Stadtverwaltung Rostock
Neonazi bald mit Führungsverantwortung?
Von Victoria Flägel und Morten Hübbe
Lesedauer: ca. 4 Minuten
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An der freiheitlich-demokratischen Einstellung von Marcel Prätorius gibt es offenbar erhebliche Zweifel. So soll er Mitglied der neonazistischen Kameradschaft Festungsstadt Rostock und in lokale NPD-Strukturen eingebunden gewesen sein. In der mittlerweile verbotenen Heimattreuen deutschen Jugend (HDJ) soll er sich ebenfalls engagiert haben wie in der Rockergruppe East Coast Brotherhood Rostock
Prätorius habe Kontakt zur Nazi-Hooligan-Gruppe Nordische Wut in Rostock, war 2020 Ordner eines neonazistischen Trauermarsches in Dresden und demonstrierte regelmäßig mit bekannten Neonazis gegen Coronamaßnahmen.
Zugang zu sensiblen Gesundheitsdaten?
Für den Verein Bunt statt braun ist Prätorius’ Beschäftigung im öffentlichen Dienst daher nicht tragbar. Eine derartige Personalentscheidung sei für das Ansehen Rostocks katastrophal, heißt es in einem offenen Brief an den kommissarischen Oberbürgermeister der Hansestadt, Chris von Wrycz-Rekowski (SPD). „Nicht nur die Gesundheitsdaten von hunderten von Bürgerinnen und Bürgern wären gefährdet, auch für die Beschäftigten wäre es eine unerträgliche Situation“, schreibt der Verein.
Die Stadtverwaltung selbst hält sich bedeckt. Mit Verweis auf das Landespressegesetz könne zu konkreten Personalverfahren keine Auskunft gegeben werden. Das Gesundheitsamt sei jedoch ein sensibler Arbeitsbereich. An der Verfassungstreue führender Angestellter dürfe daher kein Zweifel bestehen, erklärt ein Sprecher der Stadt.
Auch wenn für Beschäftigte und Bewerberinnen kein Generalverdacht besteht: Entsprechenden Hinweisen sollte nachgegangen und daraus rechtliche Konsequenzen gezogen werden. Wie geeignet außerdem ein Corona-Leugner in einer Führungsposition im Gesundheitsamt ist, ist eine weitere Frage. Unter diesen Voraussetzungen hat die Stadt vermutlich keine Wahl: Marcel Prätorius wird die ihm zugedachte Position nicht antreten dürfen.
Weitere bedenkliche Personalien?
Erst kürzlich beschlossen Gemeinde- und Landeswahlausschuss, Ex-AfD-Mann und Bürgerschaftsmitglied Stefan Treichel nicht als Kandidat zur OB-Wahl zuzulassen, da erhebliche Zweifel an seinem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorlagen.
Doch der Fall Prätorius offenbart auch die mangelhafte Prüfung der Eignung von Beamtinnen in der Stadtverwaltung Rostock. Auf diese Prüfung bezog sich beispielsweise OB-Kandidat Michael Ebert (Einzelkandidat, gestützt von FDP und CDU/UfR): Er musste für seine Bewerbung als OB-Kandidat offenlegen, beim Wachregiment Feliks Dzierzynski gearbeitet zu haben, dem militärischen Arm des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Die Ostsee-Zeitung lässt ihn erklären, er sei dort nur formell angestellt gewesen, in Wirklichkeit habe er seit 1988 an der Offiziershochschule in Dresden studiert.
Mangelhafte Prüfung der Eignung
Dem widerspricht die kursierende Gehaltsliste mit hauptamtlichen Mitarbeiter:innen des MfS aus dem Dezember 1989, die für Ebert ein Gehalt von 8.350 Mark ausweist. Stasi-Offiziere verdienten bis zu 6.500 Mark im Monat. Es liegt nahe, dass ihn das Wachregiment unter Fortbestand des Arbeitsverhältnisses an die Hochschule delegierte.
Bisher handelt es sich um Indizien. Ebert selbst gibt immer wieder an, dass seine Stasi-Vergangenheit bereits mehrfach überprüft worden sei, da er als ehemaliger Polizeichef von Rostock und aktueller Direktor der Landesbereitschaftspolizei Beamter auf Lebenszeit ist. Allerdings scheint die Personalüberprüfung zumindest in den Rostocker Behörden nicht besonders sorgfältig abzulaufen.
Zum Fall Prätorius äußert sich auch der Sprecher der Linken-Landtagsfraktion, Michael Noetzel: „Die Art und Weise, wie die Spitze des Personalamtes in Rostock mit solchen Einstellungen umgeht, ist unsäglich. Es gehört für eine Personalabteilung einfach zum Handwerkszeug, sich vorher über Bewerber*innen zu informieren.“ Damit habe die Stadt sowohl ihre Informationspflicht als auch ihre Fürsorgepflicht ihren Angestellten gegenüber verletzt. „All das scheint an der Spitze der Personalabteilung des Rostocker Rathauses niemand so richtig für voll zu nehmen“, so Noetzel.
Leiter der Personalabteilung ist Dirk Zierau. Aufgrund von Krankheit und Urlaub leite er aktuell drei Ämter kommissarisch, wie er bei der Wahlausschusssitzung am 22. September mitteilte. Außerdem ist er bei der letzten Bürgerschaftssitzung zum Leiter des Gemeindewahlausschusses gewählt worden.
Zugleich dankt Noetzel der aufmerksamen Zivilgesellschaft für ihr Engagement. Bunt statt braun hat die Personalie öffentlich gemacht, viele antirassistische Initiativen wie Rostock nazifrei oder Rostock hilft verbreitet.
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Autor:innen
Geboren in Rostock.
Aufgewachsen in Rostock.
Studierte in Rostock. Und Kiel.
ist KATAPULT MVs Inselprofi und nicht nur deshalb gern am Wasser. Nutzt in seinen Texten generisches Femininum.