Titelmissbrauch

Falscher Einberufungsbescheid zu Krieg in der Ukraine

Am 24. Februar – zwei Jahre nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine – wurden in und um Greifswald dubiose Schreiben in Briefkästen geworfen, die allem Anschein nach einen Einberufungsbefehl für Soldaten imitieren sollten. Der vermeintliche Grund: ein möglicher Einsatz gegen Russland. Behörden bestätigen mittlerweile, dass die Handzettel eine Fälschung sind. Besonders absurd: Genannte Namen und Behörden gibt es gar nicht, ihre Bezeichnungen sind aber mutmaßlich bewusst nah an der Realität formuliert. Die Polizei ermittelt nun strafrechtlich.

Die Fettenvorstadt im Greifswalder Westen. Hier leben – unweit des Zentrums – Familien und Studierende. Von dort erreicht uns eine E-Mail von Anwohner:innen, die uns über ein merkwürdiges Schreiben informieren, das über das vergangene Wochenende in zahlreichen Briefkästen des Stadtteils gefunden wurde. Ein Foto des Briefes befindet sich im Anhang: ein offiziell wirkendes Schreiben des „Wehrkreisersatzamtes Mecklenburg-Vorpommern“, das über die „Einberufung aller Männer im wehrfähigen Alter“ informiert. Verteilt am 24. Februar – genau zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine.Einige der Textstellen sollen allem Anschein nach besonders unter Druck setzen: Alle Männer, die das Schreiben ignorieren, würden als „politisch unzuverlässig eingestuft“ und in der „sogenannten Pazifistendatei erfasst“, heißt es.Auffällig sind zudem die durchgestrichenen Textpassagen. Der „Angriff auf Russland“ wurde durch „Verteidigung unserer Demokratie“ ersetzt, „westliche Aggression“ durch „Landesverteidigung gegen Russland“. Das Schreiben kritisiert die aktuelle Politik und versucht, Lesende unter Druck zu setzen. Ein offizielles Dokument ist es nur dem formalen Anschein nach.

Falsche Infos unter offiziellem Anstrich

Der Handzettel ist voll von formal behördlich aussehenden Kennzeichen, wohinter aber nur wenig real existierender Inhalt steckt: Als Absender wird das „Wehrkreisersatzamt Mecklenburg-Vorpommern“ genannt. Tatsächlich aber ist nur das Kreiswehrersatzamt in MV zu finden, das dem Landeskommando angegliedert und unter der angegebenen Adresse zu finden war. Denn heute existiert es nicht mehr, erklärt das Landeskommando auf Nachfrage. Auch die Personenkennziffer, die auf dem Anschreiben zu finden ist, sei keine gängige für die Behörde. Die genannte Person arbeite nicht beim Kommando, lediglich eine mit ähnlich klingendem Namen. Was tatsächlich noch zum Landeskommando führe, sei die angegebene Telefonnummer. Bei genauerer Betrachtung fällt außerdem auf: Das abgebildete Wappen gehört zum Landeskommando von Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings ist es gespiegelt.

Laut der zuständigen Pressestelle ist es die erste Aktion dieser Art in MV. Auch das Landeskommando wurde durch Zuschriften darüber informiert. Die Behörde hoffe auf eine einmalige Aktion, noch mehr aber, dass Lesende sich nicht beunruhigen lassen. Beim Lesen müsse jedem auffallen, dass da etwas nicht stimmen kann. Vor allem laufe nach der Aussetzung der Wehrpflicht eine Einberufung nur noch über eine vorherige freiwillige Anmeldung.

Anzeige wegen Missbrauchs von Titeln

Auch das Polizeipräsidium Neubrandenburg wurde bereits über den Vorfall informiert und erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Die Strafanzeige laufe unter §132 a StGB wegen Missbrauchs von Titeln. Das Strafmaß reicht hierbei bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe.

Wer Hinweise auf die Herkunft des Schreibens geben kann, solle sich an die Polizei wenden – an jede Dienststelle oder über die Onlinewache, so eine Sprecherin. Nach einem Aufruf in den sozialen Medien seien bereits mehrere Anhaltspunkte eingegangen, die nun untersucht werden. Aus anderen Orten sind aktuell keine Schreiben bekannt.

Ukraine-Konferenz gegen Einsatz europäischer Bodentruppen

Am 27. Februar hatte der französische Präsident Emmanuel Macron 20 Staats- und Regierungsoberhäupter zu einer Konferenz nach Paris eingeladen, auf der über die aktuelle Situation in der Ukraine gesprochen wurde. Einer der Gründe für das Treffen ist der mögliche Wegfall von Militärunterstützung aus den USA.

Während der Konferenz schloss Macron einen Einsatz von Bodentruppen aus Europa oder der Nato in der Ukraine nicht aus. Diese Aussage stieß unter anderem beim deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf Kritik. Dieser beteuerte in einer Presseerklärung zur Konferenz, dass es aktuell keine Einigkeit zum Einsatz von EU- oder Nato-Soldat:innen gebe.

Quellen

  1. Telefonat mit der Pressestelle des Landeskommandos MV am 26.2.2024.
  2. Telefonat mit der Pressestelle des Polizeipräsidiums Neubrandenburg am 26.2.2024.
  3. § 132a Strafgesetzbuch (StGB).
  4. Telefonat mit der Pressestelle des Polizeipräsidiums Neubrandenburg am 29.2.2024.
  5. Konrad-Adenauer-Stiftung (Hg.): Deutsch-Französische Spannungen und europäischer Handlungsdruck, auf: kas.de (28.2.2024).
  6. Bundesregierung (Hg.): Pressestatement von Bundeskanzler Scholz zur Unterstützungskonferenz für die Ukraine in Paris am 27. Februar 2024, auf: bundesregierung.de (27.2.2024).

Autor:innen

  • Bild von Patrick Hinz, Chefredakteuer Katapult MV

    Chefredakteur

    Geboren in Vorpommern, aufgewachsen in Mecklenburg. Einziger KATAPULT-Redakteur mit Traktorführerschein UND Fischereierlaubnis.

  • Bild von KATAPULT MV Redaktionsleiterin Martje Rust

    Redaktionsleitung

    Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach MV.