Am Freitag will die CDU-Fraktion im Landtag über ihren Antrag „Bildung braucht klare Regeln – Ordnungsgemäße Anwendung des amtlichen Regelwerkes der deutschen Rechtschreibung in den Schulen“ beraten lassen.
Bei Arbeiten von Schülerinnen und Schülern, „in denen die Bewertung der Sprachrichtigkeit in die Leistungsbewertung eingeht“, sollen zukünftig Verstöße gegen die Rechtschreibung geahndet werden, heißt es darin. So wären Sonderzeichen zum Gendern im Wortinnern – also Doppelpunkt oder Sternchen – Rechtschreibfehler, die Punktabzüge zur Folge hätten. Jeder weitere Versuch, auf diese Weise alle Geschlechter mitzumeinen, gälte als Folgefehler. Auch Hochschulen sollen laut dem Antrag in die neue Regelung miteinbezogen werden.
GEW: „Antrag macht sprachlos“
Die beiden Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Annett Lindner und Nico Leschinski reagierten auf Nachfrage irritiert: „Dieser Antrag lässt uns einigermaßen sprachlos zurück.“ So bedürfe es zwecks „konkreter Ausformulierung des Bildungs- und Erziehungsauftrages keiner speziellen Anerkennung durch den Landtag“. Paragraf 2 des Schulgesetzes regele alles „bereits hinreichend“:
Lehrkräfte und Schulleitungen, die nicht als „Sprachpolizei“ auftreten und ihre Schüler:innen außerhalb festgelegter Rahmenlehrpläne ermutigen, „sich selbst aktiv mit der Interaktion zwischen Sprache und Gesellschaft auseinanderzusetzen“, sollten nicht daran gehindert werden.In Bezug auf die Ausweitung des Antrags auf die Hochschulen betonen die GEW-Vorsitzenden ihre Hoffnung, der Landtag möge sich „nicht demokratisch gefassten Beschlüssen der Hochschulen, die in Wissenschaft und Lehre bewusst frei sein sollen“ entgegenstellen und so versuchen, „rechtlich nicht umsetzbare Regeln aufzustellen“.
Lindner und Leschinski stellen zudem die Frage in den Raum, ob „man dort angesichts der zahlreichen drängenden offenen Fragen in der Bildungspolitik nichts Besseres zu tun“ habe. Und: „Soll hier nach Thüringen die Anschlussfähigkeit zur in Teilen rechtsextremen AfD-Fraktion geübt werden?“
Die mitregierende Linke um Bildungsministerin Simone Oldenburg hat bereits angekündigt, den CDU-Antrag abzulehnen, und verweist auf die Chancengleichheit. Darauf habe man sich in der Kultusministerkonferenz der Länder geeinigt.
Auch aus dem SPD-geführten Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung hieß es zum Umgang mit Gendersprache in der Schule noch im Juli, dass sich „Gendersonderzeichen“ zunehmend in den Medien und im Alltag verbreiten. Deshalb bestehe die Notwendigkeit, „diese Form des Genderns mit den Schülerinnen und Schülern zu thematisieren“. Lehrer:innen würden angehalten, offen mit dem Thema geschlechtergerechte Sprache umzugehen und dies nicht zu tabuisieren.
CDU beruft sich auf den Duden
Im Juni machte zuletzt die Stralsunder Bürgerschaft bundesweit auf sich aufmerksam, als die AfD-Fraktion mit den Stimmen von CDU, FDP und Bürgern für Stralsund (BfS) ein Genderverbot in der Stadtverwaltung durchsetzte. Trotz bereits existierender klarer Handlungsanweisung seitens der Verwaltung. Der Vorsitzende des Lesben- und Schwulenverbandes in Mecklenburg-Vorpommern, Sebastian Witt, betont dazu: „Wer in der Sprache nicht vorkommt, ist in der Gesellschaft nicht sichtbar und läuft Gefahr, marginalisiert und ausgegrenzt zu werden.“ Sprache sei „ein Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse“, so Witt weiter. Mit ihr „entscheiden wir auch darüber, wer sich an öffentlichen Diskussionen beteiligen kann, über wen wie gesprochen wird und wer vor allem nicht benannt wird“. Sprache habe „das Potenzial, Machtverhältnisse zu formen, zu verfestigen oder eben auch zu verändern“.
Auf Nachfrage verweist der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Torsten Renz, auf in der Schule notwendige „verbindliche Regeln“: „Von mir aus soll jede und jeder schreiben und reden, wie es beliebt“, so Renz. In der Schule gibt jedoch der Duden seit vielen Jahrzehnten die Regeln vor. Er sehe keinen Grund, „dies zu ändern“.
Zudem sei er davon überzeugt, dass insbesondere Schülerinnen und Schüler mit einer Lernschwäche oder Migrationshintergrund profitieren, „wenn an Schulen Rechtschreibung und Grammatik nicht für politische Bekenntnisse zurechtgebogen werden, sondern wenn dort klare, verbindliche Regeln gelten“.
Gendern ist Ländersache
Auch in anderen Bundesländern ist das Thema Gendern in Schule und Verwaltung längst ein Reizthema in den Landtagen geworden. Bislang handhaben die Bundesländer und Bildungsministerien die Genderproblematik unterschiedlich. In Sachsen-Anhalt beschloss das CDU-geführte Bildungsministerium kürzlich, das Gendern mit Sonderzeichen an allen Schulen im Land offiziell zu verbieten. In Schleswig-Holstein bekräftigte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) das allgemeine Genderverbot an Schulen, nachdem eine Kieler Lehrerin das Binnen-I in Klassenarbeiten hineinkorrigiert haben soll. Dort riskieren Schüler:innen beim Gendern in Klassenarbeiten nun Punktabzüge.
Transparenzhinweis: In einer ersten Version des Artikels haben wir die GEW indirekt zitiert, Lehrkräfte sollten „stärker ermutigt“ werden, ihre Schüler:innen außerhalb festgelegter Rahmenlehrpläne zu ermutigen, sich mit der Interaktion zwischen Sprache und Gesellschaft auseinanderzusetzen. Dies ist jedoch aus Sicht der GEW bereits vom Bildungs- und Erziehungsauftrag des Schulgesetzes gedeckt. Richtig ist, dass sie daran nicht gehindert werden sollten.
Quellen
- Landtag MV (Hg.): Vorläufige Tagesordnung der 65. Sitzung des Landtages am Freitag, 22. September 2023, auf: landtag-mv.de (15.9.2023).↩
- E-Mail von der Pressestelle der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft MV vom 18.9.2023.↩
- Reißenweber, Uwe: CDU will Gendersternchen-Verbot an Schulen in Mecklenburg-Vorpommern, auf: svz.de (18.9.2023).↩
- Schomburg, Neele: Gendern in Schule und Verwaltung: Welche Bundesländer es verbieten – und welche den Doppelpunkt nutzen, auf: rnd.de (15.7.2023).↩
- Telefonat mit dem Landesverband am 18.9.2023.↩
- E-Mail von der Pressestelle der CDU-Landtagsfraktion vom 18.9.2023.↩
- Schaftner, Sandra: Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Prien: Gendern in der Schule ist falsch, auf: rnd.de (29.5.2021).↩