Jugendarbeit in der Mecklenburgischen Seenplatte

Kreisjugendring vor dem Aus

Seit Jahren kämpft der Verein um seine Existenz. Am Mittwoch könnte die Arbeit nun offiziell eingestellt werden. Daran ist, so sieht es der Verein, der Landkreis selbst nicht unschuldig. So sei etwa eine Verstetigung der Jugendsozialarbeit durch entsprechende Förderung, im Gegensatz zu anderen Kreisen, nicht erfolgt. Der Kreis hält dagegen: In den vergangenen Jahren habe der Verein die Interessen junger Menschen nicht ausreichend vertreten. Zwei Seiten derselben Medaille.

Sechs Vereine sind im Kreisjugendring Mecklenburgische Seenplatte derzeit noch Mitglied, es waren mal über 20. Wenn sich bis Mittwoch aus diesem Kreis niemand findet, der sich im Vorstand des Kreisjugendrings engagieren möchte, ist dessen Untergang besiegelt. Dann müsse er zum Notar und dort die Auflösung des Vereins angeben, berichtet der aktuelle Vorstandsvorsitzende Michael Steiger am Telefon. Er ist eher pessimistisch, so klingt es zwischen den Zeilen durch. Doch wie konnte es so weit kommen?

Kreisjugendringe sind die Interessenvertretung der Kinder- und Jugendarbeit. Sie unterstützen Jugendprojekte ihrer Mitglieder, organisieren aber auch selbst Angebote. So ehemals auch der Kreisjugendring Mecklenburgische Seenplatte. Er ging im Zuge der Kreisgebietsreform aus dem Kreisjugendring Waren hervor, erklärt Steiger. Er selbst ist jetzt seit sechs Jahren im Verein aktiv. Schon damals habe der Kreisjugendring kurz vor dem Aus gestanden. Aber es kamen frische Ideen, Fördermittel sollten und konnten beschafft werden, Projekte wurden umgesetzt. So zum Beispiel „Weltoffen, solidarisch, dialogisch“, das sich zum Ziel gesetzt hatte, Jugend- und Entwicklungspolitik zu verbinden. Oder die Zusammenarbeit mit einem Neubrandenburger Mitgliedsverein unter dem Motto „Jugend rollt“, welche im Nachgang von Corona den kostenlosen Zutritt in eine Skaterhalle ermöglichte.

Fehlende Strukturen kosten Mitglieder

Dennoch verzeichnete der Verein in den letzten Jahren einen Verlust von Mitgliedern. Aus Sicht bestehender oder auch potenzieller Mitgliedsvereine hat die Veruntreuung von Vereinsgeldern 2020 wohl nicht zur Attraktivität des Kreisjugendrings beigetragen, vermutet Steiger. Damals hatte ein Mitglied 10.000 Euro veruntreut. Das Geld sei aber vollumfänglich zurückgezahlt worden, berichtet er. Und auch die Finanzierung des Vereins durch den Kreis habe sich dadurch nicht verändert.

Steiger hat darüber hinaus aber noch eine andere Erklärung: Es fehlen feste und professionelle Strukturen. Diese seien aus seiner Sicht notwendig, um die Arbeit des Kreisjugendrings realistisch durchführen zu können. Ohne ebensolche laste das gesamte Engagement nur auf ehrenamtlichen Schultern. Das ist besonders problematisch, weil auch schon die Arbeit in den Mitgliedsvereinen selbst meist ehrenamtlicher Natur ist. So müssen sich also um die Beschaffung von Projektgeldern, die Organisation, den Blick in Gremien und Politik und die Fahrten und Termine Ehrenamtliche kümmern, die neben bezahlten Berufen auch noch anderweitig engagiert sind.

Was geholfen hätte, so ist sich der noch amtierende Vorstandsvorsitzende sicher, wäre eine finanzierte Stelle für die Geschäftsführung gewesen. Doch im Kreis gebe es für eine solche keine Förderung. Ganz im Gegensatz zu anderen Kreisen, so Steiger.

Das bestätigt auch der Landesjugendring auf Nachfrage. So finanzierten etwa Vorpommern-Greifswald, Nordwestmecklenburg und Ludwigslust-Parchim eine hauptamtliche Ausstattung für ihren jeweiligen Jugendring. In den beiden letztgenannten Kreisen und der Stadt Rostock existiert dazu auch eine Geschäftsführung. Im Landkreis Rostock, so die Geschäftsführerin des Landesjugendrings Ina Bösefeld weiter, befinde sich der neu gegründete Kreisjugendring mit dem Kreis ebenfalls im Prozess hin zu einer hauptamtlichen Ausstattung.

Kreis sieht mangelnde Interessenvertretung

Wieso hat das im Kreis Mecklenburgische Seenplatte nicht geklappt? Immerhin, darauf weist auch Bösefeld hin, sei die Förderung der Jugendsozialarbeit gesetzlich vorgeschrieben. Dass eine hauptamtliche Stelle in der Mecklenburgischen Seenplatte nicht unterstützt wurde, sieht sie kritisch.

Wie der Landkreis mitteilt, sei die Finanzierung des Kreisjugendrings in der Vergangenheit immer mal wieder Thema gewesen. Aufgrund der im Kreis geltenden Förderrichtlinien gebe es allerdings statt einer Dauer- nur eine Projektförderung, welche der Verein nach Kenntnis des Kreises auch in Anspruch genommen habe. So seien von 2018 bis 2020 jeweils 22.000 Euro als Jahresprojektförderung an den Verein gegangen, um die inhaltliche Vereinsarbeit zu unterstützen, teilt der Kreis mit. Dass damit keine auskömmliche Finanzierung gegeben ist, ist zwar auch dort klar. Doch sei der Kreisjugendring noch nie sonderlich mitgliederstark gewesen. Vor diesem Hintergrund müsse die projektbezogene Förderung auch betrachtet werden, erklärt das Sozialdezernat.Im Jahr 2021 habe der Verein den gestellten Förderantrag zurückgezogen und danach nichts mehr beantragt. Das bestätigt auch Michael Steiger. Man habe es in den letzten drei Jahren nicht mehr versucht, sagt er, da es für eine feste Stelle eben keinen Topf gebe. Die Notwendigkeit, eine solche Struktur zu finanzieren, sei vom Kreis nicht erkannt worden.

Dass der Verein nun vor dem Aus steht, kommt für den Kreis überraschend. Das zuständige Jugendamt habe davon keine Kenntnis, so ein Sprecher. Abseits der finanziellen Seite habe man aber in den vergangenen Jahren festgestellt, dass der Verein nur noch sporadisch in Erscheinung trete und nach Einschätzung des Kreises die Aufgabe der Interessenvertretung für junge Menschen nicht mehr ausreichend wahrnehme. Dies sei von Trägern der Jugendförderung auch bereits missbilligt worden – entsprechend gebe es Bemühungen, andere Strukturen der Jugendbeteiligung zu entwickeln. Dahingehend nennt der Kreis unter anderem Jugendparlamente und -fonds im Rahmen der „Partnerschaft für Demokratie“ als Beispiele.

Zu viele Aufgaben für ein Ehrenamt

Es sei lange versucht worden, die Aufgaben des Kreisjugendrings ehrenamtlich zu erfüllen, blickt Michael Steiger zurück. Doch allein die Fahrten zu den Gremiensitzungen, zu denen der Kreisjugendring vom Kreis eingeladen werde und die alle „bespielt“ werden müssen, nahmen neben viel Zeit vor allem privates Geld in Anspruch, gibt er ein Beispiel. So ist der Eindruck fehlender Teilnahme, den der Kreis gewonnen hat, wohl richtig. Aber es mangele nicht an Interesse, sondern den entsprechenden finanziellen Mitteln. Es seien am Ende einfach zu viele Aufgaben gewesen, resümiert Ina Bösefeld vom Landesjugendring mit Blick auf die Situation.

Quellen

  1. Telefonat mit Michael Steiger, Vorstandsvorsitzender Kreisjugendring MSE, am 7.5.2024.
  2. Kreisjugendring Mecklenburgische Seenplatte (Hg.): Mitglieder, auf: kjr-mse.de.
  3. Telefonat mit Michael Steiger am 14.5.2024.
  4. Telefonat mit Ina Bösefeld am 7.5.2024.
  5. Telefonat mit dem Sozialdezernat des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte am 13.5.2024.
  6. E-Mail des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte vom 14.5.2024.

Autor:in

  • Redakteurin in Greifswald

    Geboren in Berlin, aufgewachsen in Berlin und Brandenburg. Tauschte zum Studieren freiwillig Metropole gegen Metropölchen.