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Vereinnahmung der Bauernproteste

Die wütenden Bürger vom Sund

Alle wollen mitmachen: Am Montag, dem 8. Januar beginnt die Aktionswoche des Bauernverbandes. LKW-Fahrer wollen sich anschließen und auch die GDL, die Gewerkschaft der Lokführer, kündigt einen fünftägigen Streit an. In Stralsund versucht die Ratsfraktion „Bürger für Stralsund“, auf den Zug aufzuspringen, und kündigt erneut ihre Demonstrationen auf dem Alten Markt an. Neben der Unterstützung der Bauernproteste fordern sie den sofortigen Rücktritt der Bundesregierung. Der Bundes- und der Landesbauernverband distanzieren sich von den Vereinnahmungsversuchen.

Im vorletzten Jahr demonstrierten die Bürger für Stralsund (BfS) gegen hohe Kosten und steigende Energiepreise und versammelten mittwochabends Hunderte Menschen auf dem Alten Markt. Mit dabei: Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU). Das Problem: Die BfS forderten damals den Rücktritt der Bundesregierung. Das Innenministerium prüfte seinerzeit, ob der OB solche Forderungen im Amt auf seinen Sozialen Medien teilen dürfe, konnte jedoch kein Fehlverhalten feststellen. Jetzt fordert die BfS mit Unterstützung der lokalen CDU erneut den Rücktritt der Regierung, jedoch will man aufgrund der Bauernproteste nun am Montag demonstrieren.

Laut Ankündigung will die BfS für die „Unterstützung der Landwirte, gegen die Existenzbedrohung der arbeitenden Bevölkerung und des Mittelstands, für den sofortigen Rücktritt der Regierung in Berlin und für aktive und dauerhafte Friedenslösungen“ protestieren.

Alle bisher angekündigten Redner distanzieren sich von der Forderung nach einem Rücktritt der Ampel-Regierung. Gerd Scharmberg, der Vorsitzende der Kreistagsfraktion FDP/BfS und Bürgermeister von Born, will sich als FDP-Politiker nicht hinter die Forderung stellen. Auch Landwirt Aurel Hagen (CDU) distanziert sich von dieser Forderung. Der dritte Redner, Oberbürgermeister Alexander Badrow, soll erneut als „Privatperson“ auftreten. Auch er kann als OB aufgrund seiner Neutralitätspflicht nicht öffentlich den Rücktritt der Bundesregierung fordern oder solche Forderungen unterstützen.

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Umsturzfantasien auf der Straße

Der Deutsche Bauernverband hat bereits auf die Versuche der Vereinnahmung seiner geplanten Aktionswoche reagiert. Er distanziere sich „aufs Schärfste von Schwachköpfen mit Umsturzfantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen und Spinnern, die unsere Aktionswoche kapern und unseren Protest für ihre Anliegen vereinnahmen wollen“. Auch die AfD versucht, den Protest und die Protestierenden für sich zu gewinnen. Der Landesverband des NPD-Nachfolgers Die Heimat fordert ebenso „Solidarität mit unseren Bauern“.

Gegenüber KATAPULT MV erklärt der Präsident des Bauernverbands MV, Detlef Kurreck: „Wir distanzieren uns als Verband ganz klar von staatsfeindlichen Parolen und dulden keine Einflussnahme von Strömungen, die nicht auf dem Boden der Verfassung fußen.“ Momentan sei in den Organisationsgruppen des Bauernverbandes keine Tendenz zur Vereinnahmung oder Unterwanderung durch rechtsradikale Gruppen zu erkennen. „Sollte es solche Versuche geben, werden wir unserer Verantwortung als Hausherr und Leiter an den Versammlungsorten nachkommen und keine staatsfeindlichen Parolen oder Banner dulden. Die Landwirte zeigen jedoch sowohl als Unternehmer als auch als Privatpersonen ihren Protest.“

Innenminister Christian Pegel (SPD) verweist auf das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, appelliert aber an die Landwirte: „Passen Sie auf, mit wem Sie demonstrieren. Geben Sie Acht, dass Sie auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung bleiben.“ Extremisten versuchen laut Pegel vermehrt, Themen zu bedienen, in denen sie eine hohe Anschlussfähigkeit zu nichtextremistischen Kreisen in der Bevölkerung haben.

Nicht jeder Protest ist gleich – besonders nicht für die BfS

Die BfS hingegen, die die Ampel-Regierung für die Verfehlungen der letzten Jahrzehnte verantwortlich machen, machten zuletzt immer wieder mit kontroversen Anträgen in der Bürgerschaft von sich reden. Etwa zur Vergabe von Garagen nur an Stralsunder:innen, Friedensverhandlungen mit Russland im Stralsunder Rathaus oder mit einer umstrittenen Solidaritätsaktion. Insgesamt kamen durch die Spendenaktion der Bürger für Stralsund und der rechten Zeitung Junge Freiheit 42.000 Euro für einen LKW-Fahrer zusammen, der einen Klimaaktivisten in Stralsund angefahren hatte. Der Fahrer wurde zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro und vier Monaten Fahrverbot verurteilt. Sein Verteidiger kündigte Berufung an.

Quellen

  1. Büssow-Krämer, Wencke: Weitere Demos geplant: Stralsunder Kommunalpolitiker wollen Bauernprotest unterstützen, auf: ostsee-zeitung.de (2.1.2024).
  2. Sommer, Ines: Protest der Landwirte: Ackerbauer aus Vorpommern will in Stralsund demonstrieren: „Ohne Dieselpauschale fehlen 50 000 Euro“, auf: ostsee-zeitung.de (4.1.2024).
  3. NDR (Hg.): Klimaaktivist angefahren: Lkw-Fahrer erhält Hilfe von Rechts, auf: ndr.de (21.7.2023).
  4. Der Spiegel (Hg.): Klimaaktivisten von Straße gezerrt: Lastwagenfahrer zu Geldstrafe verurteilt, auf: spiegel.de (28.11.2023).

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