Containerdorf, Wohnschiff und Turnhalle

Weitere Geflüchtetenunterkünfte in Rostock geplant

Ein Containerdorf für 250 Geflüchtete am Osthafen, ein Wohnschiff für 200 Personen am Stadthafen und eine Turnhalle als Notunterkunft für 100 Menschen schon ab kommender Woche: Über diese Pläne informierte die Stadt die Bevölkerung am Donnerstag. Insbesondere die Sporthalle in Gehlsdorf sorgt für Ärger bei Sportvereinen und Eltern.

Rostock plant in den kommenden Wochen und Monaten mindestens drei neue Unterkünfte für Geflüchtete. Darüber informierte Sozialsenator Steffen Bockhahn (parteilos) am Donnerstagabend auf einer Informationsveranstaltung in der Michaelschule. Persönlich anwesend waren Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke) und Sozialamtsleiterin Anika Leese, Bockhahn selbst nahm aufgrund einer Covid-Erkrankung online teil.

Containerdorf im Osthafen ab August

Geplant ist ein weiteres Containerdorf in der Straße Bei der Knochenmühle im Osthafen, in dem ab spätestens Anfang August bis zu 250 Menschen untergebracht werden sollen. Anders als bei dem bestehenden Containerdorf in Marienehe für 120 Personen soll am Osthafen die Containersiedlung zweistöckig errichtet werden. Bestehen soll die Unterkunft mindestens zwei Jahre. Über die Unterbringung wird am 21. März der Hauptausschuss abschließend entscheiden. Doch alle formalen Voraussetzungen seien erfüllt.

Außerdem sei die Stadt in „erfolgversprechenden Verhandlungen“ für ein Wohnschiff ab Mai für 200 Personen am Stadthafen. Der genaue Liegeplatz sei noch unklar.

Turnhalle ab kommender Woche

Doch die Plätze reichten nicht aus, so der Sozialsenator. Es sei eine Notunterkunft für bis zu 100 Personen in der Sporthalle in der Steuerbordstraße in Gehlsdorf bereits ab der kommenden Woche notwendig. „Wir hoffen aber, dass wir bei der Notunterkunft nie in die volle Auslastung gehen müssen“, so Bockhahn. In der Sportstätte an der Gehlsdorfer Schwimmhalle gebe es keinen Schulsport und weniger Vereinssport als in anderen Hallen der Stadt. Bockhahn hofft, auf die Sporthalle verzichten zu können, sobald das Wohnschiff bezogen werden kann.

Doch auch diese geplanten Unterkünfte würden perspektivisch nicht ausreichen, warnt Bockhahn. Rostock werden vom Land wöchentlich 30 bis 35 Asylsuchende zugewiesen, dieses Jahr werde daher mit über 1.000 Geflüchteten gerechnet, die in der Hansestadt untergebracht werden sollen. Hinzu kommen weitere Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine. Daher sei die Stadt für alle Hinweise zu weiteren Unterbringungsmöglichkeiten dankbar, auch kleinere und private Wohnungen würden gesucht.

Balkendiagramm über nach Rostock zugewiesene Asylbewerber:innen. 2020: 128, 2021: 180, 2022: 415, 2023: 327 (Januar: 128, Februar: 168, bis zum 2. März: 31)

Empörung über Turnhalle

Insbesondere die Unterbringung in der Turnhalle sorgte auf der Informationsveranstaltung für Empörung und emotionale Redebeiträge über Kinder, denen nach der Corona-Pandemie nun erneut der Sport verwehrt werden würde. Für den Kitasport sollen Ausweichmöglichkeiten in anderen Stadtteilen angeboten werden, erklärte der Senator. Für den Erwachsenensport hingegen würde das nicht für alle funktionieren, wie beispielsweise für Bogenschießen oder den Zoll.

Auch die Stadtverwaltung habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, die Sporthalle als Notunterkunft zu nutzen, erklärten Bockhahn und Kröger mehrfach. Nicht nur für Sportvereine und Kinder, sondern auch für die Schutzsuchenden seien Turnhallen eine schlechte Option. „Aber wir müssen eine Entscheidung treffen“, so Bockhahn.

Appelle an Grundgesetz und Rechtsstaatlichkeit

Auf Kommentare einiger Anwesender, dass abgelehnte Asylbewerber:innen alle kriminell und die „Massenzuwanderung größtenteils illegal“ sei, verwiesen Sozialsenator und Oberbürgermeisterin auf Rechtsstaatlichkeit, Grundgesetz und Föderalismus.

„Menschen mit abgelehnten Asylanträge sind noch lange nicht kriminell“, so Bockhahn. Der Rechtsstaat lasse es zu, diese Ablehnung vor Gerichten anzufechten. Außerdem wies er darauf hin, dass das Grundgesetz „allen Menschen“ die gleichen Rechte zugestehe, nicht nur „allen Deutschen“.

Außerdem wiesen er und Kröger auf die Pflicht der Kommunen hin, Asylsuchende aufzunehmen, unterzubringen und zu integrieren. Die Stadt könne daher die Aufnahme von Schutzsuchenden nicht verweigern. „Darüber wird nicht verhandelt, der Aufgabe stellen wir uns“, stellte der Sozialsenator klar. Darüber hinaus würde das Land MV – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – die Kosten für die Unterbringung vollständig erstatten.

Schlagabtausch zwischen Bockhahn und Treichel

Bei der Informationsveranstaltung waren neben Mitgliedern von Sportvereinen und Ortsbeiräten auch die ehemaligen OB-Kandidaten Kai Oppermann und Jens Kaufmann sowie der nicht zur Wahl zugelassene Ex-AfD-Mann Stefan Treichel anwesend. Mit Letzterem leistete sich Bockhahn einen verbalen Schlagabtausch, woraufhin ihn seine Sozialamtsleiterin Anika Leese zur Ordnung rief.

Treichel, der Mitglied des Migrationsausschusses ist, sagte, Geflüchtete wanderten „zuerst in unsere Sozialsysteme ein“. „Ihre Argumentation ist unredlich und soll nur Vorurteile schüren“, entgegnete Bockhahn Treichel. Der Sozialsenator wies das ehemalige AfD-Mitglied darauf hin, dass Menschen im Asylsystem gar nicht arbeiten dürften. „Diese Regelung stammt noch aus einer Zeit, als es mehr Arbeitslose als Arbeitsplätze gab“, so der Senator. Doch Stadt, Land und Bund seien aufgrund des Arbeitskräftemangels vermehrt auf Zuwanderung angewiesen.

Und auf Treichels Vorwurf, dass in Rostock Integration nicht gewährleistet werden könnte, reagierte Sozialamtsleiterin Leese: „Sie brauchen nicht so zu tun, als ob das in unserer Stadt nicht passiert.“ Hilfsorganisationen, Zivilgesellschaft und Ehrenamtliche setzten sich seit Monaten und Jahren für Geflüchtete ein und leisteten „alle Großartiges, oft über die normale Arbeitszeit hinaus“.

Autor:in

  • Bild von KATAPULT MV Redakeurin Victoria Flägel

    Redakteurin in Rostock

    Geboren in Rostock. Aufgewachsen in Rostock. Studierte in Rostock. Und Kiel.