genau, wird im kommenden Jahr geplant. Denn billig ist das nicht!
Förderungen?
Hier kommt das große Aber: Zwar hat auch die EU die positiven Umweltwirkungen der Agroforstwirtschaft erkannt und seit 2005 im Rahmen der ELER-Verordnung eine Förderung ermöglicht, diese wurde in Deutschland aber noch nicht in nationales Recht umgewandelt. Einzig sogenannte Kurzumtriebsplantagen bekommen eine gesonderte Förderung, die allein sind jedoch in der Regel auf schnelle und billige Gehölze ausgelegt, die nach 20 Jahren geerntet werden müssen. In Portugal, Spanien und Griechenland dagegen werden Landwirt:innen für Agroforstwirtschaft finanziell unterstützt.
Die Förderung agroforstwirtschaftlicher Methoden auf Ackerland ist auch in der neuen Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) ab 2023 eingeplant. Für eine Ausarbeitung auf Bundes- und Landesebene fehlen aber noch konkrete Rahmenbedingungen, heißt es von Dietmar Kemnitz von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. mit Sitz in Gülzow.
Auch Meck-Vorps Landwirtschaftsminister Backhaus kündigte im November 2020 an, landeseigene Flächen für Agroforstwirtschaft bereitzustellen, um Beispielprojekte im Land zu schaffen. Auf seiner Sommerreise in dieser Woche bekräftigte er seine Aussage noch einmal. Praktisch umgesetzt oder zur Verfügung gestellt wurde aber noch nichts und es gibt auch noch keinen Termin dafür.
Neben ihrer Tätigkeit als Landwirte haben die drei Inhaber des Biohofs Garvsmühlen noch andere Einkünfte – etwa als Steuerberater und Maschinenbauingenieur. Nur so können sie sich die Agroforstwirtschaft leisten. Andere Landwirt:innen könnten das nicht „mal eben“ finanzieren, denn sowohl der Arbeitsaufwand als auch die Anschaffungskosten seien enorm – für Wertholzbaumsetzlinge inklusive Verbissschutz, Wühlmauskörbe und Dreibeine beispielsweise. Für die Kontrolle und Pflege der fünf Hektar großen Versuchsfläche musste auch der Biohof studentische Hilfskräfte einstellen. Und dennoch sind Kotzbauer, Erver und Arndt vom System Agroforst überzeugt. Um künftig mit den gesammelten ersten Erfahrungen andere Landwirt:innen in Meck-Vorp zu unterstützen, setzt der Hof den Aufbau seines Agroforstsystems fort. Interessierte (auch Nichtlandwirt:innen) wollen den Hof regelmäßig besichtigen. Vor einer Woche hat der Betrieb auch Informationstafeln aufgestellt.
Aktuell ist der Hof in Rerik nach Angaben der DeFAF einer von zwei landwirtschaftlichen Betrieben in Meck-Vorp, die bereits Agroforstwirtschaft betreiben. Der Tannenhof Meißner in Seehof züchtet Weihnachtsbäume und hat auf gleicher Fläche Streuobstwiesen und Blühflächen angelegt. Daneben setzt sich der Projekthof Karnitz in Neukalen als Forschungseinrichtung unter anderem in Schulprojekten mit dem Thema auseinander. Und die Alte Försterei in Cambs-Ahrensboek will rund 400 Hektar zur Errichtung eines Agroforstsystems zur Verfügung stellen.
Und sollte es vonseiten der Politik doch einmal Förderungsmöglichkeiten geben, hoffen der Biohof Garvsmühlen und die DeFAF auf noch mehr Mitstreiter:innen.