Haushaltsplanungen 2024
Städte müssen sparen – vor allem bei Jugend und Sozialem?
Von Louise Blöß und Martje Rust
Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Gestern tagte die Greifswalder Bürgerschaft zum letzten Mal in diesem Jahr. Beschlossen wurde dabei die Planung für das Haushaltsjahr 2023/2024. Nachdem diese bereits im Sommer 2022 abgestimmt worden war, musste die Stadt sie nach Einwänden des Innenministeriums überarbeiten. Man sei angehalten worden, das „voraussichtliche Jahresergebnis 2024 derart zu verbessern, dass der Haushaltsausgleich erreicht werden kann“, heißt es in der zugehörigen Beschlussvorlage der Verwaltung. Das heißt: Greifswald muss sparen. An den Plänen hatte sich in den vergangenen Wochen Kritik entzündet, denn viele der von den Kürzungen betroffenen Vereine und Verbände waren davon völlig überrascht worden.
Vor allem Vereine und Initiativen betroffen
Gerade in der Kultur- und Jugendarbeit waren teils fünfstellige Einsparungen vorgesehen. So etwa 30.000 Euro an Zuschüssen für das Freizeitzentrum Takt, 35.000 Euro für die Medienpädagogik am Medienzentrum Greifswald oder 1.000 Euro weniger Kulturförderung für das Greifswald International Students Festival (Gristuf). Kein Wunder also, dass nicht nur das Medienzentrum sich mit einem Brief an die Bürgerschaft wandte, in dem der Vorsitzende Roland Rosenstock die Kürzungen eine „finanzielle Belastungsprobe“ nannte und vor dem Wegfall einer Stelle warnte. Auch der Stadtjugendring Greifswald verabschiedete in seiner Vollversammlung einen Appell an die Bürgerschaft, der auf die immense zusätzliche Belastung der Vereine – nach Corona und neben Energiekrise und Inflation – verwies.
Aus den Reaktionen folgten zwei Änderungsvorlagen von der SPD sowie von Grünen, Tierschutz- und Linkspartei. Beide sahen eine Streichung aller Kürzungen vor.
Bürgerschaft dreht in letzter Sekunde
Ohne Änderungen wurden diese Vorlagen nun doch noch in den Haushalt aufgenommen und gestern zur Abstimmung gestellt. „Die Finanzen der Stadt sind besser als ursprünglich erwartet“, begründete Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) die erneute Wendung. Man könne nun doch mehr Gelder aufwenden. Der Haushalt für die Jahre 2023 und 2024 war bereits im Sommer 2022 aufgestellt worden. Wegen der unsicheren wirtschaftlichen Weltlage habe man damals „sehr vorsichtig“ geplant, erklärte Fassbinder vor den Bürgerschaftsmitgliedern. Mit geringeren Energiepreisen und einer besseren wirtschaftlichen Lage der Hansestadt als erwartet gebe es nach erneuter Prüfung einen größeren finanziellen Spielraum. Das bedeutet: keine Kürzungen in den Bereichen Kultur, Sport, Bildung, Soziales.
Mit 21 Ja- zu 14 Neinstimmen wurde der neue Haushalt beschlossen. Geschlossen dagegen stimmten die Fraktionen CDU, AfD und BG/FDP/Kompetenz für Vorpommern. Der aktualisierte Haushalt wird nun in Schwerin zur Prüfung eingereicht.
Vereine bleiben vorsichtig
Der Stadtjugendring zeigt sich nach dem Beschluss erleichtert: „Das ist ein gutes Signal.“ Man hoffe nun auf eine zeitnahe Genehmigung des geänderten Haushalts durch das Land. Denn so lange könnten die Mittel für freiwillige Leistungen nur eingeschränkt ausgezahlt werden.
Für die Zukunft wünschen sich die Vertreter:innen der Vereine vor allem eine langfristige, verlässliche Finanzierung der Jugendarbeit, die aus ihrer Sicht unabhängig von Befristungen und jährlichen Debatten um eine Kürzung sogenannter freiwilliger Aufgaben sein sollte.
Dass diese Kürzungen grundsätzlich weiterhin drohen, ist ein Grund, warum die Vereine und Initiativen parallel an Alternativen für eine ausreichende Finanzierung arbeiten müssen. „Umplanen, Spenden sammeln und sparen“, umschreibt Leonie Dellwig die kurzfristigen Maßnahmen von Gristuf. Der Verein sei besonders auf der Suche nach anderen Fördertöpfen.
Denn als gemeinnütziger Verein könnten sie nur mithilfe von Fördergeldern Veranstaltungen organisieren, die keinen oder nur wenig Eintritt kosten. „IT, Technik und Logistik sind Bereiche, die besonders leiden, wenn wir kein oder weniger Geld zur Verfügung haben.“ Die Infrastruktur des Vereins könnte dann schnell zusammenbrechen. Und das betreffe nicht nur ihren Verein.
Andere Haushalte – andere Prioritäten
Die Jugend-, Kultur- und Sportförderung fällt in den Haushaltsplanungen von Städten und Gemeinden in der Regel unter die freiwilligen Ausgaben. Somit rücken sie bei Sparvorgaben häufig als Erstes in den Fokus der Finanzplaner:innen.
Im Gegensatz zu den Kürzungsideen in Greifswald betonen andere Städte in MV, etwa Rostock, dass gerade „Investitionen und freiwillige Aufgaben zum Beispiel bei Kultur und Sport (...) auch zukünftig höchste Priorität“ hätten. Auch wenn die Hansestadt in den kommenden Jahren ebenfalls sparen muss. Noch könne das Defizit mit Überschüssen aus den Vorjahren ausgeglichen werden, allerdings nur bis voraussichtlich 2025. Laut Finanzsenator Chris von Wrycz Rekowski (SPD) arbeite man nach wie vor an einem Haushaltssicherungskonzept. „Bestehende Vorhaben und neue Projekte“ sollen aber weiterhin ermöglicht werden.
Auch die Städte Güstrow und Wismar teilen auf Nachfrage mit, in den neuen Haushalten keine Kürzungen in den Bereichen Jugend und Soziales zu planen.
In der Landeshauptstadt ist laut Sprecherin Michaela Christen der Bereich Jugend-, Vereins- und Sozialarbeit mit 133,6 Millionen Euro der größte Posten: Insgesamt macht er 38 Prozent des Schweriner Haushalts aus. Um einen Haushaltsausgleich zu schaffen, arbeite die Verwaltung „akribisch daran, das drohende Defizit zu kompensieren“. Konkrete Maßnahmen seien aber noch nicht endgültig abgestimmt und bestätigt. Ob der Bereich Jugend, Vereine und Sozialarbeit betroffen sein wird, ist daher noch unklar.
Freiwillige Aufgaben werden zunehmend verdrängt
Laut Susanne Miosga vom Städte- und Gemeindetag MV sind derzeit das generelle Problem im Sozialbereich, auch über Landesgrenzen hinweg, die enormen Kostensteigerungen, zum Beispiel bei Tariflöhnen. Diese könnten kaum noch aufgefangen werden. Das führe zu „Konzentrationen der Aufgabenerfüllung“, wie Miosga es nennt. Will heißen: Was derzeit von Beschäftigten mit Vollzeitstellen erledigt wird, muss dann in Teilzeit geschafft werden. Auch das führe zu Einschränkungen der Leistungen.
Gesetzliche Leistungsansprüche, also die Pflichtaufgaben von Städten und Gemeinden, würden andere Investitionen, vor allem die freiwilligen, wie die Vereinsförderung, Kultur und Sport, schließlich „verdrängen“. In den städtischen Haushalten, die Sparzwängen unterliegen, bestehe das Problem besonders. Zwar gehen die Einnahmen „inflationär bedingt nicht zurück. Aber sie steigen nicht so stark wie die Ausgaben“, so Miosga.
Die Frage, in welchem Umfang Städte und Gemeinden Geld für Jugend und Soziales aufbringen können – oder wollen –, wird in den kommenden Jahren weiterhin drängend bleiben.
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Autor:innen
Redakteurin bei KATAPULT MV.
Redaktionsleitung bei KATAPULT MV.
Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach Meck-Vorp.