Krieg in der Ukraine

Wie viel Solidarität bleibt nach einem Jahr?

In der Nacht vom 23. zum 24. Februar 2022 griff Russland die Ukraine an. Daraufhin flüchteten Hunderttausende Menschen aus dem Land, auch nach MV. Die Wochen danach waren geprägt von Chaos und offenen Fragen. In Greifswald wurde bisher monatlich eine Mahnwache abgehalten. Heute soll es zum Jahrestag des Überfalls ein ganzer ukrainischer Abend werden. Auch, um sich für die Solidarität der Greifswalder:innen mit der Ukraine zu bedanken.

Jeden 24. des Monats kommen sie auf dem Marktplatz in Greifswald zusammen, singen Lieder, halten Vorträge und machen mit Flaggen und Plakaten auf sich und ihre Landsleute aufmerksam, die nur einige Hundert Kilometer entfernt in einem Abnutzungskrieg um ihr Leben fürchten. Heute trifft sich die ukrainische Community zum zwölften Mal, es jährt sich der Beginn des Angriffskrieges. Mit der regelmäßigen Mahnwache wollen die Veranstalter:innen fortwährend an den Krieg in ihrem Heimatland erinnern, sagt Mitorganisatorin Mariana Yaremchyshyna.

Bei der Mahnwache im Juni beteiligten sich rund 60 Personen. (Foto: Bohdana Trachuk)

Die meisten Teilnehmenden, erzählt sie, habe es während der ersten Wochen nach Kriegsbeginn gegeben. Da waren auch viele Deutsche dabei. Von etwa 500 bis 600 Teilnehmenden sprach die Polizei Anfang März 2022. Ende März waren es dann nur noch etwa die Hälfte, zur letzten Mahnwache im Januar kamen noch rund 20 Personen. Eine geringe Zahl von Teilnehmenden zeuge jedoch nicht von Desinteresse, betont Yaremchyshyna. Sie sei dankbar für jede:n Einzelne:n. Es gebe weiterhin viele Menschen, die sie und die ukrainische Community in Greifswald unterstützen und Solidarität zeigen – etwa bei der Organisation von Veranstaltungen, anderen Aktionen oder bei der Integrationshilfe.

Gedenkaktion nach 100 Tagen Krieg. (Foto: Mariana Yaremchyshyna)

Auch der Zuspruch von politischen Akteur:innen motiviere Yaremchyshyna. Wie der Besuch von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (beide Grüne) vergangenen Sommer.

Derzeit leben 637 Ukrainer:innen in Greifswald. Viele von ihnen konnten mittlerweile aus den Geflüchtetenunterkünften in eigene Wohnungen ziehen, gehen zur Schule, einige haben Arbeit gefunden. Dennoch seien derzeit die Gefühle gemischt, so Yaremchyshyna. Es fehlt an Bildungs- und damit Integrationsmöglichkeiten, wie ihre Landsleute ihr oft erzählten. Einige würden noch immer auf Sprachkurse warten, andere auf Jobs.

Mahnwache am 24. November 2022. (Foto: Mariana Yaremchyshyna)

Auch rassistische Anfeindungen erleben die meisten von ihnen regelmäßig. In einer internen Umfrage in der Community der Ukrainer:innen gaben 24 Prozent der Befragten außerdem an, dass sie keinen besonders großen Zusammenhalt untereinander empfinden. Die Organisator:innen der Mahnwachen hat das überrascht: Genau das sollten die regelmäßigen Aktionen bewirken. Denn diese seien weniger für die Greifswalder:innen, Medien oder die Politik, sondern für „diejenigen von uns, die alles verloren haben“. Daher sollen die Mahnwachen fortgeführt werden.

Zum Jahrestag unterstützt auch das Greifswalder Kultur- und Initiativenhaus Straze die Erinnerungsaktion des ukrainischen Netzwerks und lädt zu einem ukrainischen Abend ein. Unter anderem gibt es Film- und Redebeiträge und ein Konzert einer Band aus der Nähe von Butscha. Gefördert wird die Veranstaltung durch den Aktionsfond der Partnerschaft für Demokratie Greifswald. Auch im Koeppenhaus findet eine szenische Lesung mit anschließender Filmvorführung zum Thema statt.

Autor:innen

  • Bild von KATAPULT MV Redakeurin Victoria Flägel

    Redakteurin in Rostock

    Geboren in Rostock. Aufgewachsen in Rostock. Studierte in Rostock. Und Kiel.

  • Bild von KATAPULT MV Redaktionsleiterin Martje Rust

    Redaktionsleitung

    Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach MV.