Das Projekt der Klimapatenschaft wurde vom Eine-Welt Landesnetzwerk Mecklenburg-Vorpommern ins Leben gerufen und ist das erste dieser Art. Projektleiterin Sabina von Kessel hatte die Idee mit einem südafrikanischen Kollegen entwickelt und gemeinsam vor Ort eine Schule gesucht, die Interesse an einem solchen Austausch hätte.
Die Klimapatenschaft wird von der südafrikanischen Organisation The Sprightly Seed und dem deutschen Projekthof Karnitz getragen. Finanziert wurde das Projekt vom Deutsch-Afrikanischen Jugendwerk, der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung, und zum Teil auch von den deutschen Teilnehmenden selbst.
Von Kessel hofft, durch den Austausch zwischen den Jugendlichen aus Kapstadt und Malchin einen Perspektivwechsel anzustoßen. Mit Erfolg! Katapult MV sprach mit Rayvon Du Plessis (17) aus Kapstadt und Carl Engel (17) aus Malchin über Klimawandel, Politik und ihren Blick auf die Zukunft. Dies ist die übersetzte Fassung, da das Interview ursprünglich auf Englisch geführt wurde.
Rayvon, was war dein erster Eindruck von Malchin?R: Ich wollte die Stadt näher kennenlernen und mehr über ihre Geschichte erfahren. Es ist so ein schöner Ort, so sauber und ruhig. Das weiß man zu schätzen, wenn man aus einer lauten Stadt wie Kapstadt kommt.
Wie kann ich mir dein Zuhause vorstellen? R: Viele Kinder rennen herum und machen laute Späße. Die Häuser in meinem Viertel sind sehr alt und klein, sie stammen aus niederländischer und deutscher Architektur. Es gibt ein paar Pflanzen und Bäume.
C: Als wir im Februar in Südafrika waren, haben wir gesehen, wie eng die Häuser nebeneinander stehen. Ich weiß nicht, wo dazwischen Pflanzen waren. (Rayvon lacht.)
Was war dein Eindruck von Kapstadt, Carl?C: Also wenn man in Deutschland über Südafrika recherchiert, heißt es oft, dass viele Menschen arm sind. Aber es gab so viele Sportwagen und so hohe Gebäude. Das Geld ist nicht gleichmäßig verteilt, sondern wenige Menschen besitzen fast alles. Erst wenn man rausfährt in die Townships, sieht man auch die arme Seite. Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist viel ausgeprägter.
Was habt ihr im Frühjahr zusammen in Kapstadt gemacht? R: Als die Deutschen kamen, waren wir sehr aufgeregt, denn wir haben zusammen einen Permakultur-Garten anlegen dürfen. Darin wächst das ganze Jahr über Obst und Gemüse und wird in der Schulküche direkt verarbeitet. So werden Kinder versorgt, die zu Hause vielleicht noch nichts gegessen haben.
C: Ihr habt sogar jetzt angefangen, den Garten noch größer zu machen, oder? Weil er so gut wächst.
R: Ja, wir hoffen, dass wir in Zukunft noch mehr anbauen können. Vor ein paar Wochen, kurz bevor wir in Deutschland ankamen, gab es Erdbeeren.
Rayvon, woran spürst du in Kapstadt, dass sich das Klima verändert? R: Da gibt es eigentlich viele Situationen. Besonders jetzt regnet und stürmt es viel. Da viele der Häuser nicht so modern und stabil gebaut sind, dringt das Wasser leicht in die Häuser ein. Durch den Klimawandel verlieren Menschen ihr Zuhause. Vor ein paar Wochen hat es in der Nähe meines Wohnortes so viel geregnet, dass die Regierung Pumpfahrzeuge und riesige Lastwagen schickte. Diese brauchten drei volle Tage, um das Wasser abzupumpen.
Hast du Angst, dass es in den nächsten Jahren noch schlimmer wird?R: Auf jeden Fall. Es gibt Orte in Kapstadt, an denen das Wasser Gebäude einfach wegreißen kann. Eine Gefahr ist auch der steigende Meeresspiegel, denn manche Häuser sind sehr nah an der Küste, teilweise auf künstlichen Inseln gebaut. Wenn wir nichts gegen den Klimawandel unternehmen, werden wir eine ungewisse Zukunft haben. Viele Menschen werden in der Angst leben, nicht zu wissen, was mit ihrer Heimat passieren wird.
Carl, wie geht es dir, wenn du an den Klimawandel denkst?C: Ich denke besonders an die trockenen Sommer. Wir spüren die Hitze und den fehlenden Regen. Am Wochenende war es in Malchin sehr heiß, sogar heißer als damals in Kapstadt. Sogar Rayvon kam ins Schwitzen! (Beide lachen.)
Findest du, Deutschland hat in Bezug auf den Klimawandel eine besondere Verantwortung?C: Natürlich, wir könnten eine Menge tun. Deutschland ist ein reiches Land. Wir sollten versuchen, die CO₂-Emissionen zu reduzieren und die Umwelt zu schützen, die Moore renaturieren und den Wald wachsen lassen.
Und hast du das Gefühl, wir machen genug? C: Nein, ganz und gar nicht. Besonders in Bezug auf die Moore, darüber hat unsere Malchin-Kapstadt-Gruppe viel in der letzten Woche gesprochen. Der Großteil der Moore in Deutschland sind entwässert, dadurch gelangen Treibhausgase in die Atmosphäre und beschleunigen den Klimawandel.
Habt ihr hier gemeinsam ein Moor besucht? R: Ja, als wir im Moor waren, hat uns die Moorpädagogin vom Greifswald Moor Centrum gesagt, wir sollten springen. Einige von uns sprangen und der ganze Boden bewegte sich. Ich hatte ein bisschen Angst, weil man nur auf den Moment gewartet hat, in dem der Boden nachgibt und jemand versinkt. In Südafrika haben wir auch Moore, aber ich hatte noch keine Gelegenheit, sie zu besuchen.
Ihr habt hier auch ein Moor wiedervernässt, oder?C: Ja, in einem Wald bei Tützen. Dort war ein Sumpf, der durch einen alten Entwässerungsgraben Wasser verlor. Wir haben diesen Graben zugeschüttet. Wir hatten eine Menge Spaß dabei. Wenn es jetzt im Winter regnet, kann das Wasser nicht mehr abfließen, und der Sumpf wird sich wieder mit Wasser füllen – in der Hoffnung, dass sich daraus wieder ein Moor entwickelt.
Hat euch das Projekt Hoffnung gemacht?R: Es war auf jeden Fall interessant zu wissen, dass man etwas tun kann. Sollte ich eines Tages die Chance bekommen, nach Deutschland zurückzukehren, würde ich gerne diesen Sumpf besuchen. Ich möchte sehen, ob sich unsere Arbeit ausgezahlt hat, und ein winziges Moorgebiet entstanden ist.
Carl, wusstest du schon vorher über Moore Bescheid?C: In Biologie haben wir ein bisschen darüber gesprochen und ich verbringe meine Freizeit gern im Moor. Ich fahre gern mit meinem Stand-up-Paddle-Board durch die alten Torfstiche. Dort ist es so ruhig, man hört keine Boote, nur Vögel.
Meine Schule ist in Malchin, und der Bürgermeister will die Moorflächen um die Stadt wiedervernässen. Aber es gibt Konflikte mit den Bauern, weil es ihr Land ist. Wir müssen Kompromisse mit ihnen finden, doch die Regierung und die EU unterstützen solche Projekte nicht mit genügend Geld. Sie unterstützen eher die normale Art der Landwirtschaft, und das ist das Problem, warum die meisten Landwirtschaftsbetriebe sich nicht ändern wollen.
Rayvon, findest du, es wird genug gegen den Klimawandel getan? R: Ich muss sagen, dass die Regierung in Deutschland viel mehr tut als unsere Regierung. Vor ein paar Wochen haben wir davon gehört, dass unsere Regierung in Südafrika versucht, Geld für den Schutz unserer Moore bereitzustellen. Aber bei unseren Politiker:innen wissen wir nie wirklich, wie viel Wahrheit darin steckt. Wir müssen aktiv bleiben, um sicherzustellen, dass sie wirklich ihr Bestes tun. Fragst du unseren Bürgermeister, welche Pläne er zur Wiederherstellung von Mooren hat, wird er dir eine lange Geschichte erzählen und du wirst am Ende keine wirkliche Antwort haben.
Werdet ihr in Zukunft anders handeln durch diese Klimapatenschaft? R: Auf jeden Fall wird sich mein Verhalten ändern. Ich sehe Kapstadt jetzt anders. Ich möchte auf jeden Fall im Bereich des Klimawandels arbeiten.
C: Meine Karrierepläne haben sich auch geändert. Vorher wollte ich als Informatiker arbeiten, weil es ein sicherer Job ist. Aber jetzt – durch dieses Projekt – sind die sozialen Aspekte und Nachhaltigkeitsfragen wichtiger für mich geworden. Mal sehen, was aus mir wird.
Eine letzte Frage: Worüber sprecht ihr am Ende des Tages? R: Generell einfach über Dinge, die uns an diesem Tag aufgefallen sind. Ich habe mich mit einem Freund übers Moor unterhalten, dass es dort so unfassbar ruhig ist.
C: Wir schreiben auch eine kurze Reflexion auf unserem Blog, damit wir nicht vergessen, was wir gelernt haben.
R: Ah, das erinnert mich: Gestern Abend haben wir über unsere Zukunft gesprochen. Es gibt viele, die gegen den Klimawandel kämpfen wollen, und wir haben gesagt, dass wir hoffen, unsere Gruppe für diesen Kampf am Leben halten zu können.