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Asylrecht

Greifswalder soll nach sieben Jahren abgeschoben werden

Seit sieben Jahren lebt Mbaye Faye aus dem Senegal in Greifswald. Er spricht Deutsch und hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Koch. Heute sollte er trotzdem abgeschoben werden. Das versuchen die Initiative Pro Bleiberecht zusammen mit ehrenamtlichen Helfer:innen zu verhindern.

Rund ein Dutzend Menschen war gestern auf der spontanen Kundgebung vor dem Abschiebegefängnis im schleswig-holsteinischen Glückstadt, um die Rückführung eines 51-Jährigen aus dem Senegal zu verhindern. Mbaye Faye floh vor sieben Jahren nach Greifswald. Dort begann er eine Ausbildung zum Koch Er schaffte die Prüfung 2021 nicht, bekam aber trotzdem einen unbefristeten Arbeitsvertrag in einem Restaurant. Jetzt sitzt er im Abschiebegefängnis in Glückstadt. Zum zweiten Mal innerhalb von knapp einem Monat.

„Reiner Abschiebewahnsinn“

Nach Angaben der Besuchsgruppe für Menschen in Abschiebehaft Glückstadt, deren Mitglieder Inhaftierte ehrenamtlich besuchen und unterstützen, sei das Prozedere reiner „Abschiebewahnsinn“: Demnach wurde Faye Ende April in die Abschiebehaft nach Glückstadt gebracht, um ihn kurz darauf zurück in den Senegal zu fliegen. Am Flughafen in Berlin stellte sich dann heraus, dass die begleitenden Vollzugsbeamt:innen den falschen Flug gebucht hatten. So musste die Abschiebung abgebrochen werden. Daraufhin wurde er ins Polizeirevier nach Greifswald und anschließend zurück nach Glückstadt gebracht. Mit der Ankündigung, ihn am 7. Juni abzuschieben.

Die Mitglieder der Besuchsgruppe haben sich zusammen mit der Rostocker Initiative Pro Bleiberecht nun mit einem offenen Brief an MVs Parteien und das Innenministerium gewandt, um das zu verhindern. Mbaye Faye sei nach sieben Jahren gut integriert, habe einen Job und es gebe keinen Anlass zu einer Rückführung. Fredrik Nedelmann, Sprecher der ehrenamtlichen Besuchsgruppe, sagt: „Wir haben keinerlei Verständnis für den schikanösen Umgang der Behörden mit Herrn Faye. Einem Mitmenschen, der Teil unserer Gesellschaft geworden ist und für sich selbst sorgen kann, grundlos die Freiheit zu entziehen, ist beschämend. Wir fordern die umgehende Haftentlassung und ein Bleiberecht.“

Wo bleibt das neue Bleiberecht?

Auf Nachfrage heißt es vom Landesflüchtlingsrat MV, dass es sich hierbei um einen „ungewöhnlichen Fall“ handele. Denn das Recht biete Möglichkeiten: In MV gibt es den sogenannten Chancenaufenthalt, mit dem es Menschen schon nach fünf Jahren in Deutschland unter gewissen Umständen möglich ist, einen Aufenthaltstitel zu bekommen. Das gelte auch für Mbaye Faye, fordert Pro Bleiberecht auf Twitter.

Allerdings ist das nur eine speziell von MVs Landesregierung eingeführte Zwischenlösung. Das bundesweite Gesetz sieht weiterhin vor, Menschen nur zu dulden, wenn sie mehr als acht Jahre in Deutschland sind. Ein neues Gesetz, das den Zeitraum auf fünf Jahre verkürzen soll, ist derzeit noch in Bearbeitung. So hat die Vorgriffsregelung der Landesregierung keine bindende Wirkung auf die Entscheidungen der zuständigen Ausländerbehörde, erklärt der Flüchtlingsrat. Sicher sein könne man sich daher nie, bevor man nicht einen vollständigen Aufenthaltstitel bekommt. Auch ein Arbeitsplatz sei nach aktueller Gesetzeslage nicht ausreichend.

Es gebe aber Möglichkeiten, das Aufenthaltsrecht im Einzelfall noch einmal genauer zu prüfen und so eine Abschiebung hinauszuzögern. Beispielsweise nach Paragraf 25b des Aufenthaltsgesetzes, wenn die Person über Kenntnisse der Landessprache verfügt und ihr Lebensunterhalt gesichert ist. Auch die Ausbildung könne als Grund für eine Verzögerung der Abschiebung genutzt werden. Problematisch sei im Fall von Faye, dass der Senegal als sicheres Herkunftsland gilt, so der Flüchtlingsrat. Zudem gebe es viele schwammige Paragrafen, deren Auslegung bei der zuständigen Behörde liege. In diesem Fall ist das die Greifswalder Ausländerbehörde. Die Pressestelle des Landkreises Vorpommern-Greifswald teilt auf Anfrage mit, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Angaben zum konkreten Einzelfall gemacht werden könnten. Das Innenministerium erklärte, dass es aktuell noch auf Informationen der zuständigen Stelle warte.

Von der Besuchsgruppe in Glückstadt hieß es am Nachmittag, dass Mbaye Faye noch immer in der Abschiebehaft sitze. Morgen oder übermorgen solle der Flug gehen. Man hoffe, das irgendwie noch verhindern zu können. Leider habe das Gericht seiner Person des Vertrauens immer noch nicht die Akte zukommen lassen, obwohl diese vor mehr als zwei Wochen angefordert wurde.

Ausgang: offen.

Aktualisierungshinweis vom 10.6.2022: Mbaye Faye ist drei Tage nach Veröffentlichung des Artikels abgeschoben worden.

Quellen

  1. @bleiberecht_mv: Beitrag vom 3.6.2022, 10:07 Uhr, auf: twitter.com.
  2. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hg.): Sichere Herkunftsstaaten, auf: bamf.de (14.11.2019).

Autor:in

  • Bild von KATAPULT MV Redaktionsleiterin Martje Rust

    Redaktionsleitung

    Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach MV.

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