Kommunal- und Europawahl
Wahlhelfer:innen: Engagiert für die Demokratie
Von Victoria Flägel und Martje Rust
Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Insgesamt werden in MV laut Kerstin Lambrecht von der Landeswahlleitung über 15.000 Wahlhelfende benötigt, etwa so viele wie bei der letzten Kommunal- und Europawahl 2019. Allein Greifswald braucht für den Wahlsonntag am 9. Juni insgesamt 520 Helfer:innen für 42 Wahl- und 18 Briefwahlbezirke. „Bislang haben sich bereits rund 380 Menschen gemeldet. Es fehlen allerdings noch immer circa 160 Personen“, hieß es Mitte April in einem Aufruf der Stadtverwaltung Greifswald.
Auch Stralsund wirbt mit dringenden Gesuchen um weitere Ehrenamtliche. Auch hier würden noch mindestens 50 Freiwillige benötigt, dazu noch etwa 30 als Reserve bei spontanen Ausfällen.
Ohne Helfende keine Wahl
Die Wahlhelfer:innen sichern den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl, geben Wahlzettel aus und beobachten den Urnengang. Sie achten darauf, dass in der Wahlkabine nur jeweils eine Person wählt, dass darin keine Fotos gemacht werden und dass die Kabinen so aufgestellt sind, dass niemand hineinschauen kann. Andernfalls wäre die Wahl ungültig. Außerdem zählen sie am Ende die Stimmen aus.
Und das kann dauern. Der Wahltag gehe für die Helfenden in der Regel bis tief in die Nacht, so Greifswalds Wahlleiterin Eveline Janzen. „Bei viel Wahlbeteiligung oder wenn sich verzählt wurde, kann sich das auch noch mal verschieben“, räumt sie ein. Manchmal bis in die frühen Morgenstunden. Das sei in ihrer 26-jährigen Laufbahn aber selten passiert. Dass ein Wahlvorstand vor Erschöpfung abbrechen musste und am Folgetag weitermachen, noch nie. „Da motivieren sich die Teams und ziehen durch.“
Das allerdings kritisierte zuletzt der Städte- und Gemeindetag MV. Die Durchführung der Wahlen sei erneut „ein Kraftakt“ für die Kommunen, die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt hätten sich nur wenig verbessert. Insbesondere mehr Anerkennung für das demokratische Engagement wünscht sich der Geschäftsführer des Verbands, Andreas Wellmann. Fragen zu Sorgfalts- und Schutzpflichten seien noch immer offen: „Was passiert, wenn die Wahlen nicht bis 22 Uhr ausgezählt sind? Hebelt hier das Ehrenamt die Arbeitszeitgrenzen und die Ruhezeitenregelungen aus?“
Bis zu 120 Euro „Erfrischungsgeld“
Grundsätzlich können sich alle bei der Wahlleitung der Gemeinde oder Stadt freiwillig als Wahlhelfende melden. Vorkenntnisse sind nicht nötig, Informationsmaterial über die zu erfüllenden Aufgaben wird zur Verfügung gestellt. Die freiwilligen Helfenden müssen selbst wahlberechtigt sein, also mindestens 16 Jahre alt, die deutsche oder eine EU-Staatsangehörigkeit besitzen und ihren Hauptwohnsitz in MV haben. Am Wahltag dürfen sie nur einen der benötigten Posten übernehmen. Mitglieder des Wahlausschusses, deren Vertretungen oder Kandidat:innen dürfen nicht helfen.
Pro Wahlbezirk wird ein Wahlvorstand berufen. Dieser besteht aus Wahlvorsteher:in als Vorsitz, der Stellvertretung und drei bis sieben weiteren Mitgliedern. In einem sogenannten Berufungsschreiben werden die Freiwilligen kurz vor der Wahl über ihre Funktion und ihr Wahllokal informiert. In der Regel ist dieses wohnortnah, gerade bei älteren Helfenden, wie Janzen erklärt. Für Wahlvorsteher:in und Schriftführer:in gebe es in der Woche vor der Wahl eine Schulung.
Je nach der Tätigkeit am Wahltag gibt es eine Aufwandsentschädigung. Vorsitzende des Wahlausschusses erhalten 35 Euro, die weiteren Mitglieder jeweils 25 Euro. So ist es beispielsweise in Schwerin. Doch die Gemeindevertretungen können auch höhere Entschädigungen beschließen, um erfolgreicher um die Ehrenamtlichen zu werben. In Greifswald liegt das sogenannte Erfrischungsgeld zwischen 45 und 80 Euro, in Rostock zwischen 60 und 100 Euro und das Amt Warnow-West im Landkreis Rostock zahlt Freiwilligen 100 bis 120 Euro.
Engagierte von jung bis alt
In Greifswald sei die Altersspanne der Ehrenamtlichen sehr breit, erzählt Janzen. „Ab Wahlberechtigung bis Mitte 70.“ Der Grund für so viele junge Helfende ab 16 Jahren in der Hansestadt sei vermutlich die Uni.
Aber man telefoniere vor Wahlen ab Mitte April vermehrt langjährig Engagierte ab, um sie erneut anzuwerben. Damit es am Ende auch ausreichend Helfende gebe. Gerade die liegen ihr besonders am Herzen: Diejenigen, die über Jahrzehnte dabei sind und sich „nicht abschrecken lassen“, seien ihre größte Motivation.
Umgang mit kritischen Wahlbeobachter:innen
Bei den vergangenen Wahlen hat die Wahlleitung in Greifswald vermehrt Wahlbeobachter:innen wahrgenommen, zuletzt bei dem Bürgerentscheid zu Geflüchtetenunterkünften. „Das ist ihr gutes Recht, solange sie ruhig sind und die Arbeit nicht behindern“, betont Janzen. Eskalationen habe es bisher keine gegeben.
Allerdings wird es bei der anstehenden Wahl womöglich anders zugehen, da die Wahllisten sehr lang sind. Insgesamt 16 Parteien und Wählergruppen sowie vier Einzelbewerber:innen haben sich in Greifswald aufgestellt. Damit konkurrieren insgesamt 198 Kandidat:innen um die 43 Bürgerschaftssitze. Das sind 14 Bewerber:innen mehr als bei der letzten Kommunalwahl. „Da wird es sicher zu Schlangen kommen, das muss beachtet und gut betreut werden“, so Greifswalds Wahlleiterin. Und ergänzt: „Gut wäre es, wenn die Wählenden nicht erst in der Wahlkabine entscheiden, wen sie wählen wollen.“
Zum Ehrenamt verpflichtet
Janzens Horrorszenario wäre, wenn es wirklich einmal nicht genug Wahlhelfende gäbe. Um die Wahl dennoch ordnungsgemäß durchführen zu können, würden in einem solchen Fall Bürger:innen per Gesetz verpflichtet werden. So sieht es das Bundeswahlgesetz vor. Jedoch könne es dann in der Woche vor der Wahl zu erhöhten Krankschreibungen kommen oder die Verpflichteten erscheinen am Tag der Wahl einfach nicht, mutmaßt die Wahlleiterin. „Die Freiwilligkeit ist wichtig.“ Sollten am Wahltag selbst Helfende fehlen, werden die ersten Wähler:innen zum Ehrenamt verpflichtet, wie der Pressesprecher des Landkreises Nordwestmecklenburg ankündigt, auch wenn das „möglichst umgangen werden“ solle. Wer ohne triftigen Grund die Aufgabe als Wahlhelfer:in ablehnt, muss mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro rechnen.
Laut Kommunalwahlgesetz werden alternativ Mitarbeitende des öffentlichen Dienstes verpflichtet, sollten sich nicht genug Freiwillige bereiterklären. Laut Schwerins Wahlleiterin Sophie Loulou Hentschel sind auch die meisten Freiwilligen zum größten Teil Beschäftigte des öffentlichen Dienstes.
Doch wer Wahlhelfer:in werden möchte, sollte sich in einigen Regionen des Landes ranhalten. „Es haben sich genug Wahlhelfende gefunden. Demnach müssen keine weiteren Maßnahmen zur Besetzung der Wahllokale ergriffen werden“, verkündet Hentschel für die Landeshauptstadt. Auch die Wahlleitungen von Vorpommern-Rügen und Nordwestmecklenburg sowie die Landeswahlleitung sind zuversichtlich, die 15.000 Stellen mit Freiwilligen besetzen zu können. In einigen Regionen, wie in Greifswald oder Stralsund, können sich noch weitere Personen bei der Wahlleitung ihrer Stadt oder Gemeinde melden – und sei es nur als Reserve für den Fall, dass Leute kurzfristig ausfallen. „Ich bin auch bei diesen Wahlen optimistisch, dass sich genügend Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zur Mitarbeit in den Wahlvorständen bereiterklären“, zeigt sich die Landeswahlleitung zuversichtlich.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe 31 von KATAPULT MV.
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Autor:innen
Geboren in Rostock.
Aufgewachsen in Rostock.
Studierte in Rostock. Und Kiel.
Redaktionsleitung bei KATAPULT MV.
Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach Meck-Vorp.