Vor dem Rostocker Tor wehen am Montagabend etliche Deutschlandfahnen. Die verschwörungsideologische Gruppe Bürgerforum Ribnitz-Damgarten hat unter dem Motto „Einigkeit, Recht, Freiheit – Zusammen für Deutschland“ zur Kundgebung geladen. Etwa 50 Menschen sind gekommen.
Auch etwa 20 Gegenprotestierende sind vor Ort. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite haben sie sich zusammengefunden, um gemeinsam zu singen und gegen die Kundgebung zu demonstrieren.
Der AfD eine Bühne bieten
Das Bürgerforum hat sich im Zuge der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen gegründet und ist seitdem für seine Verbindungen zur Identitären Bewegung und PEGIDA bekannt. Dass es bei der Veranstaltung am Montagabend allein darum ging, der AfD und ihren Botschaften eine Bühne zu bieten und ihren Bundestagswahlkampf in MV anzuschieben, wird nicht nur mit Blick auf die Rednerliste klar.
Der Initiator des Bürgerforums und Anmelder der Veranstaltung, Maik Waack, übernimmt die Moderation des Abends. Waack ist selbst über die AfD-Liste in die Stadtvertretung von Ribnitz-Damgarten eingezogen.1 Zuletzt erregte er Aufsehen, da er sich an einer rassistisch motivierte Hetzjagd gegen den wohnungslosen Din O. in den sozialen Medien beteiligte.2
Auf der Rednerliste des Abends stehen, von Waack jeweils angekündigt, der PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann, der AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag Nikolaus Kramer, AfD-Kreisverbandsvorsitzender Dario Seifert und der Musiker Martin „Blumentritt“.„Blumentritt“, der aus Wolgast kommt, tourte in den vergangenen Jahren als Redner und Musiker von einer verschwörungsideologischen Versammlungen zur nächsten und organisierte solche auch in Wolgast.3
Während der Redebeitrag von Lutz Bachmann lediglich eine Audiobotschaft ist, in der er Grußworte an die „Patrioten“ vor Ort schickt, lässt Nikolaus Kramer keinen Zweifel zur Position der AfD nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Während die AfD-Fantasien zur Remigration zu Beginn des Jahres noch einen gesellschaftlichen Aufschrei produzierten, forderte Kramer am Montag gleich eine ganze „Remigrationsoffensive“. In seiner Vorstellung sollen syrische Staatsbürger:innen abgeschoben und neue Asylanträge kategorisch abgelehnt werden. Kramer ist sowohl für seine Nähe zu Rechtsextremen als auch zu Identitären bekannt. Er wiederholte mit Blick auf die Bundestagswahl die 2017 von AfD-Mann Alexander Gauland4 formulierten Worte: „Wir werden sie jagen, jagen, jagen.“
Kramer rechtfertigt Anstellung von Fiß
Der AfD-Politiker bekennt sich in seiner Rede zudem ganz offen „über Parteigrenzen hinweg“ zum extrem rechten Vorfeld seiner Partei. Er verteidigt auch die Beschäftigung des identitären Aktivisten Daniel Fiß als sein persönlicher Referent. Medienberichten zufolge hat Kramer Fiß zum 1. Dezember angestellt.5 In der Vergangenheit war Fiß bei den Jungen Nationalisten (JN) aktiv und fungierte als zweiter Bundesvorsitzender der extrem rechten Identitären Bewegung. Aktuell ist er unter anderem als Chefredakteur des extrem rechten Heimatkuriers aus Österreich aktiv.
Auf der Veranstaltung in Ribnitz-Damgarten dokumentierte Fiß die Redebeiträge und setzte Kramer und Seifert gemeinsam in Szene.
Seifert, der seit dem Landesparteitag der AfD in Neubrandenburg auf Platz 3 der Landesliste für die Bundestagswahl steht, gilt als ein Frontmann der extrem rechten Jungen Alternative (JA). Vor der AfD war er bei der JN aktiv und pflegte enge Kontakte zur mittlerweile verbotenen Kameradschaft Nationale Sozialisten Rostock.6 Fotos zeigen ihn gemeinsam mit dem militanten Neonazi Ivan Kormilitsyn, der zu der Zeit Mitglied der JA war. Auch der Umgang mit Waffen scheint Seifert zu begeistern. So nahm er in Lüssow (Landkreis Rostock) an einem Schießtraining teil.7 Inhaltlich bezieht sich Seifert vor allem auf die Themen Asyl, Corona und direkte Demokratie. Der wenig charismatische Redner Seifert behauptet unter anderem, dass er und die AfD „für die schweigende Mehrheit in diesem Land“ stünden. Dieses wolle man sich nun „Stück für Stück“ zurückholen.
Behinderung der Pressefreiheit und die Rolle der Polizei
Unter den Teilnehmenden der Kundgebung sind weitere bekannte Gesichter der lokalen extrem rechten Szene – die beiden Funke-Brüder. Florian Funke sitzt für die AfD in der Stadtvertretung von Ribnitz-Damgarten. Sein Bruder Daniel Funke ist ein bekannter Aktivist der Identitären Bewegung und ehemaliges NPD-Mitglied. Gemeinsam gründeten die beiden 2022 den Verein Neustart Kranichland, der vom Verfassungsschutz als „rechtsextremistische Organisation“ eingestuft wird.8 Solche Vereine werden häufig als Tarnung genutzt, um den extrem rechten Hintergrund der Akteur*innen zu verbergen, Veranstaltungen und Demonstrationen zu organisieren und Geld zu akquirieren.
Während der Kundgebung wird die Pressearbeit massiv durch Teilnehmer:innen behindert. Immer wieder stellen sich mehrere Personen direkt vor die Kamera und folgen der Fotografin, um sie an ihrer Arbeit zu hindern. Die Vertreter:innen der Presse werden beleidigt und bedrängt. Eine Demonstrantin greift mehrfach in die Kamera und schlägt mit der Faust auf ein Smartphone, welches zur Dokumentation genutzt wird. Die anwesende Polizei beobachtet die Situation lediglich, greift jedoch nicht ein, um die Journalist:innen und damit die Pressefreiheit zu schützen. Die Demonstrant:innen schienen sich durch das unbeteiligte Verhalten der Polizei in ihrem übergriffigen Verhalten entsprechend bestärkt zu fühlen. Dass so etwas nicht zum ersten Mal passiert,9 ist im Zeichen der Pressefreiheit hart zu kritisieren.
Konsequenzen für die politische Landschaft
Solche Veranstaltungen wie die in Ribnitz-Damgarten können als bedeutende Verbindungsstelle zwischen dem parlamentarischen Arm der extremen Rechten und dem Vorfeld der Bewegung bezeichnet werden. Das zeigt sich sowohl an den Rednern und ihren Wortbeiträgen als auch an den Teilnehmenden solcher Veranstaltungen. Gleichzeitig kann die AfD bei solchen Kundgebungen für sich werben. Das ist insbesondere in Wahlkampfzeiten interessant.
- KATAPULT MV (Hg.): Rechtsextreme und antidemokratische Lokalpolitiker:innen, auf: katapult-mv.de (28.6.2024). ↩︎
- KATAPULT MV (Hg.): Rechtsextreme Verflechtungen in Ribnitz-Damgarten, auf: katapult-mv.de (18.7.2024). ↩︎
- Meerkatz, Cornelia: Corona-Demos in Wolgast: Warum die Organisatoren völlig zerstritten sind, auf: ostsee-zeitung.de (2.2.2022). ↩︎
- BR.de (Hg.): AfD-Politiker Gauland über Merkel: „Wir werden sie jagen“, auf: br.de (24.9.2024). ↩︎
- Ludmann, Stefan: AfD-Fraktionschef beschäftigt Rechtextremisten Fiß, auf: ndr.de (5.12.2024). ↩︎
- Korfmacher, Carsten: AfD-Bundestagskanidat war in der rechtsextremen Szene, auf: nordkurier.de (26.1.2021). ↩︎
- EXIF (Hg.): Neues Mitglied der „Jungen Alternative“ trainiert an Waffen in der Ukraine, auf: exif-recherche.org (18.8.2019). ↩︎
- Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung MV (Hg.): Verfassungsschutzbericht 2023, S. 52-53, auf: verfassungsschutz-mv.de (Juni 2024). ↩︎
- Blöß, Louise: Entspannung sieht anders aus, auf: katapult-mv.de (20.6.2024). ↩︎