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Verfassungsschutzbericht 2022

Neonazis weiterhin größte Gefahr in MV

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Nach wie vor gelte in Mecklenburg-Vorpommern und bundesweit der Rechtsextremismus als größte Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung, heißt es aus dem Innenministerium des Landes. Zwar sinken die Mitgliederzahlen in verfassungsfeindlichen Parteien, doch die Zahl der Rechtsextremen steigt weiter an. In MV wird ihre Zahl auf 1.840 geschätzt. Rund 4,7 Prozent aller Rechtsextremen und Neonazis in Deutschland leben in Meck-Vorp, obwohl das Land nur mit 1,9 Prozent an der Gesamtbevölkerung beteiligt ist.

Die Gruppe der Reichsbürger und Selbstverwalter ist von 650 auf 670 Personen angestiegen. Davon gelten 55 Personen als rechtsextrem und 170 als gewaltorientiert.

Delegitimierer – neue Gruppierung in MV mit 21 Schusswaffen

Die Gruppe der Delegitimierer des Staates ist erst seit kurzem definiert. Sie umfasst verschiedene Akteure, die das Protestgeschehen infolge von Krisen wie der Corona-Pandemie und einer befürchteten Energiemangellage ausnutzen, um losgelöst von sachbezogener Kritik und mit aggressiver Sprache gewählte Vertreter:innen und Institutionen des Staates systematisch zu untergraben. Sie verhöhnen demokratische Entscheidungsprozesse oder ignorieren behördliche oder gerichtliche Anordnungen.

Ihr Ziel sei es, „wesentliche Grundsätze der Verfassung außer Kraft zu setzen“ und die Funktionsfähigkeit des Staates erheblich zu beeinträchtigen, erklärte Innenminister Christian Pegel (SPD) am Donnerstag. Für das Jahr 2022 hat der Verfassungsschutz in MV diesem Bereich 30 Personen zugerechnet. Zehn von ihnen zählen zu den Organisatoren der Protestreihe Wolgast steht auf. Die Gruppe der Delegitimierer des Staates besitzt laut Bericht 21 zugelassene Schusswaffen.

Die Grenzen zwischen Delegitimierern und Rechtsextremen sind laut Bericht fließend. Zwischen beiden Gruppen gibt es ebenso Schnittmengen mit Reichsbürgern. Insgesamt warnt das Innenministerium davor, dass „in einigen Teilen der Gesellschaft die Abgrenzung zu Extremisten schwindet“. 

Weniger Linksextremisten, mehr Antisemitismus

Die Zahl der Linksextremist:innen in MV sank von 460 auf 430 Personen. Etwa die Hälfte davon gilt demnach als gewaltbereit, vorrangig agieren sie in den Universitätsstädten Rostock und Greifswald.

Religiöser und ausländischer Extremismus spielen in MV eine untergeordnete Rolle. Dennoch zeige der Verfassungsschutzbericht, „dass unsere Demokratie an vielen Stellen extremistischen Bestrebungen und Angriffen ausgesetzt ist. Dies gilt vor allem und verstärkt in Krisenzeiten“, so Pegel. 

Im zurückliegenden Jahr wurde außerdem eine deutliche Zunahme antisemitisch motivierter Straftaten im Land verzeichnet. Sie wuchs um mehr als 50 Prozent im Vergleich zu 2021. Die Fallzahlen stiegen sowohl im Bereich der Internetkriminalität als auch offline und äußerten sich in Form von Volksverhetzung, Beleidigung und durch das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. In der Öffentlichtkeit richtet sich der Antisemitismus nicht nur gegen Jüd:innen, sondern auch gegen Gedenkveranstaltungen für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung. So wurde anlässlich einer Gedenkfeier für die Opfer der Pogromnacht vom 9. November 1938 der Präsident der Stadtvertretung von Waren/Müritz von Rechtsextremisten der Neue Stärke Partei provoziert und körperlich bedroht.


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Fußnoten

  1. Ministerium für Inneres (Hg.): Pegel stellt Verfassungsschutzbericht 2022 vor: „Krisen sind Nährboden für Extremisten“, auf: verfassungsschutz-mv.de (6.7.2023).
  2. Bundesministerium des Innern und für Heimat (Hg.): Verfassungsschutzbericht 2022, auf: verfassungsschutz.de, S. 116.
  3. Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung (Hg.): Pegel stellt Verfassungsschutzbericht 2022 vor: „Krisen sind Nährboden für Extremisten“, auf: regierung-mv.de (6. Juli 2023).
  4. Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung (Hg.): Verfassungsschutzbericht 2022, auf: verfassungsschutz-mv.de (Juli 2023), S. 83.
  5. Ebd., S. 68.

Autor:innen

Redakteurin bei KATAPULT MV.

Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach Meck-Vorp.

Geboren in Vorpommern, aufgewachsen in Mecklenburg. Einziger KATAPULT-Redakteur mit Traktorführerschein UND Fischereierlaubnis. Layouter und Chefredakteur.

ist KATAPULT MVs Inselprofi und nicht nur deshalb gern am Wasser. Nutzt in seinen Texten generisches Femininum.

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