Mit ihrem Motto „Moor muss nass!“ haben sich die Wissenschaftler:innen der Universität Greifswald und der Michael-Succow-Stiftung, beide Partner im Greifswald Moor Centrum (GMC), bereits seit gut 15 Jahren auf den Weltklimakonferenzen versucht, Gehör zu verschaffen. Zum aktuellen Zusammentreffen internationaler Klimaexpert:innen in Glasgow bekämen sie so viel Aufmerksamkeit wie noch nie, erzählt Jan Peters, Moorpolitik-Experte am GMC.
Erstmals sind sie mit einem eigenen Präsentationsraum vor Ort, unter anderem mit einem Pavillon – natürlich teilweise aus Moorpflanzen gebaut.
Pavillon aus Moorpflanzen
Für den Bau des Pavillons wurden unter anderem Pflanzen verwendet, die in Mooren wachsen. Damit wollen die Greifswalder Forscher:innen zusammen mit ihren Partnern ganz praktisch das Potenzial der sogenannten Paludikultur zeigen, also der Nutzung und Verarbeitung von Materialien von nassen Moorflächen. Das wird schon in einigen Regionen weltweit praktiziert, jedoch bislang noch viel zu wenig. Das Problem: Die Paludikultur wird noch nicht finanziell gefördert. Das soll sich ändern. Dafür müsse man aber das Wissen vermitteln, sagt Jan Peters. Nur wenn man Moore versteht und weiß, wo man sie findet, könne man sie nachhaltig schützen. Das gehe am besten im direkten Austausch. Wie jetzt auf der Konferenz.Trotz strenger Hygieneregeln, wie täglichen Testungen, sind sehr viele Menschen vor Ort. In Halle vier steht der Pavillon des GMC relativ weit am Rand. Trotzdem sei er immer gut gefüllt, beschreibt es der Wissenschaftler. Rund 1.000 Leute haben bislang den Pavillon besucht, 1.500 Interessierte die Onlineveranstaltungen. Das Interesse am Moor sei groß. Auch viele internationale Delegierte kommen, um sich zu informieren – nicht nur aus EU-Ländern, auch aus Indonesien, Südamerika und einigen afrikanischen Staaten.
Mit Karten, Infomaterialien und dem Pavillon selbst können die Mitarbeiter:innen anschaulich über die Verbreitung, Situation und Nutzungsmöglichkeiten von Mooren informieren. Ziel ist es, die Moorflächen weltweit zu schützen und zu restaurieren, denn viele von ihnen wurden trockengelegt. Dadurch setzen sie CO2 frei. Nasse Moore dagegen speichern Kohlenstoff und tragen so zum Klimaschutz bei.
Weltweite Moorkarte als internationaler Vorreiter
Einer der größten Erfolge der Moorforscher:innen bei dieser Klimakonferenz war die Vorstellung der extra dafür aktualisierten Welt-Moorkarte. Erstmals wurden entsprechende Gebiete so detailliert auf globaler Ebene zusammengefasst. Die Forscher:innen von der Greifswalder Uni und dem GMC trugen dafür Daten aus jahrzehntelanger Moor- und Bodenforschung zusammen. Die Karte soll die Grundlage für eine bessere internationale Zusammenarbeit und eine weltweite Bestandsaufnahme bilden.
Das Problem sei aber nach wie vor, dass sich Staaten nur auf freiwilliger Basis zu Moorschutzmaßnahmen verpflichten müssten. Es gebe wenig politische Vorgaben, kritisiert Jan Peters. Deswegen sei jetzt besonders ein internationaler Austausch über Moore und eine Diskussion darüber wichtig, wo das Geld für künftige Moorschutzprojekte herkommen kann, um Anreize zu schaffen.
Dass dieser Ansatz erfolgreich sein kann, zeigen erste konkrete Ankündigungen einiger Staaten im Rahmen der Konferenz: So haben in der vergangenen Woche am Pavillon des GMC Chile und Schottland eine Forschungskooperation vereinbart. Wie auch Schottland weist Chile vor allem in der Region Feuerland viele Moorflächen auf und hat ähnliche Probleme wie Schottland.
Moor ist nicht gleich Moor
Die weltweiten Moore seien aber nur bedingt vergleichbar, erzählt Jan Peters, auch wenn sie Grundbedingungen, wie das Vorhandensein von Torf, verbinde. Es gibt viele verschiedene Arten, dazu kommen die ortsspezifischen Einflüsse.
Wichtig sei aber, überhaupt erst einmal zu wissen, wo Moore sind. Viele Besucher:innen seien überrascht, wo das überall der Fall ist. Schottland zum Beispiel ist ein sehr moorreiches Land. Auch hier wurden viele dieser Flächen für die Weidetierhaltung trockengelegt. Das zog viele Probleme nach sich, besonders im Hinblick auf die Wasserversorgung, erklärt der Wissenschaftler. Im Fall Schottlands können wiedervernässte Moore als natürlicher Filter zur Verbesserung der Wasserqualität dienen. Einige Unternehmen beginnen jetzt auch, in die Aufarbeitung der Flächen zu investieren. Generell sei die Zusammenarbeit zwischen Schottland und Deutschland in der Moorforschung sehr gut, betont Peters. Auch die Umsetzung des Moorschutzes sei hier weiter vorangeschritten als in anderen Ländern.
Im baltischen Raum zum Beispiel sieht es anders aus. Dort wurden die vorhandenen Moorflächen weitgehend trockengelegt, insbesondere zu Sowjetzeiten. Für den Torfabbau wurden große Flächen entwässert. Der Torf diente lange zur Energiegewinnung, heute aber eigentlich nur noch als Gartenbausubstrat, so Peters. Da das in diesen Ländern im Vergleich zu anderen Möglichkeiten noch am günstigsten ist, wird der Torfabbau – anders als in Schottland und Deutschland – noch großflächig betrieben. Viele Flächen werden aber aufgrund der Aufgabe von Energietorfgewinnung nicht mehr genutzt, liegen also trockengelegt da und setzen kontinuierlich Treibhausgase frei. Das müsse sich schnellstmöglich ändern, um die Klimaziele im Landnutzungssektor zu erreichen.
In der gesamten Klimadebatte füllen Moore zwar noch immer nur einen relativ kleinen Teil aus, bilanziert Jan Peters. Die Aufforstung und der Schutz von Waldflächen stünden da viel mehr im Fokus. Zu Recht, betont er, denn auch diese seien ein enorm wichtiger Aspekt. Moorflächen aber speichern sogar doppelt so viel Kohlenstoff wie die Biomasse aller Wälder weltweit. Moore werden jedoch in ihrer Komplexität noch zu wenig verstanden. Das kann aber mit jedem solcher Treffen und Vorträgen über Moore und deren Funktionen verändert werden. Deshalb herrsche bei den Mitarbeiter:innen der Greifswalder Moorforschung in den letzten Tagen der Konferenz sogar eine Art Aufbruchstimmung, dass den Mooren in Zukunft der Stellenwert eingeräumt wird, der ihnen gebührt, sagt Peters.
Die Weltklimakonferenz endet am 12. November.