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Wirtschaftsdiskussion zur Bundestagswahl

Vier von sechs Kandidat:innen über Werften, Sonntagsöffnungen und fehlende Azubis

Die Fragen der kleinen und mittelständischen Unternehmen diskutierten am Dienstag die Bundestagskandidat:innen Sebastian Adler (FDP), Georg Günther (CDU), Claudia Müller (Grüne) und Leif-Erik Holm (AfD) auf dem Wahlforum der Industrie- und Handelskammer Rostock im Stralsunder Ozeaneum. Linke und SPD verweigerten gemeinsam, „Faschisten eine Bühne zu bieten“, und sagten aufgrund der AfD-Teilnahme ab.

Sie haben die Parteiprogramme analysiert, Themen ausgewählt und die passenden Kandidat:innen zur Bundestagswahl geladen, um mit Unternehmer:innen der Region über die Wirtschaft zu reden: die IHK zu Rostock, die Kreishandwerkerschaft Nordvorpommern und die Stralsunder Mittelstandsvereinigung.

70 Gäste aus der regionalen Wirtschaft sind am Dienstagabend zum Stralsunder IHK-Wahlforum anlässlich der Bundestagswahlen ins Stralsunder Ozeaneum gekommen. Auf dem Podium: Sebastian Adler (FDP), Georg Günther (CDU), Claudia Müller (Grüne) und Leif-Erik Holm (AfD). Nicht erschienen: Kerstin Kassner (Die Linke) und Anna Katharina Kassautzki (SPD). Von den Moderatoren entschuldigt mit den Worten: „Leider keine Zeit.“ Zuvor hatten SPD und Linke um den Schulterschluss mit CDU und Grünen gebeten, „Faschisten in Vorpommern-Rügen keine Bühne zu bieten“ und aufgrund der AfD-Zusage von der Teilnahme am Wahlforum abzusehen. Dies sei die erste Podiumsdiskussion, die sie im Wahlkampf habe absagen müssen, so Kassautzki.

Weiterlesen: 76 Prozent rechtsextrem – die AfD in MV

Vier von sechs Kandidat:innen saßen am Ende auf dem Podium im Tagungsraum des Ozeaneums: jene von CDU, FDP, AfD und Grünen, moderiert von Klaus-Jürgen Strupp, Präsident der IHK zu Rostock, und seinem Vize Torsten Grundke. Zwei Stunden IHK-Fragen und Bürgerdialog mit regionalen Unternehmer:innen waren geplant. Der Bedarf war da für mindestens zweieinhalb Stunden. Wären SPD und Linke dabei gewesen, wäre die jeweilige Redezeit der Kandidat:innen und Zeit für Fragen aus dem Publikum noch kürzer gewesen.

Unternehmer:innen befragen Kandidat:innen aus Wahlkreis 15

Die Gäste befragten die Kandidat:innen zu Themen wie Digitalisierung, Entbürokratisierung, Steuern, Werft- und Industriepolitik, stationärem Einzelhandel, Innenstädte und Onlinehandel, Fachkräfte, Bildung, demografischer Wandel und der Zukunft der Wirtschaft.

In Meck-Vorp müsse sich die Politik mit der Wirtschaft einigen Problemen stellen, so der Tenor des moderierenden IHK-Präsidenten Strupp und seines Vizes Grundke. So würden in Meck-Vorp nur 41 von 100 Menschen in der Industrie arbeiten. Laut Strupp sei Meck-Vorp damit im Bundesvergleich deutlich unterrepräsentiert. Auch der Fachkräfte- und der Azubimangel verschärften das Problem. Über 600 Ausbildungsplätze seien allein in Stralsund für das aktuelle Jahr noch nicht besetzt – vom Fachkräftemangel auf Rügen ganz zu schweigen. Ein bunter Strauß von Fragen zu allen möglichen wirtschaftlichen Herausforderungen verlangte von den Kandidat:innen Ad-hoc-Antworten in zwei Minuten pro Person.

Wir haben die Antworten eurer möglicherweise zukünftigen Volksvertreter:innen mal kurz zusammengefasst:

Georg Günther: Der junge CDUler, der so oft mit Merkel verglichen wird (CDU-Listenplatz 4, geboren 1988 in Greifswald)

  • Lokalo und kennt die Region „wie seine Westentasche“
  • versteht was von Steuern
  • arbeitet im Stralsunder Finanzamt und will auch deshalb ganz dringend eine Digitalisierung und Entbürokratisierung der Verwaltung
  • will bei Werften mehr auf nationale Ausschreibungen setzen
  • menschengemachter Klimawandel ist für ihn real
  • Landwirtschaft: „Es gibt auch Beispiele, wo die Milchtankstelle nicht geklappt hat“
  • Ladenschlussgesetze: will auf Lebenswirklichkeiten reagieren (sonntags auf!)
  • für eine bessere Ausstattung der Berufsschulen sowie mehr Zusammenarbeit zwischen Handwerksbetrieben und Schulen

Sebastian Adler: Der Unternehmertyp (FDP-Listenplatz 3, geboren 1984 in Greifswald)

  • selbst Unternehmer
  • versteht auch was von Steuern
  • braucht ‘ne Perspektive für die Werften: „Wir verbrennen das Geld eigentlich jedes Jahr für die Werften“
  • will Steuergeld eher in andere, langfristige Industriearbeitsplätze stecken
  • weiß, dass Meck-Vorp „das Know-how und die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien hat“
  • auch günstiger zu produzieren und Energie zwischenzuspeichern ist für Adler kein Problem. Denn es sichere langfristig Industriearbeitsplätze
  • schlägt ein neues Mindset für Bauern vor: Landwirt:innen sind auch Business-People und brauchen mehr Marketing
  • Ladenschlussgesetz: „Wäre nett, wenn ich meinen Einkauf auch am Sonntag und zu späteren Uhrzeiten erledigen könnte“
  • „Man darf sich der Illusion nicht mehr hingeben, dass wir die Konkurrenz mit China noch aufholen“, man müsse anfangen, bei der Digitalisierung erst mal loszulegen, sonst finde Meck-Vorp nie den Anschluss
  • hat mit der FDP das ausführlichste Wahlprogramm zur beruflichen Bildung vorgelegt
  • sieht ein grundsätzliches Problem mit dem gesellschaftlichen Stellenwert der Berufsausbildungen

Claudia Müller, die Grüne aus dem Bundestag (Grünen-Listenplatz 1, geboren 1981 in Rostock)

  • wie Holm seit vier Jahren im Bundestag
  • im Bundestag Mittelstandsbeauftragte und unter anderem im Unterausschuss Regionale Wirtschaftspolitik, Sprecherin für maritime Wirtschaft und der Arbeitsgruppe Ost
  • findet, in Berlin wird sich zu sehr auf große Unternehmen konzentriert
  • will kleine und mittelständische Unternehmer:innen mehr in den Fokus rücken
  • hat laut IHK-Präsident „das klimapolitisch ambitionierteste Wahlprogramm“
  • will „ohne Zickzackkurse verlässliche Ziele abstecken“
  • schlägt gegen das Aussterben der Innenstädte mehr Kultur, Bars und Kneipen vor
  • glaubt, China wird vor Deutschland klimaneutral, wenn wir uns nicht beeilen
  • für sie eine entscheidende Frage: Wer hat in Zukunft die Marktmacht über unsere Daten?

Leif-Erik Holm, der rechte Elektriker und Volkswirt aus dem Bundestag (AfD-Listenplatz 1, geboren 1970 in Schwerin)

  • alter Journalistenkollege von IHK-Präsi Klaus-Jürgen Strupp
  • wollte „niemals in der Politik sein“, dann aber doch
  • interessiert sich für: „Themen, über die jeder spricht, die aber nicht gelöst werden“
  • will Entlastung der Unternehmen und vernünftige Autobahnen
  • „Politik geht den Weg des geringsten Widerstands“
  • unterstützt Werften nur, wenn sie marktfähig sind – das sehe er aber bei den Werften und „Kreuzfahrtpötten, die noch gar nicht schwimmen“ bis jetzt nicht
  • hält wissenschaftliche Ergebnisse zum menschengemachten Klimawandel für „nicht evident“ – und will Kernenergie stärken
  • Ladenschlussgesetz: „In anderen Läden ist das ganz normal, am Sonntag einzukaufen“
  • „Wir sind halt ein armes Land und werden das auch noch eine Weile bleiben“, Deutschland liege weit hinten mit Ideen, Rohstoffen und Geschäftsmodellen
  • findet große Ideen aus Deutschland, wie die Erfindung des MP3-Players, hätten niemals verkauft werden dürfen!!

Best of aus dem Publikum:

Die Wirtschaft hier hat nichts mit Innovation oder Praxis zu tun. Bürokratie für Kleinunternehmer ist eine mittelschwere Katastrophe.“ – Pensionsbesitzer

„Sie leben in einer Stadt, weil ein Bauer arbeiten geht.“Landwirt

„Wie gehen wir mit Wohlstandseinbußen durch die drohende Klimakatastrophe um?“ UnternehmerAfD: Welche Klimakatastrophe?Grüne: „Wenn wir nichts gegen die Klimakrise tun, wird der volkswirtschaftliche Schaden massiv sein: Dürre, Grundwasser, Munitionsbelastung – Dinge, die Folgekosten nach sich ziehen, wenn man sie nicht angeht.“

„Günstigere Ferkel kommen aus anderen EU-Ländern. Das ist die perfekte Vernichtung von klein- und mittelständischen Unternehmen.“ Landwirt

„Ich möchte hier noch mal an den Vater unseres Wohlstands erinnern: Ludwig Erhard. Monopole und Kartelle müssen zerschlagen werden!“Hotelbesitzer

„Vorschlag: Wir stellen dem Staat die Kosten, die durch die fehlende Digitalisierung entstehen, in Rechnung.“ITler, dessen Frage erst mal übersprungen wurde „Geniale Idee“, findet Strupp, er musste auch Leute einstellen, die die Bürokratie erledigen. „Richtiger Anreiz“, meint Holm, es würde aber nicht funktionieren: „Deutschland würde noch schneller pleite sein.“

„Die Afrikanische Schweinepest kommt immer dichter und nicht mal die Weinkönigin hat was gemacht!“ Landwirt

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