Wie die Brandmauer noch gerettet werden könnte

Gestern wurde ein Entschließungsantrag von CDU/CSU mit Stimmen der FDP, der AfD und der Mehrheit der fraktionslosen Mitglieder im Bundestag beschlossen.¹ Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, fünf Maßnahmen zur Begrenzung von Migration und für verstärkte Abschiebung durchzusetzen.² Viele Jurist:innen sind der Meinung, dass diese Maßnahmen teilweise europäisches Recht brechen würden. Dafür könnte Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden.³ Was bereits jetzt feststeht: In der Abstimmung dafür hat die Union sich auf die Stimmen der AfD verlassen und damit die Brandmauer zur teils gesichert rechtsextremen Partei eingerissen. Bisher hatte CDU-Chef Friedrich Merz eine Zusammenarbeit mit der AfD stets abgelehnt.⁴

Kommunalpolitik orientiert sich schon länger nach rechts

In Mecklenburg-Vorpommern sind die Christdemokraten dagegen schon lange auf Kuschelkurs mit den extremen Rechten. In Greifswald beispielsweise hat sich die Bürgerschaftsfraktion darüber zerstritten, ob man nun mit der AfD zusammenarbeiten solle oder nicht. Fünf Vertreter der CDU gründeten deshalb gemeinsam mit anderen Anti-Demokraten eine eigene Fraktion – die Christlich Demokratische Konservative-IBG-AdbM.⁵ Inzwischen läuft ein Parteiausschlussverfahren gegen sie oder sie haben die Partei bereits freiwillig verlassen.

Man möchte meinen, dass das die verbleibenden CDU-Mitglieder motiviert, die Brandmauer gegen Rechtsaußen weiter zu festigen. Stattdessen stimmt man fröhlich mit der AfD und der neuen Fraktion gegen das Gendern in der Stadtverwaltung und torpediert gemeinsam das fahrradfreundliche Verkehrskonzept der Innenstadt.⁶ Ein Antrag der Christlich-Konservativen, der einem älteren AfD-Antrag aufs Wort gleicht, wird angenommen, ohne mit der Wimper zu zucken.⁷

Ich befürchte, dass auch die Landes-CDU demnächst gemeinsame Sache mit der AfD machen wird. Bereits jetzt provoziert Fraktionschef Daniel Peters immer wieder mit grenzwertigen Aussagen in Pressemitteilungen und auf Social Media. Bedenken von Geflüchteteninitiativen zur Bezahlkarte, die von diesem Monat an in MV an Asylsuchende verteilt wird, kommentierte er mit: „Ich halte sie für an den Haaren herbeigezogen, sie sind daher zu vernachlässigen.“⁸

Was man jetzt tun kann

Von den verbliebenen Demokrat:innen der CDU erwarte ich jetzt starke Zeichen. Der Besuch von Demonstrationen für Demokratie wäre ein solches. Das hat man bisher ganz schön schleifen lassen. Bei der Demonstration für Solidarität mit Birgit und Horst Lohmeyer am vergangenen Wochenende in Grevesmühlen haben wir niemanden aus der Partei vor Ort gesehen. Das Ehepaar wird immer wieder von Rechtsextremen bedroht.⁹ Man könnte sich auch ein Beispiel an der SPD nehmen und einen offenen Brief verfassen, wie unzufrieden man mit der eigenen Parteilinie ist.¹⁰

Von der Zivilgesellschaft erhoffe ich mir Druck auf die CDU. Die Enttäuschung, die man fühlt, kann man in konkrete demokratische Handlungen und Protest umsetzen. Damit die betreffenden Politiker:innen wissen, dass sie das Vertrauen auf allen Ebenen verspielt haben. Eine gute Möglichkeit bietet sich zum Beispiel am 12. Februar um 17 Uhr in Neubrandenburg. Dann kommt Friedrich Merz persönlich in die Vier-Tore-Stadt.¹¹

Weiterlesen:

• Zusammenarbeit mit der AfD: Hand in Hand in Meck-Vorp
• Zusammenarbeit mit der AfD: Wie umgehen mit Rechtsaußen?
• AfD in der Kommunalpolitik: Wo die Brandmauer schon längst nicht mehr nur bröckelt
• AfD in der Kommunalpolitik: Gilt das Versprechen der Abgrenzung nach rechts noch?

1. Tagesschau (Hg.): Bundestag stimmt für Unionsantrag zur Migration, auf: tagesschau.de (29.1.2024). ↩︎
2. Deutscher Bundestag (Hg.): Drucksache 20/14698: Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zu aktuellen innenpolitischen Themen, auf: bundestag.de (28.1.2025). ↩︎
3. SWR (Hg.): Unionsantrag zur Verschärfung der Migration bekommt Mehrheit im Bundestag, auf: swr.de (29.1.2025). ↩︎
4. Tagesschau (Hg.): Nimmt Merz AfD-Unterstützung in Kauf?, auf: tagesschau.de (24.1.2025). ↩︎
5. Stallmeyer, Henning: Gendern & Cannabis: Holen sich die Konservativen das grüne Greifswald zurück?, auf: nordkurier.de (24.9.2024). ↩︎
6. Blöß, Louise; Biedermann, Lilly: CDU, Konservative und AfD wickeln Verkehrswende ab, auf: katapult-mv.de (26.11.2024). ↩︎
7. Biedermann, Lilly; Rust, Martje: CDU bringt Genderverbot mit AfD-Unterstützung durch, auf: katapult-mv.de (1.10.2024). ↩︎
8. E-Mail von Markus Gonschorrek, Pressesprecher der CDU-Fraktion, vom 24.9.2024. ↩︎
9. Hinz, Patrick; Biedermann, Lilly: Solidaritätsdemo für Familie Lohmeyer in Jamel, auf: katapult-mv.de (26.1.2025). ↩︎
10. Initiative „Eintreten für Würde“ (Hg.): Eintreten für Würde: Menschenrechte wahren, Asylrecht verteidigen, sozialdemokratische Werte leben!, auf: eintreten-fuer-wuerde.de. ↩︎
11. Bönisch, Bastian: CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kommt ins HKB, auf: nordkurier.de (9.1.2025). ↩︎