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Eine vom Energiewirtschaftlichen Institut Köln (EWI) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erstellte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die teilweise noch in der Planung befindlichen Flüssiggasterminals in ihrer bisherigen Dimension für die Deckung des deutschen und europäischen Gasbedarfs nicht notwendig sind. Die Kapazität des geplanten LNG-Terminals vor Rügen käme sogar noch hinzu, da es in der Analyse nicht berücksichtigt wurde.
Vor der Küste der Insel sollen zwei Anlegeplattformen verankert werden, an denen bis zu vier LNG-Schiffe anlegen können. Gegen das Großprojekt regt sich erheblicher Widerstand. Die nun veröffentlichte Studie zeigt, dass der Bau in den geplanten Ausmaßen für die Energiesicherheit gar nicht notwendig ist.
Das EWI geht in seiner Analyse der globalen Gasmärkte bis 2035 von einer benötigten LNG-Kapazität in Deutschland von 40 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2030 aus. Dagegen kalkuliert das Bundeswirtschaftsministerium bislang mit einer Kapazität von über 70 Milliarden Kubikmetern. Die geplanten fünf staatlichen Terminalschiffe sowie die beiden Terminalschiffe der Deutschen Regas in Lubmin wären laut EWI-Analyse nur in einem Extremszenario mit gestiegenem Gasverbrauch bis 2035 vollständig ausgelastet. Dieses Szenario widerspreche jedoch den von der Bundesregierung selbst gesetzten Klimazielen.
„Die aktuelle Größenordnung des LNG-Ausbaus ist nicht notwendig. Wir sollten die Zahl der geplanten LNG-Terminals nach unten korrigieren“, erklärt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Die Bedarfsanalyse zeige, dass eine LNG-Überkapazität geplant werde. „Was jetzt angeschoben wurde, ist schon zu viel.“ Die Planungen würden auf unnötige, teure und umweltfeindliche Investitionsruinen hinauslaufen, so Müller-Kraenner.
Die EWI-Studie zeige außerdem, dass die Planungen den Klimazielen widersprechen. Von drei verwendeten Szenarien zu Gasangebot und -nachfrage stehe lediglich eines in Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen. In diesem Szenario wären die deutschen LNG-Terminals im Jahr 2030 nur zwischen 13 und 18 Prozent ausgelastet. Bei Einhaltung der Klimaziele wäre lediglich ein Fünftel der unterstellten LNG-Kapazität oder rund sieben Milliarden Kubikmeter pro Jahr notwendig. Dies entspricht der Leistung eines einzelnen voll ausgelasteten Terminalschiffs.
In keinem der drei vom EWI erhobenen Szenarien ist die Verwirklichung von Projekten notwendig, die sich aktuell noch in der Planungsphase befinden. Auch dann nicht, wenn der Gasbedarf bis 2035 nicht reduziert werden würde.
Haushaltsausschuss entscheidet über weiteres Vorgehen
„Die Politik muss entscheiden. Wir wissen nun, welchen Bedarf es gibt und wie er gedeckt werden kann. Anlagen und Terminals, die darüber hinausgehen, sollten nicht gebaut werden“, sagt Müller-Kraenner und fordert ein Umdenken sowohl im Wirtschaftsministerium als auch in der Regierung. „Die Diskussion darüber, was notwendig ist und was nicht, beginnt. Dazu gehört auch die Frage, ob wir mit den bisherigen Planungen über das Ziel hinausgeschossen sind.“ Besonders die vorgesehenen LNG-Terminals vor Rügen und Lubmin sollten hinterfragt werden. Sie befinden sich in unmittelbarer Nähe zu Naturschutzgebieten.
Die interne EWI-Analyse soll Grundlage eines Berichts der Bundesregierung an den Haushaltsausschuss des Bundestags sein. Dort wird entschieden, ob der LNG-Ausbau vom Bund bestätigt und finanziert wird oder ob die geplanten Projekte neu geprüft werden müssen.
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Autor:innen
ist KATAPULT MVs Inselprofi und nicht nur deshalb gern am Wasser. Nutzt in seinen Texten generisches Femininum.