Allee Allee Allee! Nein, das soll kein Aufruf zum Losgehen sein, auch kein Fangesang im Fußballstadion oder ein Anfeuern beim Bouldern. Es ist einfach nur die Beschreibung der Straßenkonstellation in Meck-Vorp. Alleen en masse: Allein etwa 40 Prozent der Bundes- und Landesstraßen sind Alleen. Mit gut 4.375 Kilometern ist MV deutschlandweit das Bundesland mit der zweitlängsten Strecke, nur übertroffen von Brandenburg mit etwa 8.000 Kilometern. Aber: MV hat als erstes Bundesland 1992 den Schutz dieser baumbestandenen Straßen im Landesnaturschutzgesetz rechtlich verankert. Mit Alleen werden alte Baumarten erhalten, außerdem filtern sie Staub und Abgase, binden – wie alle Bäume – CO2 und tragen damit zum Klimaschutz bei, sagte zuletzt Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) auf einer Fachtagung zum Alleenschutz in Güstrow. Zudem seien sie ein guter Unterschlupf oder Rastplatz für Tiere. In MV haben Alleen aber nicht nur wegen des Naturschutzes einen besonderen Status, sondern auch wegen ihrer Stellung als Kulturgut und Tourismusmagnet. Für den Erhalt hat die Landesregierung eine eigene Alleenstrategie entwickelt und einen Alleenfonds, der 6,6 Millionen Euro für Pflege und Unterhaltung dieser Straßenverläufe bereithält.
Auch ein Teil des 2.900 Kilometer langen Naturdenkmals „Deutsche Alleenstraße“ kann MV vorweisen. Die Strecke verläuft vom Bodensee bis nach Rügen. Alleen – ein Prestigeobjekt des Landes.
Unfallfaktor Allee
Nicht vergessen darf man aber bei all den Naturschutz-, Kulturgut- und Tourismusaspekten die Zahl der Unfälle auf solchen Straßen. Zwar ist im Jahr 2020 die Anzahl der der Verkehrstoten auf 70 Personen in MV gesunken. Davon stehen laut Landesunfallstatistik aber knapp ein Drittel im Zusammenhang mit einer Baumberührung. Besonders im Herbst können besonders Alleen bei Nässe, Dunkelheit und mit zunehmendem Wildwechsel noch gefährlicher für Autofahrer:innen werden, warnt die Polizei.
Um die Sicherheit zu erhöhen, sollen neu gepflanzte Bäume wenn möglich etwas weiter abseits der Straße gesetzt werden. Die neuen Straßenverkehrsrichtlinien von Bund und Ländern geben vor, Neupflanzungen sollten mindestens 4,50 Meter von einer Straße entfernt stehen, wenn es eine Leitplanke gibt. Wenn nicht, sollten sie in einem Abstand von 7,50 Metern vom Straßenrand gepflanzt werden. Dazu müssen aber Einzelfallgespräche mit den Eigentümer:innen der angrenzenden Flächen geführt werden.
Daneben versuchen Behörden Autofahrende zu sensibilisieren, zum Beispiel mit Plakatkampagnen, Warnvideos und Aufprallsimulatoren bei Alleefahrten (alles übrigens finanziert vom Strategiefonds des Landes). Oder mit den zehn Alleegeboten des ADAC:
Gleich darunter finden sich übrigens praktische Tipps, wie man seine Reise entlang einer Allee planen sollte, damit man sie voll und ganz genießen kann.
Naturschutz am Straßenrand?
Nach Angaben des Nabu MV entspricht eine Allee generell nicht den natürlichen Gegebenheiten eines Baumes. Der Wuchs werde durch die Versiegelung des Bodens beeinträchtigt, hinzu komme die Abgasbelastung durch den Verkehr.
Wie bereits erwähnt, investiert das Land in den Erhalt und die Sicherung von Alleen. Um das Wachstum und die Baumgesundheit zu fördern, bauen die Straßenbaubehörden bei Neupflanzungen an Straßen sogenannte Wurzelbrücken ein. Damit sollen die Bäume Platz zum Ausbreiten finden.
Das Bild der traditionellen Allee wird sich langfristig verändern
Die traditionellen Alleebäume sind krank. Eichen, Eschen und Kastanien weisen zunehmend Trockenheitsschäden auf oder sind nicht mehr so resistent gegenüber Pilzbefall. Und Zweiteres resultiert aus Ersterem. Das sagt jedenfalls Franziska Scheunemann, Sachgebietsleiterin für Umwelt beim Straßenbauamt Neustrelitz. Die zum Teil mehr als 100 Jahre alten Bäume sind einerseits schon wegen ihres Alters anfälliger, zum Teil morsch. Trockenheit verstärke das Problem nur noch. Und auch junge Eichen, Eschen und Kastanien kommen mit der anhaltenden Trockenheit nicht gut zurecht. Laut den Straßenbauämtern Neustrelitz und Stralsund wachsen sie schlechter als noch vor ein paar Jahren. Und auch sie sind anfälliger gegenüber Schädlingen wie dem Eichensplintkäfer, oder Pilzen. Für Kastanien sei besonders die Miniermotte ein Problem. Eine Eschenallee bei Loitz wurde vor ein paar Jahren durch einen Pilzbefall fast komplett vernichtet.
Die Zahl der nötigen Fällungen steigt: Mussten 2018 noch 2.836 Bäume an Bundes- und Landesstraßen gefällt werden, stieg ihre Anzahl 2019 auf mehr als 3.000. 2020 waren es insgesamt 3.245. Aus eben genannten Gründen, bestätigt das Landwirtschaftsministerium MV. Regelmäßig kontrollieren die Mitarbeiter:innen der Straßenbauämter den Baumbestand. Altbäume werden mindestens einmal jährlich kontrolliert.
Aber nicht nur die Natur ist schuld, auch der Mensch: Streusalz ist ebenfalls ein lang anhaltendes und lange bekanntes Problem: Das konnte nämlich in den vergangenen Jahren nicht ausgespült werden, weil es zu selten ausreichend geregnet hat. Die Wurzeln nahmen daraufhin zu viel Salz auf und die Bäume trockneten aus.
Mehr Neupflanzungen als Fällungen
Gegenüber den Fällungen wurden aber mehr Alleebäume neu gepflanzt: insgesamt 3.311. Dabei setzen die Straßenbauämter zunehmend auf neue Arten: Ahorn und Silberlinde zum Beispiel. Die haben eine gute Schnittverträglichkeit und sind beständiger gegen längere Trockenphasen. Gepflanzt werden aber auch seit Jahren seltene einheimische Arten, wie Speierling und Elsbeere, sowie historische Obstsorten wie Apfel oder Birne. Tests laufen auch mit Gingko und Schwarznuss, sagt Landwirtschaftsminister Backhaus. Mit der Pflanzung unterschiedlicher Baumarten sollen die Ausfälle aufgrund klimatischer Veränderungen reduziert werden.
Neue Baumarten heißt aber auch, dass sich langfristig das Bild der Alleen verändern wird. Kastanien und Eichen werden ersetzt durch eben Ahorn und Silberlinden, Obstbäume und aus den Tests erfolgreich hervorgegangene weitere Arten. So wird sich laut Expert:innen das Bild in den kommenden 30 Jahren wandeln. Oberstes Ziel scheint jedoch zu sein, MV als Alleenland zu erhalten. Die Alleenlandschaft soll „weiterentwickelt werden und künftigen Generationen erhalten bleiben“, heißt es in einer Pressemitteilung der Landesstraßenverwaltung. Und auch Landwirtschaftsminister Backhaus betonte auf der Fachtagung in Güstrow, dass es für den Klimaschutz wichtig sei, „dieses kulturelle und einzigartige Erbe auch für zukünftige Generationen zu erhalten“.