Mit der Bitte, sich zur Aufnahme von gefährdeten Menschen aus Afghanistan zu bekennen, hat sich die Initiative „Jugend spricht“ an die Landesregierung MVs gewandt. „Jugend spricht“ ist ein Zusammenschluss ehemals geflüchteter junger Menschen, die in Meck-Vorp leben und sich für die Integration und Gleichberechtigung ebenfalls Betroffener einsetzen.
Mit dem von ihnen geforderten Landesprogramm sollen Menschen, die vor den Taliban aus Afghanistan geflüchtet sind, einen verlässlichen Anlaufpunkt in MV bekommen. Ein ähnliches Programm gebe es bereits in Schleswig-Holstein und Thüringen, heißt es in einem Schreiben an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Die mediale Aufmerksamkeit ebbe immer mehr ab, sagen die Initiatoren. Mit dem Aufruf wollen sie daher versuchen, das Thema auch auf die Agenda der neuen Landesregierung zu setzen. Dem Appell haben sich 65 weitere Organisationen aus Meck-Vorp angeschlossen.
Hier sind ihre Statements:
Sayed HashimiJugend spricht
„Wir haben diesen Appell gestartet, weil wir seit Mitte August jeden Tag von unseren Freund:innen und Verwandten hören, wie schrecklich sich die Situation in Afghanistan entwickelt. Wir bitten die Landesregierung von MV, sich dazu zu bekennen, gefährdete Menschen hier aufzunehmen und ein Landesaufnahmeprogramm für Afghan:innen, die einen Bezug zu Mecklenburg-Vorpommern haben, aufzusetzen.“
Oliver HeidCafé International, Neubrandenburg
„Da wir nicht die Möglichkeit haben, in Afghanistan die Umstände zu verändern, können wir nur hier vor Ort den einzelnen Menschen Unterstützung bieten. In ihrem eigenen Land sind die Menschen nicht mehr sicher, Frauen werden unterdrückt, es gibt Bombardierungen, viele radikale Elemente sind am Werk. Darum hoffen wir, dass die deutsche Regierung vielen dieser Menschen Zuflucht gewährt, als ein humanitäres Zeichen. Auch wir könnten in so eine Lage geraten, die Geschichte zeigt uns dies immer wieder.“
Stefan BaerensSchullandheim, Bildungs- und Begegnungsstätte Schloss Dreilützow
„Verantwortung zu übernehmen ist die Aufgabe der Stunde. Menschen in Afghanistan zu retten, die sich für Werte wie Gleichberechtigung, Freiheit, Toleranz eingesetzt haben, ist jetzt geboten. Mecklenburg-Vorpommern muss sich hier engagieren! Beteiligen wir uns nicht, werden wir unglaubwürdig. Beteiligen wir uns nicht, überlassen wir das Feld Populisten, die so gekonnt Ängste schüren. Beteiligen wir uns nicht, legt sich ein Schatten auf uns. Die Welt ist so klein. Alles hängt mit allem zusammen. Wer meint, diese Welt ist mit Grenzen zu retten, der liegt falsch. Als Schullandheim versuchen wir jungen Menschen Verantwortungsbewusstsein, Empathie, Gerechtigkeit, Fairness zu vermitteln. Gerade diese Werte sind in der aktuellen Situation notwendig.“
Claudia HoweTurbina Pomerania, Freiwilligendienstinitiative im Kultur- und Initiativenhaus Greifswald
„Die europäische Abschottungspolitik, auch die der Landesregierung MV, steht in hartem Widerspruch zu den Leitlinien der von EU-Kommission und Bundesregierung aufgelegten Freiwilligendienstprogrammen, mit denen wir arbeiten (ökologischer Bundesfreiwilligendienst und Europäisches Solidaritätskorps). Im Handbuch des Europäischen Solidaritätskorps steht unter anderem: ‚Das Europäische Solidaritätskorps bringt junge Menschen zusammen, um eine inklusivere Gesellschaft aufzubauen, schutzbedürftigen Menschen zu helfen und auf gesellschaftliche und humanitäre Herausforderungen zu reagieren.‘ Dabei fußen die Ausarbeitungen für das Programm auf der EU- Jugendstrategie 2019-2027. Diese Ansprüche an eine partizipative, demokratische und offene (Zivil)Gesellschaft und das Engagement vieler Menschen können aus unserer Sicht nicht losgelöst von politischen Entscheidungen bezüglich des Umgangs mit der Aufnahme schutzbedürftiger Menschen gesehen werden, sondern müssen auf unterschiedlichen politischen Ebenen umgesetzt und angegangen werden.“
Horst und Birgit LohmeyerGFS – Gemeinsam für Frieden und Solidarität e. V., Jamel
„Wir setzen uns für ein Landesaufnahmeprogramm für Menschen aus Afghanistan in MV ein, weil es ein simples Gebot der Menschlichkeit ist und weil es zudem kein besseres Mittel gegen den auch hier grassierenden Rassismus gibt als die Durchmischung der Gesellschaft mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen. Lasst uns möglichst viele interkulturelle Ehen und Lebenspartnerschaften stiften!“
Sebastian TrettinÖkohaus e. V. Rostock, Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende
„Wir wünschen uns, dass den Menschen aus Afghanistan das Schicksal der Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung und dann in einer kommunalen Gemeinschaftsunterkunft erspart bleibt und diese Menschen sofort in eigenem Wohnraum untergebracht werden können. Wir wünschen uns, dass diesen Personen sofort eine Krankenversicherung zur Verfügung steht und damit der Weg für die Behandlungen Ihrer Krankheiten und Traumata geebnet ist. Wir verbinden die Hoffnung des Aufnahmeprogramms damit, dass diese Menschen sofort Zugang zu Integrationskursen und dem Arbeitsmarkt haben. Kurzum: Diese Menschen sollen hier nicht wie Asylbewerber:innen behandelt werden, sondern wie Freunde und Helfer eines westlichen Systems.“
„Jugend spricht“ hofft unterdessen auf eine Einladung von Ministerpräsidentin Schwesig zu einem Gespräch. Laut Sayed Hashimi, Sprecher der Initiative, gab es bislang noch keine Rückmeldung.