„Ausländer raus“-Gesänge in Bergholz und Neukalen
Volksverhetzung ist kein „Jugendstreich“
Von Redaktion
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Fünf Monate ist es inzwischen her, dass mehrere Gäste auf einem Erntefest im vorpommerschen Bergholz ausländerfeindliche Parolen skandierten. Zum 90er-Hit des Italieners Gigi D’Agostino sangen sie die Zeilen „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“. Darunter mutmaßlich auch der Sohn des Pasewalker Bürgermeisters Danny Rodewald (parteilos). Der Videomitschnitt, der die fremdenfeindlichen Gesänge dokumentiert, ging viral.
Während sich sein Vater vom Inhalt des betreffenden Videos distanzierte, nahm die Polizei die Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung – § 130 StGB – auf. Diese seien mittlerweile abgeschlossen, bestätigte eine Sprecherin gestern. Der Fall liege nun bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Neubrandenburg. Von dort kann auf Nachfrage keine Prognose zur Dauer oder dem Ergebnis – Antrag eines Strafbefehls, Einstellung oder Anklageerhebung – des weiteren Verfahrens abgegeben werden. Es gelte jedoch bis auf weiteres die Unschuldsvermutung.
Was die Abiparty in der Diskothek Neukalen (Mecklenburgische Seenplatte) betrifft, so wurde nach Angaben der Polizei aufgrund der gleichen ausländerfeindlichen Parolen zum Track L’Amour Toujours entsprechend Strafanzeige erstattet. Auch hier existiert ein Video, das zeigt, wie Jugendliche die Zeilen mitsingen sollen. Laut Polizei hätten fünf Personen die Parolen angestimmt, die auch inzwischen identifiziert worden seien. Es handele sich unter anderem um eine 21-jährige Greifswalderin, einen 17-Jährigen aus Neukalen und einen 22-Jährigen aus Ferdinandshof (Vorpommern-Greifswald). Bei ihnen und den zwei weiteren Tatverdächtigen habe die Polizei am vergangenen Donnerstag Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt. Dabei wurden unter anderem deren Handys sichergestellt. Diese sollen „Aufschluss über den Tatablauf und weitere Tatverdächtige geben“. Zudem müssen sich die Beschuldigten zu Vernehmungen einfinden. Die Polizei weist vor diesem Hintergrund darauf hin, dass es sich in solchen Fällen „nicht um ein Bagatelldelikt oder gar um einen Jugendstreich handelt, sondern um eine Straftat nach § 130 StGB (Volksverhetzung)“.
Pasewalker Bürgermeistersohn beim Tollensemarsch
Während die Ermittlungen zu Neukalen wohl noch mehrere Monate in Anspruch nehmen werden und das Verfahren rund um den Bürgermeistersohn ebenfalls weiter Gegenstand einer Untersuchung ist, erregt eben jener erneut Aufsehen. So belegen Fotos vom sogenannten Tollensemarsch, dass er an diesem rechtsextremen Szeneevent Ende Februar teilgenommen haben soll. Auf Nachfrage, distanzierte sich der Pasewalker Bürgermeister auch in diesem Fall „von etwaigen rechten Meinungen“.
Den Tollensemarsch gibt es seit 2004. Er bezeichnet die alljährliche gemeinsame Umwanderung des Neubrandenburger Tollensesees von Mitgliedern der rechtsextremen Szene. So waren laut dem Recherchekollektiv Oben rechts neben dem Sohn des Pasewalker Bürgermeisters auch weitere bekannte Gesichter aus Pasewalk vor Ort. Teilnehmer:innen zeigten sich zudem mit Szeneklamotten der rechtsextremen Kleinstpartei Der III. Weg, und auch das Symbol der Jungen Nationalisten – der Jugendorganisation der vormals NPD – wurde auf einer Flagge um den See getragen. Organisiert haben soll den Marsch – wie auch in den Jahren zuvor – der NPD-Kader David Petereit, der unter anderem Mitglied des Kreistags Rostock ist und dem Verbindungen zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) nachgesagt werden.