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Windkraft auf der Ostsee

Neue Flächen zwingen Forschung und Wirtschaft zur Zusammenarbeit

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Lesedauer: ca. 4 Minuten

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Der neue Flächenentwicklungsplan für die deutschen Meeresgebiete soll den Ausbau von Windkraftanlagen auf See vorantreiben: Von der derzeit installierten Leistung von 8,1 Gigawatt soll es durch die Ausweisung neuer Flächen bis 2030 auf insgesamt 30 Gigawatt hochgehen.

Die neu ausgewiesenen Gebiete auf See grenzen an die bisherigen. Beeinträchtigungen für den Schiffsverkehr seien nicht zu erwarten. Einzig eine Schifffahrtsroute namens SO5 nordöstlich von Rügen falle künftig weg, da in einer näheren Analyse deutlich wurde, „dass diese Flächen nicht zwingend für die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs benötigt werden“, wie eine Sprecherin des Bundesamtes mitteilt. Aus diesem Grund werde das entsprechende Areal ab 2025 zu einem sogenannten Vorbehaltsgebiet für Windenergie umgewidmet.

Fläche des Thünen-Instituts jetzt auch Windkraft-Gebiet

Eine der neu ausgewiesenen Flächen überschneidet sich allerdings mit einer Forschungsfläche des Thünen-Instituts für Ostseefischerei. Sie liegt zwischen zwei bestehenden Windparks und wurde schon vor vier Jahren als sogenanntes Vorbehaltsgebiet ausgewiesen. Bisher betreiben die Wissenschaftler:innen des Instituts dort angewandte Forschung zu Fischbeständen und Auswirkungen von Schleppnetzfischerei. Für die Fortführung der langfristigen Datenreihen müsse die Fläche weiterhin zur Verfügung stehen, sagt Christian von Dorrien vom Thünen-Institut in Rostock. Seit Jahren werden die Daten an den gleichen Stellen erhoben. Somit könnte das Gebiet nun eines der ersten werden, in denen Windkraftbranche und Fischereiforschung kooperieren.

Zumindest theoretisch sei das vorstellbar, sagt von Dorrien. Es gebe aber noch Hürden. Normalerweise sind Windparkflächen für den Fischereibetrieb gesperrt. Auch Forschungsschiffe bekommen aus Sicherheitsgründen keinen Zugang.

Gespräche laufen

Da das Thünen-Institut in diesem Gebiet die Forschung mit Schleppnetzen durchführt, war zunächst auch der Zugang zu seinem Forschungsgebiet nicht geklärt. Denn die Netze, die zum Fischen an rund 150 Meter langen Kurrleinen über den Meeresgrund geschleppt werden, könnten sich an den Unterseekabeln der Anlagen verhaken, die die Windparks miteinander vernetzen. Die Kabel müssten eingegraben werden. Auch brauche das Forschungsschiff einen bestimmten Platz zum Manövrieren, um nicht mit den Anlagen zu kollidieren. In diesem Fall müssten rund 1.000 Meter Abstand zwischen den Offshore-Anlagen sein, erklärt von Dorrien. Das aber liege im Ermessen des jeweiligen Betreibers. Normalerweise stehen die einzelnen Turbinen jeweils 500 bis 700 Meter voneinander entfernt.

Einige der Betreiberunternehmen hätten bereits das Forschungsinstitut angefragt, wie man gemeinsam auf der Fläche agieren könne. So habe man zum Beispiel nach den Geodaten gefragt, um die Routen des Forschungsschiffs bestimmen zu können. So könnten möglicherweise die Abstände der neuen Windkraftanlagen angepasst werden. Ein Gedanke wäre, so der Wissenschaftler, eine Reihe der Anlagen in einem Windkraftparks wegzulassen. Dann würde ein knapp eintausend Meter breiter Schleppkorridor entstehen – ausreichend für die Forschung. Dafür müsste das Betreiberunternehmen aber auf Geld und erzeugten Strom verzichten.

Auch müsste der Reeder der Forschungsschiffe – die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung – sowie die Wasser- und Schifffahrtsdirektion den Plänen zustimmen. Hier gebe es ebenfalls bereits Gespräche. Dabei stehe vor allem die Sicherheit der Schiffe und Anlagen im Vordergrund.

Neue Forschung ohne Schleppnetze

Während die Offshore-Wirtschaft nach Lösungen sucht, werden auch am Thünen-Institut neue Methoden erprobt, um langfristig die Fischfauna untersuchen zu können – zwischen Windkraftanlagen und ohne Schleppnetze. So geht es in einer aktuellen Doktorarbeit um die Möglichkeit, mit Kameras dieselben Ergebnisse in der Datenerhebung zu erhalten wie bisher mit Schleppnetzen. Denn über kurz oder lang, so von Dorrien, könne die Schleppnetzfischerei aus naturschutzrechtlichen Gründen in einigen Gebieten verboten werden.

Ebenfalls noch unklar sei, was genau sich durch einen neuen Windpark auf der Forschungsfläche für die Tierbestände ändert. Aber auch diese Forschung könnte wichtige Daten für die künftige Fischereiwirtschaft liefern.

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Fußnoten

  1. E-Mail vom 30.1.2023.
  2. Telefonat am 31.1.2023.

Autor:innen

Redakteurin bei KATAPULT MV.

Redaktionsleitung bei KATAPULT MV.

Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach Meck-Vorp.

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