Anklam
„Da sind sie wieder, die linken Schwuchteln.“ Diese Aussage begrüßt uns um 17:35 Uhr auf dem Anklamer Marktplatz. Sie kommt von einem Passanten. Ziel der Beschimpfung: Die Menschenkette vor dem Rathaus. 42 Personen, die mit Schals eine Menschenkette bilden, manche halten zudem Kerzen in den Händen. Es ist die Gegenveranstltung zu den „Spaziergängen“ der Coronamaßnahmenkritiker. Auch Marius Denda, der 17-jährige Schüler und Aktivist, ist wieder als Organisator der Menschenkette unter dem Motto „Freiheit, Solidarität und Demokratie“ dabei. Ein weiterer Mann tritt auf die Teilnehmer:innen der Menschenkette zu, beschimpft sie. Er wird von Polizei und Ordnern weggeschickt. Gewaltfreiheit sei ihm wichtig, sagt Denda mit Blick auf die nun zum zweiten Mal stattfindende Menschenkette. Leider seien diesmal weniger gekommen, schätzt er.
17:50 Uhr, der Platz füllt sich mit Grüppchen. Sie gehören zu den „Spaziergängern“, die sich wie immer unangemeldet zu einer Demo gegen die Hygienemaßnahmen versammeln. Viele tragen keine Maske, vereinzelt sind sie mit ihren Kindern gekommen. Nach Schätzungen der Polizei sind es insgesamt 250 bis 300 Menschen.
Er habe auf der anderen Seite auch schon Leute erkannt, sagt Denda. „Es ist ein befremdliches Gefühl, wenn man Bekannte auf der Gegenseite sieht.“ Für eine Viertelstunde steht die Menschenkette mit ihren Kerzen und Schals den Gegnern der Corona-Maßnahmen gegenüber. Zwischen 40 und 50 Leute haben diesmal an der Aktion teilgenommen, hat die Polizei gezählt. Es sind also so viele wie letztes Mal. Kurz nach 18 Uhr verlassen die Corona-Gegner den Marktplatz und „spazieren“ – von der Polizei begleitet – die Burgstraße hinunter. Jetzt wird es laut in Anklams Straßen. Für die Menschenkette auf dem Marktplatz ist es das Auflösungszeichen. Auch Erik von Malottki, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Mecklenburgische Seenplatte I/Vorpommern-Greifswald II war darunter. Im Vergleich zu letzter Woche habe er das Gefühl, es seien auf der Gegenseite weniger geworden, sagt er optimistisch. Die Mehrheit der Bevölkerung sei für die Maßnahmen, deshalb sei auch er heute gekommen.
Louise Blöß und Swantje Furtak
Greifswald
Um kurz vor 18 Uhr beginnen circa 20 Personen, auf dem Marktplatz mehr als 1.500 Grablichter als Mahnwache aufzustellen. Jede Kerze soll für eine Person stehen, die in MV an Corona verstorben ist. Sie sind auch als Signal gedacht: an die Teilnehmer:innen der für 19 Uhr angemeldeten Kundgebung mit dem Titel „Mein Körper, meine Wahl“ am selben Ort. Diese richtet sich gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und zählt ungefähr 500 Teilnehmer:innen. Der Markt ist zweigeteilt in einen Bereich für die Mahnwache und einen für die Kundgebung. Um die Kerzen der Mahnwache herum sammeln sich während der Kundgebung Menschen mit Transparenten, die für Impfungen gegen Corona und Solidarität werben.
Nach Ende der Kundgebung auf der anderen Hälfte des Platzes löschen die Organisator:innen und Helfer:innen auch die Kerzen der Mahnwache. Die Kundgebungsteilnehmer:innen formieren sich zu einem Demonstrationszug und ziehen dann in Richtung Europaplatz. Dort und an mehreren weiteren Stellen entlang der Strecke werden die Teilnehmer:innen der Demonstration immer wieder mit Gegenstimmen in Form von Transparenten und Zurufen konfrontiert. Die Polizei setzt einen Gutteil ihrer Kräfte dazu ein, Personen vom Demonstrationszug fernzuhalten. Mehrfach versuchen einzelne Personen, den Aufzug zu stoppen, indem sie sich auf die Straße setzen. Sie werden jeweils sofort weggetragen und daran gehindert, weiter der Demonstration zu folgen. Gegen 21:15 Uhr erreicht der Demonstrationszug wieder den Markt und löst sich dort auf.
Andreas Lohner
Neubrandenburg
In Neubrandenburg treffen die beiden angemeldeten Demonstrationen nicht aufeinander, sondern finden nacheinander statt. Unter dem Motto „Solidarität statt Schwurbel“ versammeln sich bereits um 17 Uhr 70 Menschen. Sie demonstrieren bewusst im Vorfeld, um nicht auf Konfrontationskurs zu gehen, sondern mit einem Pavillon und Bannern ein Zeichen für Solidarität zu setzen. Ab 19 Uhr versammeln sich dann nach Angaben der Polizei bis zu 1.800 Personen, um einen knapp vier Kilometer langen „Spaziergang“ durch die Innenstadt zu machen. Die Veranstalter betonen in ihrer Ansprache, dass es in Neubrandenburg noch keine Maskenpflicht auf ihrer Veranstaltung gebe.
Schwerin
Auch hier versammeln sich gegen 18 Uhr Kritiker:innen der Hygienemaßnahmen, hier ist die Demo allerdings angemeldet. Der Zug trifft sich am Bertha-Klingberg-Platz und schon zu Beginn sind es gut 1.000 Teilnehmer:innen, später sollen es laut Polizeiangaben bis zu 2.400 Menschen gewesen sein. Demgegenüber befanden sich dort auch 20 bis 30 Gegendemonstrant:innen der Linksjugend, die regelmäßig gegen den Aufzug protestieren.
Zu Beginn der Demo beklagt sich Daniel Gurr, der Organisator des Aufzugs, über die Berichterstattung der SVZ. Verleumdung sei das und lächerlich, und an den Anschuldigungen, er würde den Holocaust verharmlosen, sei nichts dran. Stattdessen sei er Christ und habe eine ganz besondere Verbindung zu Juden und zu Israel.
Peter Scherrer
Güstrow
In Güstrow treffen sich um 18 Uhr etwa 300 bis 400 Leute am Rathaus zu einer unangemeldeten Demonstration gegen die Corona-Politik. Gegen sie protestiert eine kleine Gruppe junger Erwachsener – am Ende sind es um die 15 Jugendliche. Sie haben ihre Versammlung angemeldet und wollen in Zukunft einmal im Monat einen Gegenprotest zu den Maßnahmenkritikern organisieren. Gegen 18:30 Uhr löst sich der „Spaziergang“ der Kritiker auf.
Benjamin Fredrich
Rostock
Auch hier haben sich wieder Menschen jeglichen Alters versammelt, um gegen die Hygenemaßnahmen zu demonstrieren. Auch in dieser Woche startet die Demo nicht pünktlich, weil es zu wenig Ordner gibt. Die Polizei spricht von insgesamt 3.000 Leuten. Am Rande der August-Bebel-Straße befindet sich eine Gegendemo zu dem Aufzug mit 300 bis 400 Teilnehmer:innen. Insgesamt sollen laut Polizeiangaben auf insgesamt vier Gegenprotesten, die alle störungsfrei verliefen, um die 500 Personen zusammengekommen sein.
Kurz vor 19 Uhr löst die Polizei die Demo gegen die Corona-Politik auf. Gründe: Einsatz von Pyrotechnik in der Demo, fehlende Masken, zu wenig Ordner.
Patrick Hinz, Heiner L. Beisert und Benjamin Fredrich