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Baupreisentwicklung

Kostenspirale in MVs Baubranche

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Lesedauer: ca. 5 Minuten

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Eine Preissteigerung von 54 Prozent im Stahl- und Metallbau, 30 bis 40 Prozent höhere Kosten für Holz- sowie für Putz- und Stuckarbeiten. Laut einer Ende 2021 durchgeführten Umfrage des Baukosteninformationszentrums Deutscher Architektenkammern (BKI) unter Architekt:innen zur Entwicklung der Baukosten führt Meck-Vorp im Bundesvergleich deutlich. Die Datenerhebungen des BKI sind die Grundlage für Kostenplanungen und werden deutschlandweit von mehr als 100.000 Bauunternehmen genutzt.

Weltweite Lieferengpässe

Deutschlandweit sind die Preise in den zentralen Gewerken für den Hochbau seit Jahresbeginn um durchschnittlich 20 Prozent gestiegen. Auch in den vergangenen Jahren hätten die Preise bereits kontinuierlich angezogen, jetzt aber habe es noch einmal einen deutlichen Sprung gegeben, so das Fazit der Umfrage. Das liege zum Großteil an der weltweiten Rohstoffknappheit und Lieferengpässen. Letztere resultieren vor allem aus grenzüberschreitenden Handelsbeschränkungen während der Corona-Pandemie. Seit dem Frühjahr habe sich der Trend durch die weltweit wachsende Nachfrage nach Rohstoffen und Baumaterial noch einmal verstärkt.

Kostensteigerungen in der Branche sind also ein deutschlandweites Phänomen. Aber warum ist der Preisanstieg gerade in Mecklenburg-Vorpommern so hoch?

Zusammenspiel mehrerer Faktoren

Der Präsident der Architektenkammer MV, Christoph Meyn, vermutet, dass sich mehrere ungünstige Rahmenbedingungen in Mecklenburg-Vorpommern überlagern: So sei die Preissteigerung neben der weltweiten Rohstoffknappheit auch auf eine jüngste Angleichung an den bundesweiten Durchschnitt zurückzuführen. Man habe sich an die Preise aus anderen Bundesländern angepasst. Bauprojekte in MV waren bis vor Kurzem noch vergleichsweise günstig. Die Erhöhung hin zu bundesweit ähnlichen Preisen sei deshalb jetzt sehr hoch gewesen. Die Gewerke kämpfen derzeit zudem enorm mit den Lieferengpässen und damit verbundenen hohen Einkaufspreisen, die auch noch sehr stark schwanken. Um die Sicherheit des eigenen Unternehmens zu gewährleisten, setzen die Firmen ihre Angebote demnach generell höher an.

Und dadurch, dass sie keine große Konkurrenz in ihren Regionen haben, müsse man sich auch wettbewerbsmäßig weniger anpassen, so Meyn. Hinzu komme die Tendenz des zunehmend hohen Anleger- und Investitionsdrucks in den vergangenen Jahren vor allem in den küstennahen Regionen. MV ist attraktiv für Leute, die Geld in Immobilien investieren wollen.

Aber Bauherr – ob privat oder öffentlich – möchte man derzeit nicht sein, bilanziert Meyn. Selbst bei kleineren Reparatur- oder Malerarbeiten könne es schon mal ein halbes Jahr Wartezeit werden.

Gute Auftragslage, aber zu wenig Fachkräfte

An Aufträgen fehlt es beispielsweise Mario Nimz, Hoch- und Trockenbauer aus Stralsund, nicht. Er und seine 45 Mitarbeiter:- innen haben gut zu tun, sind von Rostock über Rügen bis nach Demmin unterwegs. Das Auftragsbuch ist bis Juni 2022 gefüllt. Wer im Frühjahr ein Haus bauen will, müsste dringend schon jetzt Angebote eingeholt haben, sagt er. Hätten sich von Anfang der 2000er bis etwa 2013 Firmen noch um Aufträge geprügelt, seien es mittlerweile so wenige, dass die Auftragslage „einen gut schlafen lässt“. Die Gründung neuer Unternehmen ist in naher Zukunft nicht in Sicht.

Aber auch auf die Handwerksfirmen wirkt sich die weltweit angespannte Lage aus: Sie müssen damit fertig werden, dass Baustoffhändler derzeit gerade mal eine Preisbindung von vier bis maximal acht Wochen haben. Danach könnten sich die Preise immer wieder stark verändern, sagt Nimz. Bauaufträge aber werden weit im Voraus geplant, die eigene Kalkulation erschwere das enorm. Er kenne zwar einige Bauherren, die am Ende eines Projekts auch offen seien, einen gewissen Mehrpreis zu zahlen. Öffentliche Bauvorhaben aber seien zum Beispiel durch Förderzuschüsse in ihrer Kulanz ziemlich eingeschränkt.

Die große Frage sei, wie sich das Ganze wieder erholen könne, sagt Kammerpräsident Meyn. Von einer Entspannung auf dem Weltmarkt sei derzeit nicht auszugehen. Deshalb müsse man andere Strategien finden. Die Landespolitik müsse Handwerksberufe wieder attraktiver machen, Stellen schaffen. Da lasse sich mit verhältnismäßig geringen Mitteln eine große Wirkung erzielen, führt er an: Der Architekt:innenberuf sei derzeit gar nicht so unattraktiv. Bewerber:innen gebe es im Gegensatz zu vielen Ingenieurdisziplinen derzeit in großer Zahl. Um die Studierenden schnellstmöglich auf den Arbeitsmarkt zu etablieren, werden schon Kooperationsmodelle mit den Hochschulen besprochen, etwa einen berufsbegleitenden Masterstudiengang in Wismar. Diese Pläne allerdings müssten auch von der Landesregierung mitgetragen werden.

Baubranche im neuen Koalitionsvertrag nicht erwähnt

Und da wären wir beim nächsten Problem: Die Baubranche wird im neuen Koalitionsvertrag nicht mal erwähnt. Ihr Stellenwert scheine nicht so bedeutend zu sein, wie er sollte, so Meyn. In der letzten rot-roten Koalition Anfang der 2000er hatte sich die Landesregierung deutlich dafür ausgesprochen, Bauprojekte voranzubringen. Seitdem gehe die Entwicklung aber mehr und mehr zurück.

Auch müsse sich die Politik nicht nur auf Neubauten und energetische Sanierungen konzentrieren, sondern vielmehr auf die Reaktivierung alter Bestände. Die Baukultur müsse wieder bewusster in den Fokus rücken – auch im Hinblick auf neue, umweltschonende Bauweisen. 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes werde momentan vom Bausektor verursacht. Das gehe anders, sagt Meyn – innovative Ideen sind gefragt. Und die würden auch langfristig Nachwuchs an Architekt:innen, Ingenieur:innen und Handwerker:innen nach MV locken. Bislang fehlen seiner Ansicht nach aber die Zeit für das Ausprobieren neuer Konzepte und das politische Interesse.

Nachwuchs- und Innovationsförderung jedoch sind nur zwei von vielen nötigen Lösungsansätzen. Die akuten Preissteigerungen und Lieferengpässe können auch dadurch nicht behoben werden. Dafür sei das Problem zu vielschichtig, betont der Präsident der Architektenkammer. Zukunftsprognosen will niemand aus der Branche wirklich wagen. Und so bleibt unklar, wie lange sich die Spirale noch drehen wird.

Das BKI kann sich derzeit nur behelfen, indem es allen Bauherr:innen empfiehlt, vorab genau zu prüfen, ob das Projekt auch bei möglicherweise höher anfallenden Kosten finanzierbar ist.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 3 von KATAPULT MV.

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Fußnoten

  1. Bielefeld, Bert; Kalusche, Wolfdietrich: Aktuelle Baukosten-Risiken und -Steigerungen – Bewertung mit neuen bundesweiten BKI-Analysen, auf: bki.de (15.10.2021)

Autor:innen

Redaktionsleitung bei KATAPULT MV.

Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach Meck-Vorp.

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